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Regierung gewinnt Wahl - Opposition geht auf die Barrikaden

Bürgerkriegsähnliche Tumulte in Moldawien - Lage unübersichtlich - Rumänische Flagge am erstürmten Präsidentensitz

Am 5. April fanden in Moldawien Parlamentswahlen statt. Die Ergebnisse schienen zunächst sonnenklar. Doch einen Tag nach der Auszählung ging die unterlegene Opposition auf die Barrikaden. - Wir dokumentieren im Folgenden Berichte der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti über die Ereignisse und unten einen Kommentar.



Wahlen in Moldawien: haushoher Sieg für Kommunisten

CHISINAU, 06. April (RIA Novosti). Die Kommunistische Partei Moldawiens, an deren Spitze Staatspräsident Vladimir Voronin steht, liegt nach der Auswertung von 93 Prozent der bei den Parlamentswahlen am Sonntag (5. April) abgegebenen Stimmen unaufholbar vorn.

"Die Kommunisten bekamen 49,85 Prozent der Stimmen, die Liberale Partei 12,97 Prozent, die Liberaldemokratische Partei 12,22 Prozent und die Allianz Unser Moldova - 9,88 Prozent", teilte ein Sprecher der Wahlkommission RIA Novosti mit.

Die restlichen 13 Parteien, die an den Start des Wahlrennens gegangen waren, schaffen vorerst die Sechs-Prozent-Hürde nicht.

Bei einer solchen Konstellation werden die Kommunisten 60 bis 62 Sitze im Parlament bekommen, das insgesamt 101 Sitze hat. Für die Wahl des Präsidenten sind 61 Parlamentsstimmen erforderlich. Das bedeutet, dass die KP unter Umständen keine Allianzen mit anderen Fraktionen brauchen wird, um den Präsidenten zu wählen und die Regierung zu bilden.

Präsident Voronin, dessen Vollmachten im April ablaufen, hatte bereits den Wunsch geäußert, in Zukunft im Parlament zu arbeiten.

Die Wahlbeteiligung lag bei 59,49 Prozent.


Moldawiens Opposition fordert unter rumänischer Flagge Neuwahlen

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). Nach der Erstürmung des Parlaments und des Präsidentensitzes verspricht die moldawische Opposition, nicht aufzugeben, bis der jüngste Wahlsieg der Kommunisten aufgehoben sein wird.

„Wir werden hier Tag für Tag stehen, bis wir eine vorgezogene Parlamentswahl durchsetzen“, sagte der Chef der Liberaldemokratischen Partei, Vladimir Filat, vor den Kundgebenden. Bei der Parlamentswahl am Sonntag hatte die von Präsident Vladimir Voronin geleitete Partei der Kommunisten mit 49,91 Prozent der Stimmen einen klaren Sieg errungen.

Wie ein RIA-Novosti-Reporter am Dienstagnachmittag vor Ort berichtete, wurde eine EU-Flagge auf dem Dach des erstürmten Präsidentensitzes gehisst und über den Eingang eine rumänische Flagge gehängt. Zuvor hatten viele Demonstranten den Anschluss an das Nachbarland Rumänien gefordert.

Auch ins Parlament drangen die Oppositionellen ein. Sie trugen Möbelstücke heraus, verbrannten sie vor dem Gebäude und beschmierten Wände im Parlamentsgebäude mit antikommunistischen Sprüchen. Ein Rauchkörper wurde aus einem Fenster geworfen.

Bei den schweren Straßenschlachten wurden mindestens 20 Menschen verletzt, sagte Georgi Tschobanow, Chef eines städtischen Krankenhauses, zu RIA Novosti.


Rumänische Flagge am erstürmten Präsidentensitz in Moldawien gehisst

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). Nach dem Parlamentsgebäude ist auch der Präsidentensitz in der moldawischen Hauptstadt Chisinau von der Opposition erstürmt worden. Es gibt viele Verletzte.

Wie ein RIA-Novosti-Reporter am Dienstagnachmittag vor Ort berichtete, wurde eine EU-Flagge auf dem Dach gehisst und über den Eingang eine rumänische Flagge gehängt. Zuvor hatten viele Demonstranten den Anschluss an das Nachbarland Rumänien gefordert.

Auch das Parlament wurde erstürmt. Die Demonstranten trugen Möbelstücke heraus und verbrannten sie vor dem Gebäude. Die Oppositionellen beschmierten Wände im Parlamentsgebäude mit antikommunistischen Sprüchen. Ein Rauchkörper wurde aus einem Fenster geworfen.

Bei den schweren Straßenschlachten wurden mindestens 20 Menschen verletzt, sagte Georgi Tschobanow, Chef eines städtischen Krankenhauses, zu RIA Novosti.

Der Chef der Liberaldemokratischen Partei, Wladimir Filat, erklärte am Dienstag, die Opposition werde aufs Ganze gehen, um die Aufhebung der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahl durchzusetzen. Die von Präsident Vladimir Voronin geleitete Partei der Kommunisten hatte dabei mit 49,91 Prozent der Stimmen einen klaren Sieg errungen.


Krawalle in Chisinau: Polizei setzt gegen Demonstranten Blendgranaten ein

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). In der moldawischen Hauptstadt Chisinau sind die Sicherheitskräfte mit Blendgranaten gegen die Demonstranten vorgegangen, nachdem diese versucht hatten, das Parlamentsgebäude zu erstürmen.

Wie ein Korrespondent der RIA Novosti vor Ort berichtet, waren in der Menschenmenge zehn bis 15 laute Knalle zu hören. Bei dem von Soldaten umzingelten Gebäude sind drei Ambulanzwagen vorgefahren, um Verletzte abzuholen.


Chisinau: Lage angeblich unter Kontrolle der Polizei

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). In der moldawischen Hauptstadt Chisinau, wo Proteste der Opposition am Dienstag in Massenkrawalle hinübergewachsen waren, hat die Polizei nach eigenen Angaben die Lage unter Kontrolle gebracht.

Das teilte der moldawische Innenminister Georgi Paluk RIA Novosti mit.

Die Staatsführung sei den demokratischen Gesetzten gefolgt und habe eine friedliche Demonstration erwartet, sagte er. „Um jeglichen Gesundheitsschaden für die unter der Einwirkung von Alkohol stehenden Rowdys zu verhindern, wurden die Sicherheitskräfte beauftragt, die Menschenmenge und Passanten vor Exzessen zu schützen, die ihrer Gesundheit schaden würden“, sagte der Minister. Dennoch haben „die Hooligans der Polizei einen erbitterten Widerstand geleistet“.

Die Proteste in Chisinau dauern seit Montag an. Die Opposition fordert eine Annullierung der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahl, bei der die Kommunistische Partei des Staatspräsidsenten Vladimir Voronin mit 49,91 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen war.

Am Dienstag (7. Aptil) erstürmte die aufgebrachte Menschenmenge das Parlamentsgebäude. Dann drangen die Demonstranten auch in den Präsidentensitz ein und hängten eine rumänische Flagge über dessen Eingang aus. Auf dem Dach wurde eine EU-Flagge gehisst. Zuvor hatten viele Demonstranten den Anschluss an das Nachbarland Rumänien gefordert. Laut Medizinern wurden bei den Unruhen mindestens 20 Menschen verletzt.


Demonstranten in Chisinau bringen Präsidentensitz unter ihre Kontrolle

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). Die randallierenden Demonstranten in Moldawien haben den Präsidentensitz in der Hauptstadt Chisinau am Dienstagabend unter ihre Kontrolle gebracht.

Augenzeugenberichten zufolge werfen die Jugendlichen Mobiliar, Computer und persönliche Sachen der Mitarbeiter durch die zerschlagenen Fenster auf die Straße und verbrennen sie. Die Oppositionellen sind mit den Ergebnissen der Parlamentswahl vom Sonntag unzufrieden und fordern von den Behörden Neuwahlen.


Moldawien: Liberale Partei fordert Neuwahlen

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). Der Vorsitzende der liberalen Partei Moldawiens, Dorin Chirtoaca, hat den von der Opposition und Regfierung vereinbarten Kompromiss abgelehnt und neue Parlamentswahlen gefordert.

Er rief seine Anhänger auf, den zentralen Platz von Chisinau nicht zu verlassen, bis die vorgezogenen Wahlen ausgeschrieben sind.

Davor hatte eine Quelle im Amt des moldawischen Staatspräsidenten Vladimir Voronin mitgeteilt, dass Parlamentschef Marian Lupu und die Leiter der Opposition sich bei einem Treffen am Dienstag auf eine Neuauszählung der Wahlzettel der jüngsten Parlamentswahlen geeinigt haben, um die Massenkrawalle in der Hauptstadt Chisinau zu beenden.

Die Proteste in Chisinau dauern seit Montag an. Die Opposition fordert eine Annullierung der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahl, bei der die Kommunistische Partei des Staatspräsidenten Vladimir Voronin mit 49,91 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen war. Am Dienstag erstürmte die aufgebrachte Menschenmenge das Parlamentsgebäude und den Präsidentensitz.

Derzeit befinden sich nach Polizeiangaben rund 2 000 Demonstranten auf dem zentralen Platz von Chisinau. Wie ein Korrespondent der RIA Novosti berichtet, rufen viele Demonstranten zu Neuwahlen statt zur Neuauszählung der Stimmen auf.


Moldawiens Präsident wirft Opposition Putschversuch vor

CHISINAU, 07. April (RIA Novosti). Nach den heutigen Krawallen in der Hauptstadt Chisinau hat der moldawische Präsident Vladimir Voronin der Opposition einen Putschversuch vorgeworfen.

Die Behörden werden das Land vor den Randalierern und Putschisten, die die Macht ergreifen wollen, schützen, versprach Voronin am Dienstag in einer Fernsehansprache.

„Politische Instrumente sind unter den Bedingungen des Putschs nicht mehr geeignet“, sagte Voronin. Die moldawischen Behörden wollen nun „das Land und die demokratische Wahl des Volkes entschlossen schützen“.

Die Proteste in Chisinau dauern seit Montag an. Die Opposition fordert eine Annullierung der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahl, bei der die Kommunistische Partei des Staatspräsidenten Vladimir Voronin mit 49,91 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen war. Am Dienstag erstürmte die aufgebrachte Menschenmenge das Parlamentsgebäude und den Präsidentensitz.

Am Nachmittag teilte eine Quelle im Amt des moldawischen Staatspräsidenten mit, dass Parlamentschef Marian Lupu und die Leiter der Opposition sich bei einem Treffen am Dienstag auf eine Neuauszählung der Wahlzettel der jüngsten Parlamentswahlen geeinigt hätten, um die Massenkrawalle in der Hauptstadt Chisinau zu beenden.

Alle Meldungen aus RIA Novosti; http://de.rian.ru

Unikum Moldova?

Von Detlef D. Pries *

Zum dritten Mal in Folge hat die Partei der Kommunisten die Parlamentswahlen in Moldova gewonnen, ohne dass argwöhnische Beobachter aus dem europäischen Westen gravierende Mängel am Wahlprozedere festgestellt hätten. Obwohl Moldova als einziger Staat des Kontinents seit nunmehr acht Jahren von einer kommunistischen Partei regiert wird. Deren Wähleranteil hat sich gegenüber 2005 sogar erhöht, so dass Wladimir Woronin und Genossen das neue Staatsoberhaupt demnächst im neuen Parlament ohne die Stimmen anderer Parteien küren können. Ein »Wahlergebnis gegen Europa«, behaupten ihre rechten Gegner nun, während die Anhänger der reinen kommunistischen Lehre ihren moldauischen Namensvettern längst Reformismus und Anbiederung an die EU vorwerfen. Das eine ist so töricht wie das andere. Tatsächlich wirbt die Regierung in Chisinau auch bei der EU um Wirtschaftshilfe. Was sollte sie anderes tun? Jedem Versuch, Europas ärmsten Staat zur Insel des Kommunismus im tosenden Krisenmeer auszubauen, wäre das Scheitern gewiss. Hilfe aus Russland käme dafür keinesfalls, auch wenn man in Chisinau – anders als in benachbarten Hauptstädten – nicht in antirussische Hysterie verfallen ist. Courage ist dennoch verlangt: beispielsweise beim Herangehen an den Konflikt mit der abtrünnigen Dnjestr-Republik. Dessen Lösung sollte man sich weder von Washington noch von Brüssel, noch von heimischen Nationalisten diktieren lassen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. April 2009


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