Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neue Kandidaten

Auch Transnistrien möchte der Russischen Föderation beitreten, wird aber nicht mit offenen Armen empfangen

Von Knut Mellenthin *

Nach der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation hat sich am Dienstag auch die von keinem Staat der Welt anerkannte, aber seit 1992 de facto unabhängige Republik Transnistrien zu Wort gemeldet. Man habe Moskau gebeten, in das Gesetz über die Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft und die Aufnahme neuer Gebiete in die Föderation, das zur Zeit in der Duma beraten wird, auch Transnistrien einzubeziehen, sagte Parlamentssprecherin Irina Kubanschik.

Im Gegensatz zum hier gebräuchlichen Namen Transnistrien, der »Land jenseits des Dnjestr« (ukrainisch: Dnister) bedeutet, nennt die Republik sich selbst offiziell Pridnestrowische Moldauische Republik (PMR). Pridnestrowje bedeutet »Land am Dnjestr«. Das ist sachlich genauer als die international üblichen Bezeichnungen, denn zur PMR gehört auch die Stadt Benderi auf dem West­ufer des Flusses. Das Land ist rund 200 Kilometer lang, aber im Durchschnitt nur 15 bis 20 Kilometer breit. Mit 3567 Quadratkilometern ist es etwas größer als das Saarland oder Luxemburg. Die Republik grenzt nur an Moldawien – auf dessen Territorium es nach übereinstimmender internationaler Ansicht liegt – und die Ukraine, nicht jedoch an Rußland. Nach amtlichen Angaben wurden 2004 rund 555000 Einwohner gezählt, von denen sich 31,9 Prozent als Moldawier, 30,3 Prozent als Russen und 28,9 Prozent als Ukrainer registrieren ließen. Die Sprachen aller drei Nationalitäten sind gesetzlich gleichberechtigt, allerdings muß das weitgehend mit dem Rumänischen übereinstimmende Moldawisch in Pridnestrowien mit kyrillischen Buchstaben geschrieben werden, und im Alltag dominiert eindeutig Russisch.

Als sich 1990/91 die UdSSR in ihre Bestandteile auflöste und die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik ihre Unabhängigkeit erklärte, rief die Bevölkerung von Pridnestrowien ihren eigenen Staat aus. Die Versuche der größeren Republik Moldau, den Streit militärisch für sich zu entscheiden, führten von März bis Juli 1992 zu einem für beide Seiten verlustreichen Krieg. Mit Hilfe der dort stationierten russischen Truppen und zahlreicher Freiwilliger aus der Russischen Föderation konnte die PMR ihre Unabhängigkeit verteidigen. Das damals geschlossene Waffenstillstandsabkommen hat seither gehalten. Im Rahmen einer gemeinsamen Friedenstruppe sind 3800 russische Soldaten in Pridnestrowien stationiert.

Der Konflikt hat sich erneut zugespitzt, nachdem die Republica Moldova (so der Name auf Rumänisch) im November vorigen Jahres ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU abschloß. Es bedarf allerdings noch der Ratifizierung, die planmäßig im August stattfinden soll. Gegenwärtig lehnt jedoch die Mehrheit der Bevölkerung das Vertragspaket ab. Spätestens im November sind in Moldova Parlamentswahlen fällig, die die EU-kritischen Kommunisten zurück an die Regierung bringen könnten. Rußland subventioniert die PMR zwar finanziell, hat sich aber offiziell immer wieder für den Verbleib Transnistriens bei Moldova ausgesprochen und sich um gute Beziehungen zu diesem Staat bemüht, zumal bis 2010 die KP regierte. Moskau wird es daher vermutlich mit einer Aufnahme der PMR in die Föderation nicht eilig haben. Das Fehlen einer gemeinsamen Grenze stellt außerdem eine schwierige Hürde dar.

Im Süden Moldovas liegt die in vier Einzelteile zersplitterte Gagausische Republik mit einer Gesamtfläche von 1832 Quadratkilometern und 162000 Einwohnern. Sie besitzt sehr weit gehende Autonomierechte und hatte sich auf dieser Grundlage bisher mit der Regierung von Moldava in Chisinau friedlich arrangiert. Am 3. Februar fand jedoch in Gagausien ein Referendum über den Anschluß an die EU statt, das von den moldauischen Behörden vergeblich verboten worden war. Über 90 Prozent sprachen sich gegen die EU und für enge Beziehungen zur Zollunion der GUS aus. Dem 2010 gegründeten Verbund, der die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums zum Ziel hat, gehören gegenwärtig Rußland, Belarus und Kasachstan an.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 20. März 2014


Zurück zur Moldawien-Seite (Moldau)

Zur Moldawien-Seite (Moldau)(Beiträge vor 2014)

Zur Russland-Seite

Zur Russland-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage