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Befehlsgewalt im Außenamt

Myanmar: Besetzung von Schlüsselministerien mit Militärs beendet Hoffnung auf Demokratisierung

Von Thomas Berger*

General Than Shwe, der Staatschef von Myanmar, hat die Zügel wieder fest angezogen. Just einen Tag nach dem 16. Jahrestag der Machtergreifung der burmesischen Militärjunta am 18. September 1988 verkündeten Regierungssprecher in Rangun, daß bei einer Kabinettsumbildung fünf neue Minister ernannt worden seien. Während es sich bei ihnen um Angehörige des Hardliner-Flügels innerhalb des Offizierskorps handelt, die vorher nur militärische Positionen innehatten und somit politische Novizen sind, wurden Vertreter des pragmatischen Lagers abgesetzt. Exponiertestes Opfer der Entscheidung ist Außenminister Win Aung, der neben dem erst im vergangenen Jahr ernannten Premierminister Khin Nyunt (zuvor Geheimdienstchef) als das liberale Aushängeschild des Regimes galt. Daß er in die Wüste geschickt wurde, nährt Gerüchte, daß möglicherweise auch die Tage von Khin Nyunt in seinem Amt gezählt seien. Einige Spekulationen laufen sogar darauf hinaus, daß beide Männer bereits seit Monaten nicht nur um ihre politische Zukunft, sondern unter Umständen um ihr Leben fürchten müssen. Die englischsprachige Bangkok Post im benachbarten Thailand will solches jedenfalls aus Regierungskreisen in Rangun erfahren haben.

Offensichtlich ziehen sich düstere Wolken über dem Land zusammen, das seit der Unabhängigkeit mit nur kurzen Ausnahmen mehr oder weniger direkt vom Militär regiert wird. Die gegenwärtigen Machthaber, die seinerzeit Präsident Ne Win und dessen Clique abgelöst hatten, haben unter anderem die demokratische Opposition um ihren Sieg bei den Parlamentswahlen Anfang der 90er Jahre betrogen. Damals kam die Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter Führung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi auf rund 80 Prozent der Stimmen. Doch das Militär weigerte sich, die Macht abzugeben. Statt dessen hat gerade Suu Kyi, die Tochter von Unabhängigkeitsvorkämpfer Aung San, jahrelang unter Hausarrest bzw. mit Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit leben müssen. Seit Mai 2003, als in einer Provinz Unruhen ausbrachen, ist sie erneut in Haft, und bislang hat die Regierung alle Forderungen von UN- und EU-Vertretern zu ihrer Freilassung entweder strikt abgewiesen oder gar nicht darauf reagiert.

Win Aung und Khin Nyunt waren die Gesprächspartner, bei denen man überhaupt etwas erreichen konnte. Deshalb hatten die europäischen Abgesandten auch darauf bestanden, daß der Außenminister und kein andererer Repräsentant der burmesischen Regierung am 8. Oktober am ASEM-Gipfel, dem Asiatisch-Europäischen Forum, in Hanoi teilnehmen sollte. Ob nun sein Nachfolger, Generalmajor Nyan Win, zu der Konferenz fährt, ist noch unklar.

Ausgetauscht wurden neben dem Chefdiplomaten auch die Minister für Landwirtschaft, Handel, Kooperativen und Transport. Dort sitzen nun ebenfalls Männer aus der dritten Reihe, die aber allesamt treue Gefolgsleute von Than Shwe aus der Hardlinerfraktion sind. Nachdem seinerzeit die Berufung des dialogbereiten Khin Nyunt ins zweithöchste Amt im Westen und bei der UN Hoffnungen auf eine vorsichtige Öffnung genährt hatte, haben diese mit der jüngsten Kabinettsumbildung einen argen Dämpfer erhalten. Schon der Premier hatte nicht frei agieren können, sondern war in allen Entscheidungen vom grünen Licht aus dem Präsidentenpalast abhängig. Die neuen Minister verfügen allerdings über gar kein eigenes Format und sind so als willfährige Marionetten von General Than Shwe anzusehen. Dieser hat den internen Machtkampf zwischen Reformern und Konservativen damit für die nächste Zeit klar für sich entschieden.

Nicht nur für die Freilassung von Oppositionellen sowie die Verhandlungen mit den Rebellenbewegungen der ethnischen Minderheiten, die für Autonomie oder sogar Unabhängigkeit streiten, sieht es damit düster aus. Auch die Aufhebung der Sanktionen, die zumindest in der EU schon einmal nach den früheren Fortschritten andeutungsweise diskutiert wurde, scheint wieder in weite Ferne gerückt. Unter den Handelsbeschränkungen leidet allerdings zuvorderst die Zivilbevölkerung. Die hochrangigen Offiziere haben sich andere Wege einer einträglichen Finanzierung gesichert – sie sind sowohl in den illegalen Handel mit Tropenholz wie auch in den Drogenschmuggel verwickelt.

* Aus: junge Welt, 23. September 2004


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