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Mexiko wird ausverkauft

Ölkonzern PEMEX privatisiert und zerschlagen. Protest hält an

Von Haydée Gutiérrez *

Seit dem vergangenen Freitag steht Mexikos Erdölkonzern PEMEX nicht mehr auf der offiziellen Liste staatlicher Unternehmen. Er untersteht damit nicht mehr dem Bundesgesetz für staatliche Körperschaften, sondern wird als »produktives Unternehmen des Staates« definiert. Wenige Tage zuvor, am 11. August, hatte Staatspräsident Enrique Peña Nieto mit seiner Unterschrift unter das schon im vergangenen Dezember beschlossene Gesetz die von der Opposition heftig bekämpfte »Energiereform« in Kraft gesetzt. Viele Bereiche der mexikanischen Öl- und Gasindustrie, vor allem die bislang staatlichen PEMEX (Petróleos Mexicanos) und CFE (Comisión Federal de Electricidad) wurden damit der Privatisierung geöffnet. Sie können nun zerschlagen, ihre Einzelteile von privaten Investoren gekauft und betrieben werden. Verhandlungen darüber laufen bereits mit transnationalen Multis wie Exxon, BP, Shell, Chevron und Petrobras. Zudem ließ Konzernchef Emilio Lozoya Austin verlauten, daß PEMEX höchstwahrscheinlich demnächst Rohöl aus den benachbarten USA importieren werde. Exploration, Produktion, Gasförderung sowie Raffinerie sollen allerdings Teil des Unternehmens bleiben.

Mexikos Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo Villarreal erklärte, die »Energiereform« sei »ein historischer Fakt« und verfestige »die Vision für die erste Etappe von fundamentalen Reformen, die eine große Wirkung haben werden, gerade auch, um kleine und mittelständische Unternehmen zu unterstützen«.

In den letzten drei Jahrzehnten sind von den ursprünglich insgesamt 1115 staatlichen Unternehmen auf der offiziellen Liste nicht weniger als 84 Prozent verschwunden. Heute existieren nur noch 189 staatliche Betriebe, der Rest wurde aufgelöst oder privatisiert. Die Zerschlagung von PEMEX ist allerdings der bisher größte Fall, denn der Konzern trägt durch seine Steuerzahlungen bislang entscheidend zu den Einnahmen des mexikanischen Staates bei. Nun sollen die Steuerforderungen an den Konzern gesenkt werden. Zudem verschlechtert sich die strategische Lage von PEMEX. In den bestehenden Erdölfördergebieten behält er zwar die Verwaltungshoheit von 83 Prozent. In neu erschlossenen Gebieten jedoch, in denen mit der Erdölförderung begonnen werden soll, wird PEMEX nur noch 21 Prozent der dortigen Ressourcen erhalten.

Jesús Zambrano, der Vorsitzende der oppositionellen Mitte-links-Partei PRD, monierte den Ausverkauf des Staatsbesitzes an das Ausland: »Es ist eine Schande, daß unser Reichtum an Öl wie auf dem Flohmarkt an transnationale Unternehmen verkauft wird. Am Ende bedeutet dieses Gesetz die Opferung unserer Unabhängigkeit für ausländische Interessen und deren nationale Verbündete.« Um das Verscherbeln des Landes doch noch zu verhindern, plant die Opposition nun eine große Volksbefragung, für die sich neben anderen Persönlichkeiten auch der bekannte Schauspieler Gael García Bernal in einem Video ausgesprochen hat. Mit dem Plebiszit als Rückendeckung soll bei der Zwischenwahl im Juli 2015 eine neue Zusammensetzung des Parlaments erreicht werden. Dann könnten die »Reform« und weitere Schritte zurückgenommen werden, so die vage Hoffnung.

* Aus: junge Welt, Freitag 22. August 2014


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