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Myanmar: Hausarrest von Daw Aung San Suu Kyi aufgehoben

amnesty international begrüßt den Schritt. Hintergrundinformation über die Menschenrechtslage im Land

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung von amnesty international anlässlich der Aufhebung des Hausarrests für die Oppositionspolitikerin Daw Aung San Suu Kyi in Myanmar vom 7. Mai 2002 sowie einen Auszug aus dem Länderbericht Myanmar aus dem ai Jahresbericht 2002, der Ende Mai veröffentlicht wurde.


Pressemitteilung

Bonn, 07. Mai 2002 - amnesty international hat begrüßt, dass sich Myanmars Oppositionsführerin Daw Aung San Suu Kyi wieder frei bewegen und politisch tätig werden kann. Die Militärregierung hatte die Führerin der Oppositionspartei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) über eineinhalb Jahre unter Hausarrest gehalten. Trotz Anzeichen einer Aussöhnung zwischen der Regierung und der Opposition bleiben etwa 1.500 politische Gefangene weiterhin in Haft.

"Die Freilassung von Aung San Suu Kyi bedeutet eine positive Entwicklung der Menschenrechtssituation in Myanmar. Wir hoffen, dass die Regierung nun die Hunderte von politischen Gefangenen frei lässt, die aufgrund ihrer friedlichen politischen Meinunsäußerung inhaftiert sind", sagte amnesty international. Die Organisation fordert die internationale Gemeinschaft auf, weiterhin an die Regierung in Myanmar zu appellieren, die Menschenrechtssituation zu verbessern. Die birmesische Bevölkerung müsse selbst über ihre Zukunft entscheiden können. Freie Meinungsäußerung sei nach wie vor nicht gewährleistet. Die meisten Birmesen litten zudem unter der schlechten wirtschaftlichen Lage.

amnesty international hat seit Dezember 2000 Berichte über etwa 280 Freilassungen von politischen Gefangenen erhalten, die Zahl der neuen Verhaftungen aus politischen Gründen war in den letzten 18 Monaten relativ niedrig. Trotzdem befinden sich in den Gefängnissen Myanmars nach wie vor etwa 1.500 politische Häftlinge. Ein Teil von ihnen ist bereits über die Dauer des Strafmasses hinaus inhaftiert.

Im November 2001 wurde Dr. Salai Tun Than, ein über 70-jähriger chinesischer Professor, in der Hauptstadt Yangon verhaftet, nachdem er friedlich für die Demokratisierung des Landes demonstriert hatte. Im März 2002 wurde er zu sieben Jahren Haft verurteilt. amnesty international betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Immer noch in Haft befindet sich auch der ebenfalls gewaltlose politische Gefangene Paw U Tun, alias Min Ko Naing, der im im März 1989 verhaftet wurde. Er war eine leitende Figur der Studentenbewegung von 1988 gegen 26 Jahre Militärregime in Myanmar. Berichten zufolge hat Min Ko Naing gesundheitliche Probleme.

Zum politischen Hintergrund:

Im vergangenen Oktober nahmen Daw Aung San Suu Kyi und die Militärregierung geheime Gespräche auf. Während dieser Phase der Vertrauensbildung gewährte die Militärregierung internationalen Delegationen den Zugang nach Myanmar, so dem UNO-Sondergesandten für Myanmar, Razali Ismael, dem UNO-Sonderbotschafter für Myanmar, Paulo Sergio Pinheiro sowie der internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

amnesty international begrüsst diese Entwicklung und hofft, dass sie zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Myanmar beiträgt. Zwangsarbeit ist immer noch gängige Praxis, obwohl sie in zwei Dekreten verboten wurde. So hat amnesty international kürzlich Berichte erhalten, nach denen immer noch Zwangsarbeit gegen Angehörige ethnischer Minderheiten verhängt wird, besonders in Gegenden, in denen Aufstände bekämpft werden sollen. Kürzlich kamen die ILO und die Militärregierung überein, dass eine Kontaktperson der ILO bis Juni 2002 in Myanmar bleiben solle, um auf die Abschaffung der Zwangsarbeit hinzuwirken.


Auszug aus dem ai Jahresbericht 2002

Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2001
MYANMAR

Wie in den Vorjahren lieferte sich die Armee immer wieder Gefechte mit Kämpfern der Nationalen Union der Karen, der Nationalen Fortschrittspartei der Karenni und der Armee des Shan-Staats/Süd (Shan State Army-South - SSA-South). Außerdem kam es auch zu Scharmützeln zwischen den Truppen des SPDC und kleineren Einheiten zweier bewaffneter Oppositionsgruppen der Mon. 16 in den Vorjahren zwischen dem SPDC einerseits und verschiedenen Minderheiten zuzurechnenden bewaffneten Oppositionsgruppen andererseits ausgehandelte Waffenstillstandsvereinbarungen wurden im Berichtsjahr eingehalten.

Ein hochrangiges Expertenteam der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) besuchte im September und Oktober das Land, und der neue UN-Sonderberichterstatter für Myanmar hielt sich dort im April und im Oktober zu Besuchen auf.

Politische Entwicklungen

Im Februar kam General Tin Oo, ein führendes Mitglied des SPDC, bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Am Ende des Berichtsjahres war sein Posten als Zweiter Sekretär des SPDC noch immer vakant. Im November wurden sieben Minister ihres Amtes enthoben, Berichten zufolge einige davon wegen Korruptionsvorwürfen. Auch zehn der zwölf regionalen Militärbefehlshaber wurden von ihren Posten abgezogen.

Der Inhalt der Gespräche zwischen dem SPDC und Aung San Suu Kyi wurde nicht öffentlich bekannt gegeben, doch dürfte es dabei vor allem um vertrauensbildende Maßnahmen und weniger um politische Vereinbarungen über die Zukunft des Landes gegangen sein. Die ethnischen Minderheiten wurden nicht in den Dialog einbezogen, da beide Seiten der Ansicht waren, für trilaterale Gespräche sei die Zeit noch nicht reif. Die von der Regierung kontrollierten Medien stellten ihre häufigen Angriffe gegen Aung San Suu Kyi wegen angeblicher Charakterschwächen sowie generell gegen die NLD ein, und diese gab keine regierungskritischen öffentlichen Erklärungen mehr ab. Im August forderte die NLD öffentlich die Freilassung von Aung San Suu Kyi und aller anderen politischen Gefangenen. In den Verwaltungsbezirken Yangon und Mandalay durften einige Parteibüros der NLD wieder eröffnet werden.

Politische Inhaftierung

Die beiden Anwälte U Shwe Saw Oo und U Tha Tun Aye sowie der Händler U Khin Maung Gyce sollen im März verhaftet und vor ihrer Verbringung in das Gefängnis von Sittwe im Unionsstaat Rakhine mit Schlägen misshandelt worden sein. Die drei Mitglieder der oppositionellen Arakanischen Liga für Demokratie befanden sich am Jahresende noch in Untersuchungshaft.

Die dem Volk der Chin angehörende baptistische Pastorin Gracey wurde im Februar verhaftet und im Juli wegen der Weitergabe von Informationen an die bewaffnete Oppositionsgruppe Nationale Front der Chin zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Noch im gleichen Monat brachte man sie ungeachtet aller Bedenken im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand in ein Gefangenenlager im Verwaltungsbezirk Sagaing.

Im Jahr 2001 befanden sich etwa 1600 politische Gefangene in Haft, darunter Hunderte von Mitgliedern der NLD und anderer politischer Parteien. Zu den bereits seit längerem einsitzenden Gefangenen gehörten U Win Htein, persönlicher Berater von Aung San Suu Kyi, das NLD-Gründungsmitglied U Win Tin sowie der prominente Studentenführer Paw U Tun alias Min Ko Naing. Mindestens 52 Gefangene, darunter auch Paw U Tun, blieben trotz Ablaufs ihrer Strafe inhaftiert. Auch mindestens 150 Studentenaktivisten und 17 NLD-Mitglieder, die 1990 für ihre Partei ins Parlament gewählt worden waren, saßen weiter im Gefängnis ein.

Der im Januar 1999 aus der Haft entlassene gewählte NLD-Abgeordnete Saw Naing Naing, der im Jahr 2000 erneut festgenommen und im Zusammenhang mit der öffentlich erhobenen Forderung nach Aufhebung aller Restriktionen gegen die NLD zu 21 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden war, befand sich am Ende des Berichtsjahres weiterhin im Gefängnis.

Der Gesundheitszustand des im April 2000 zu 21 Jahren Haft verurteilten gewaltlosen politischen Gefangenen U Aye Tha Aung, Führungsmitglied der Arakanischen Liga für Demokratie, war unverändert schlecht.

Der im Juli 1989 festgenommene Zaw Min, der seine 10-jährige Haftstrafe bereits verbüßt hatte, wurde nach den Bestimmungen des Staatsschutzgesetzes von 1975 weiterhin in Verwaltungshaft gehalten. Seine geistige Gesundheit soll stark angegriffen gewesen sein.

Auch die drei Führungsmitglieder der Oppositionspartei Nationale Demokratische Front der Mon und gewaltlosen politischen Gefangenen Nai Ngwe Thein, Min Soe Lin und Min Kyi Win befanden sich nach wie vor in Haft. Ihre Festnahme war im September 1998 wegen angeblicher Unterstützung eines Aufrufs der NLD zur Einberufung des Parlaments erfolgt. Die zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilten Min Kyi Win und Min Soe Lin wurden im Gefängnis von Mawlamyaine im Mon-Staat festgehalten, der 76-jährige Nai Ngwe Thein im Insein-Gefängnis.

Die meisten im Laufe des Berichtsjahres freigelassenen Gefangenen hatten ihre Strafe verbüßt oder waren ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten worden. Viele von ihnen hatte man im September 2000 am Bahnhof von Yangon verhaftet, als Aung San Suu Kyi, die mit dem Zug nach Mandalay fahren wollte, faktisch unter Hausarrest gestellt wurde. 39 gewählte Parlamentsabgeordnete, die wegen des Versuchs, das 1990 gewählte Parlament zu einer Sitzung einzuberufen, seit September 1998 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Gefängnis saßen, wurden auf freien Fuß gesetzt. ...

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sollen sich verbessert haben, seit das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) 1999 damit begann, Vertreter zu Inspektionsbesuchen in die Gefängnisse des Landes zu entsenden. Überbelegung und unzureichende medizinische Versorgung gaben jedoch weiterhin Anlass zur Sorge. Berichten zufolge hat der SPDC im Jahr 1997 elf Anweisungen zur Behandlung von Gefangenen erlassen, die ebenfalls zu gewissen Verbesserungen geführt haben sollen, wenn auch die Bestimmungen nicht öffentlich erhältlich waren. Seit 1988 sind mindestens 64 politische Gefangene in der Haft zu Tode gekommen.

Im Juli starb im Gefängnis von Kalay Khin Maung Myint, ein führendes Mitglied der Jugendorganisation der NLD. Die Todesursache ist nicht bekannt. Er war 1997 festgenommen und zu acht Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er versucht hatte, ein Treffen von NLD-Jugendaktivisten mit Aung San Suu Kyi zu organisieren. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung hatte er sich in gutem gesundheitlichen Zustand befunden.

Zwangsarbeit

In den sieben Unionsstaaten der ethnischen Minderheiten zwang das Militär auch im Berichtsjahr Zivilisten zu Zwangsarbeit. In Rakhine wurden in den Townships Maungdaw und Buthidaung weiterhin Angehörige der moslemischen ethnischen Minderheit der Rohingya zur Zwangsarbeit herangezogen. Berichten zufolge wurden aber auch bezahlte Arbeiter eingesetzt, und in manchen Gebieten ging die Nachfrage nach Zwangsarbeitern zurück. In einigen Teilen der Staaten Kayin, Mon und Shan sowie im Verwaltungsbezirk Tanintharyi im Osten des Landes wurden nach wie vor Zwangsarbeiter eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörten Trägerdienste für die Armee und Arbeiten auf deren Stützpunkten und Farmen. Die Zwangsarbeit war Teil der gegen die bewaffneten oppositionellen Gruppen der ethnischen Minderheiten in diesen Regionen gerichteten Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen des Militärs. Auch zu Arbeitslagerhaft verurteilte Strafgefangene wurden nach wie vor als Zwangsarbeiter eingesetzt. Immer wieder gab es Berichte über Todesfälle als Folge von Erschöpfung und mangelhafter medizinischer Versorgung.
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Extralegale Hinrichtungen

Erneut trafen Berichte über die extralegale Hinrichtung von nicht aktiv an den Feindseligkeiten beteiligten Zivilisten aus den ethnischen Minderheiten ein. Die Tötungen erfolgten meist im Zusammenhang mit Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen der Armee als Bestrafung für angebliche Kontakte zu bewaffneten Oppositionsgruppen.

Der zur Minderheit der Shan gehörende 45-jährige Bauer und traditionelle Heiler Sa Ti Ya wurde von der SPDC-Einheit 99 aus seinem Haus in Tun Hing im Township Murngnai, Shan-Staat, geholt und beschuldigt, der bewaffneten Oppositionsgruppe SSA-South anzugehören. Berichten zufolge wurde er zunächst mit Schlägen misshandelt und dann mit zwei Schüssen in den Hinterkopf getötet.

Internationale Initiativen

Im April verlängerte die UN-Menschenrechtskommission in einer einstimmig gefassten Resolution zum zehnten Mal das Mandat des Sonderberichterstatters für Myanmar um ein weiteres Jahr. In der Resolution kam Besorgnis über die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck, es wurden aber auch einige Verbesserungen positiv vermerkt. Im November verabschiedete die UN-Generalversammlung einstimmig eine ähnliche Resolution.

Im Juli befasste sich der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen mit den Maßnahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gegen die Zwangsarbeit in Myanmar und ersuchte darum, über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden gehalten zu werden.

Im November legte das hochrangige Expertenteam der ILO dem Verwaltungsrat der Arbeitsorganisation seinen Bericht vor. Darin kam es zu dem Schluss, dass ungeachtet einer neuen SPDC-Verordnung vom Oktober 2000, die die Verordnung 1/99 ersetzte, vor allem in der Nähe von Armeecamps nach wie vor Zivilisten zu Zwangsarbeit rekrutiert wurden. Die neue Verordnung enthielt eine Bekräftigung des Verbots der Zwangsarbeit und drohte zuwiderhandelnden Behörden - militärischen wie zivilen - Strafen an. Des Weiteren wurde in dem Bericht festgestellt, dass der SPDC bei der Bekämpfung dieser Praxis zwar gewisse Fortschritte erzielt habe, dass Zwangsarbeit in den Gebieten, in denen Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen durchgeführt wurden, aber nach wie vor ein Problem darstelle. Die Autoren des Berichts empfahlen eine langfristige Präsenz von ILO-Vertretern im Land, die Beschwerden über Zwangsarbeit entgegennehmen und die Regierung bei der Beseitigung dieser Form der Menschenrechtsverletzung unterstützen sollten. Der SPDC entgegnete darauf, man sei durchaus bereit, Besuche von ILO-Vertretern im Land zuzulassen, eine langfristige Präsenz sei jedoch nicht hinnehmbar.

Im Mai verlängerten die USA ihre begrenzten Wirtschaftssanktionen gegen Myanmar. Im April bekräftigte die Europäische Union ihren gemeinsamen Standpunkt zu Myanmar, der auch das Einfrieren von Geldern der Mitglieder des SPDC in den EU-Mitgliedstaaten umfasste. Bei einer zweiten Verlängerung im Oktober wurde erstmals vorsichtig anerkannt, dass es Anzeichen für eine leichte Verbesserung der politischen Lage in Myanmar gebe. Im Januar besuchte eine Dreierdelegation aus der EU das Land.

Der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs reiste im Berichtsjahr viermal nach Myanmar. Er drängte beim SPDC auf die Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere der im Jahr 1990 gewählten Parlamentsabgeordneten, die ihr Amt nie hatten antreten können, sowie der weiblichen und betagten Personen und aller Gefangenen, die ihre Strafe bereits verbüßt hatten. In der Antwort des SPDC hieß es, über Haftentlassungen werde von Fall zu Fall entschieden.

Australien beteiligte sich weiterhin an der Finanzierung von Menschenrechtsschulungsmaßnahmen für Polizisten, Militärangehörige und andere Staatsbedienstete aus Myanmar. Die Schulungsmaßnahmen fanden im Juli, September und Oktober statt.


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