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Buddhistischer Chauvinismus in Myanmar

Radikale Mönche führen offenbar geplante Ausschreitungen an

Von Lee Yu Kyung, Bangkok *

Seit Wochen ist Myanmar Schauplatz antimuslimischer Ausschreitungen. Buddhistische Mönche, die bisher als Stimmen der Unterdrückten galten, gehören zu den Scharfmachern der Verfolgung von Muslimen.

Rückblick: Etwa einen Monat nach der Niederschlagung der von Mönchen angeführten »Safranrevolution« im September 2007 saß ich mit einigen Mönchen in einem dunklen Raum im Kloster der zentral gelegenen Kleinstadt Pakoku zusammen. Die Mönche waren »Revolutionäre« und Pakokku war ebenso wie Sittwe, die Hauptstadt des Rakhaing-Staates, eine Hochburg der »Revolution«. Die Mönche hatten Gewehrkugeln getrotzt und damit anderen Städten ein Beispiel gegeben. »Es war Rache, dass wir die Armeefahrzeuge angriffen«, sagte einer der Mönche stolz: »Die Armee hatte Klostergebäude beschossen, als es 2003 hier Zusammenstöße mit Muslimen gab.«

Den Konflikt von 2003 konnte mein Gegenüber nur mit Mühe erklären: Von saudi-arabischer Unterstützung für die Muslime war die Rede und von einem islamischen »Plan 21«, wonach die Muslime vorhätten, im 21. Jahrhundert das ganze Land (oder gar die Welt) zu übernehmen.

Die Geschichte zeigt, dass antimuslimische Ressentiments sogar bei demokratisch gesinnten Mönchen tief verwurzelt sind. Tatsächlich hat Myanmar schon eine ganze Reihe antiislamischer, oft von extremistischen Mönchen angeführten Ausschreitungen erlebt. Es gab sie 1930, 1938, 1997, 2003, 2006 und 2012. Nur wurden diese religiös motivierten Konflikte wenig wahrgenommen - bis zu den jüngsten Ausbrüchen im Westen und im Zentrum des Landes.

Am 20. März wurde im zentralmyanmarischen Meiktila aus einem Streit zwischen einem muslimischen Ladenbesitzer und einem buddhistischen Kunden ein Sturm der Gewalt: Ganze Viertel und mehrere Moscheen gingen in Flammen auf, nach UN-Angaben flohen mehr als 12 000 Menschen aus der Stadt.

»Das war ein organisierter Pogrom«, erklärt Myo Win von Myanmars Muslim-Vereinigung (BMA) gegenüber »nd«. »Die Angreifer kamen von außerhalb und waren gut organisiert.« Auch Vijay Nambiar, UNO-Sonderbeauftragter für Myanmar, hegt »keinen Zweifel, dass ein großer Teil der Gewalt systematisch und geplant war«.

Während die Zahl der Opfer des Pogroms in Meiktila von der Regierung mit 43 angegeben wird, spricht die Muslim-Vereinigung von 70 bis 100 Toten. Das ist der größte derartige Blutzoll seit den Zusammenstößen zwischen muslimischen Rohingya und Buddhisten im Juni 2012. Hunderte Menschen, in der Mehrzahl Rohingyas, kamen damals zu Tode, 120 000 Rohingyas leben seither in Flüchtlingslagern. In Meiktila sahen die allmächtigen Sicherheitskräfte nach Augenzeugenberichten tatenlos zu, wie Menschen auf die Straßen gezerrt und lebendig verbrannt wurden. Nicht ein einziger Warnschuss sei abgefeuert worden.

Die jüngste Gewalt wurde von Hasskampagnen erzeugt, deren Speerspitze chauvinistische Mönche waren. Der bekannteste ist der »ehrwürdige Lehrer« (Sayadaw) Wirathu aus Mandalay. Wirathu war während der Ausschreitungen 2003 gemeinsam mit einigen anderen Mönchen verhaftet und wegen Anstachelung zum Hass zu 25 Jahren Haft verurteilt worden, was zu Protesten hunderter seiner Anhänger führte. Im Februar 2012 wurde er begnadigt und nahm seine Hasskampagne wieder auf. Unter anderem rief er dazu auf, nicht mehr in muslimischen Läden zu kaufen, sondern nur noch bei Buddhisten. »Wenn alle Profite an den Feind gehen, schadet das unserer Nation, unserer Sprache und unserer Religion«, predigte er. Im ganzen Land kursieren antimuslimische Flugblätter, verbreitet auch von den Klöstern. Buddhistische Frauen sollten keine muslimischen Männer heiraten, fordert eine »Allianz zum Schutz des Buddhismus« auf einem dieser Flugblätter.

Wirathu soll im Oktober 2012 in Gemeinschaft mit dem früheren Chef des Militärgeheimdienstes Khin Nyunt gesehen worden sein. Obwohl Präsident Thein Sein am 28. März warnte, er werde nicht zögern, entschlossen gegen die Anstifter antimuslimischer Ausschreitungen vorzugehen, tauchen Zweifel an den wahren Absichten der »Reformregierung« auf. Zumindest Teile der Staatsmacht stehen im Verdacht, die Ausschreitungen zu dulden, wenn nicht gar an ihrer Koordination beteiligt zu sein. Am vergangenen Dienstag tötete ein Feuer 13 Schüler einer islamischen Schule in der Wirtschaftsmetropole Yangon. Angeblich war stark überhöhte Stromspannung die Ursache, Überlebende vermuten Brandstiftung durch Buddhisten.

Am vergangenen Freitag sagte ein Sprecher des Präsidenten, ein gewisses »Chaos« nach einem halben Jahrhundert Diktatur sei unumgänglich. »Religiöse Extremismen und Rassendiskriminierungen« seien in der Vergangenheit durch die Zensur gedeckelt worden. Unter dem Schutz der neuen »Meinungsfreiheit« scheinen sich schlimme Ressentiments gegen Minderheiten und vor allem Muslime auszubreiten. Inzwischen haben die Konflikte selbst auf Flüchtlinge aus Myanmar in Indonesien übergegriffen.

Aber Aung San Suu Kyi, Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin, schweigt bisher. Ihre Partei leugnete Tage nach dem Pogrom von Meiktila, dass Mönche mit Messern und Stöcken mitgemacht hätten, und erklärte, Hass verbreitende Mönche nicht aufhalten zu können.

* Aus: neues deutschland, Montag, 8. April 2013


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