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Invasion vom Zuckerhut

Ein brasilianisches Großprojekt versetzt eine mosambikische Region in Unruhe

Von Christine Wiid *

Die mosambikische Zivilgesellschaft ist in Aufruhr: Ein Großprojekt bedroht ihrer Ansicht nach die Lebensgrundlage von Kleinbauern einer ganzen Region. Der Kleinbauernverband ORAM, den INKOTA auch mit Hilfe der nd-Spendenaktion unterstützen will, klärt die Betroffenen über ihre Rechte auf und befähigt sie, sich gegen Landraub zu verteidigen.

Im Nacala-Korridor, der fruchtbaren Region zwischen Lichinga nahe der Grenze zu Malawi und der Hafenstadt Nacala, planen Brasilien, Japan und Mosambik ein gewaltiges Landwirtschaftsprojekt nach brasilianischem Vorbild. Erklärtes Ziel der Planer ist es, die Landwirtschaft im Norden Mosambiks »wettbewerbsfähig und nachhaltig« zu gestalten.

Zahlreiche mosambikische Organisationen der Zivilgesellschaft sehen dieses Projekt jedoch sehr kritisch: Sie glauben nicht, dass die Kleinbauern von den geplanten Investitionen profitieren werden. Sie fürchten im Gegenteil, dass das Projekt für sie mit Landverlusten einhergehen wird. UNAC (União Nacional de Camponeses), eine mosambikische Organisation, die die Rechte von Kleinbauern vertritt, hat im November vergangenen Jahres eine Erklärung veröffentlicht. Darin macht die UNAC ihre Befürchtungen deutlich: Landverlust und Vertreibungen, Verarmung der Landbevölkerung, Umweltverschmutzung und Störung des ökologischen Gleichgewichts.

Auch in Nampula, der Provinz, die am meisten vom Großprojekt »ProSavana« betroffen ist, regt sich die Zivilgesellschaft: Der Kleinbauernverband ORAM (Associação Rural de Ajuda Mútua), Partner von INKOTA, hat zusammen mit anderen Organisationen einen Forderungskatalog erstellt, der an die Regierung gerichtet ist.

»ProSavana« hat also schon viel Staub aufgewirbelt, bevor es tatsächlich in Angriff genommen wurde. Viele mosambikische Organisationen bezweifeln allerdings schon die Grundidee, ein brasilianisches Modell einfach auf Mosambik zu übertragen. Geplant ist, großflächig Sojabohnen, Mais und andere »cash crops« für den Export anzubauen, gleichzeitig die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu fördern und deren Produktivität zu erhöhen. Formuliert ist all dies in schönstem »Greenwashing«-Vokabular. Es ist der Versuch, einem Unternehmen ein Mäntelchen von Umweltfreundlichkeit und Verantwortungsbewusstsein umzuhängen.

Vorbild für »ProSavana« in Mosambik ist das Projekt »Prodecer«, das in den 80er Jahren in Brasilien mit japanischer Unterstützung verfolgt wurde und das den südamerikanischen Staat zu einem der größten Exporteure von Sojabohnen machte. Aufgrund ähnlicher Bodenbeschaffenheit soll ein vergleichbares Programm auch in Mosambik die landwirtschaftliche Entwicklung ankurbeln. Die Rollen sind vergeben: Brasilien teilt seine Agrotechnik mit Mosambik, Japan finanziert die Infrastruktur, die für den Export notwendig ist, und Mosambik stellt das Ackerland zur Verfügung. Was in der Theorie einfach klingt, birgt jedoch eine Fülle von Risiken und Gefahren.

Das Engagement des expandierenden Schwellenlandes Brasilien im gleichfalls portugiesischsprachigen Mosambik hat in der jüngsten Vergangenheit deutlich zugenommen. Das betrifft sowohl die Handelsbeziehungen als auch Entwicklungshilfeprojekte. Brasilianer werden von der mosambikischen Regierung mit offenen Armen empfangen. So verkündete der damalige mosambikische Premierminister Aires Bonifácio Baptista Ali bei einem Staatsbesuch in Brasilia im April vergangenen Jahres, dass die Anwesenheit brasilianischer Investoren in seinem Land »extrem wichtig« sei.

Dabei profitieren brasilianische Investoren von der Einladung der Mosambiker gewaltig, insbesondere bei landwirtschaftlichen Projekten: Im ostafrikanischen Mosambik gehört sämtlicher Boden dem Staat, anders als in Brasilien, wo Land in Privatbesitz ist. Gemeinden, Einzelpersonen oder Unternehmen können jedoch vom mosambikischen Staat Landrechte erwerben, üblicherweise für 50 Jahre mit der Möglichkeit, die Frist nach Ablauf zu verlängern. Investoren müssen also keine großen Anfangsinvestitionen tätigen, sondern erhalten einen Landtitel vom Staat und zahlen eine geringe jährliche Steuer, die sich nach der Größe der Länderei bemisst. Daraus folgt, dass Investitionen in Grund und Boden für Brasilianer in Mosambik ausgesprochen lohnend sind, denn in ihrer Heimat ist der Boden knapp, während es in Mosambik vermeintlich riesige ungenutzte Flächen und viel Entwicklungspotenzial gibt.

In der Tat ist die Agrarpolitik Mosambiks bis heute nicht von großem Erfolg gekrönt. Obwohl mehr als drei Viertel aller Mosambiker von der Landwirtschaft leben, stellen Nahrungsmittelunsicherheit und Mangelernährung nach wie vor große Probleme für die Landbevölkerung dar. Mosambik ist immer noch Nettoimporteur von Nahrungsmitteln, die ländliche Armut nimmt in einigen Regionen sogar zu. Die Produktivität der Kleinbauern ist sehr gering, denn sie haben kaum Zugang zu Landmaschinen oder zu fachlicher Beratung, die Infrastruktur ist sehr schlecht und die Wege zu den Märkten sind beschwerlich.

So kommt es, dass es noch viele Flächen gibt, die landwirtschaftlich nicht oder nicht dauerhaft genutzt werden, was wiederum dazu führt, dass Land großflächig an ausländische Investoren vergeben wird, die Arbeitsplätze, Infrastruktur und moderne Technik versprechen.

ORAM und andere zivilgesellschaftliche Organisationen befürchten jedoch, dass »Pro-Savana« vor allem zu Lasten der Kleinbauern in den betroffenen Gebieten gehen wird. In der Provinz Nampula sind das acht von 18 Distrikten. ORAM hat sich mit sechs anderen Organisationen zu einem »Netzwerk natürliche Ressourcen und Landwirtschaft« zusammengeschlossen. Gemeinsam haben diese Verbände ein Positionspapier verfasst, in dem offene Fragen und Forderungen an die Regierung formuliert werden. Insbesondere geht es den Verfassern um mehr Transparenz und um die Einhaltung der Rechte der lokalen Gemeinden und Kleinbauern. Denn das Projekt wird auch in den Medien bereits diskutiert, aber die betroffene Landbevölkerung weiß noch nichts darüber. Obwohl das mosambikische Landrecht Konsultationen und die Einbeziehung der betroffenen Gemeinden zwingend vorschreibt. Aber nicht alle Kleinbauern wissen das, auch viele Politiker oder örtliche Beamte kennen die Rechtsgrundlagen nur ungenügend. Auch deshalb möchte ORAM an der weiteren Planung sowie an der Überwachung des »ProSavana«-Projekts beteiligt sein. »Wir wollen Transparenz, vor allem für die betroffene Bevölkerung, und wir wollen die Details der Planung kennen«, fordern die Mitglieder des Netzwerks.

Die mosambikische Regierung hat auf den wachsenden Druck bereits reagiert und zugesichert, dass kein Bauer sein Land verlieren wird. »In unserem Land gibt es keinen Platz für die Rückkehr königlicher Gesellschaften«, sagte Landwirtschaftsminister José Pacheco in einem Fernsehinterview in Anspielung auf die Kolonialgeschichte. »Die Kleinbauern werden ihre Landflächen behalten, denn das Ziel ist es, sie zu erweitern.«

Wie es weitergeht und ob die Regierung ihre Versprechen einhält, wird ORAM genau beobachten. Momentan werden die Verhandlungen der drei beteiligten Länder hinter verschlossenen Türen fortgesetzt: Bis Juli 2013 sollen die Verträge unterschriftsreif sein. Es ist also höchste Zeit für ORAM und die anderen Organisationen, die Kleinbauern aufzuklären und sich gemeinsam mit ihnen für ihre Rechte stark zu machen.

* Die Autorin ist Referentin des INKOTA-Projekts in Mosambik.

Aus: neue deutschland, Mittwoch, 16. Januar 2013


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