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Roter Teppich für Myanmars Staatschef

Than Shwe beendete Besuch in Indien

Von Hilmar König *

Der Vorsitzende des Staatsrats für Frieden und Entwicklung Myanmars, Than Shwe, hat einen fünftägigen offiziellen Besuch in Indien beendet. Die beiden Nachbarstaaten unterzeichneten etliche Abkommen.

Während Indiens Spitzenpolitiker den roten Teppich für den Gast ausgerollt hatten, war Than Shwe als Chef der Militärjunta Myanmars (früher Burma) mit einer Protestdemonstration in Delhi empfangen worden. In Indien leben mindestens 50 000 myanmarische Emigranten. »Es ist eine Schande für die indische Regierung, einen Mann willkommen zu heißen, der berüchtigt ist wegen seiner kriminellen Vergehen gegen das Völkerrecht und wegen der Repression der Demokratiebewegung«, erklärte eine Repräsentantin der Frauenliga von Burma vor Journalisten.

Sie verwies auf Menschenrechtsverletzungen des Regimes, auf Zwangsarbeit, Rekrutierung von Kindersoldaten, Unterdrückung von Minderheiten, Niederschlagung des Mönchaufstands 2007, Knebelung der Demokratiebewegung und Repressalien gegen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die Regierung in Yangon steht deshalb international am Pranger und ist vom Westen mit Sanktionen belegt worden.

Indien als »größte Demokratie der Welt« fährt aber seit den 90er Jahren einen eigenen Kurs und glaubt, dass Kooperation mit dem ASEAN-Mitglied Myanmar wirksamer ist als Sanktionen. Davor hatte sich Delhi offen mit Suu Kyi und ihrer Nationalen Liga für Demokratie solidarisiert.

Than Shwe traf mit Indiens Staatspräsidentin, dem Premier und dem Außenminister zusammen. Zum Auftakt besuchte er das religiöse Zentrum von Bodh Gaya im Unionsstaat Bihar, wo Buddha erleuchtet worden sein soll. Zum Abschluss informierte er sich in Hyderabad über Indiens Informationstechnologie.

Offensichtlich liegen dem guten Verhältnis Indiens zu Myanmar handfeste ökonomische, strategische und sicherheitspolitische Interessen zugrunde. Beide Länder haben eine 1650 Kilometer lange, poröse Grenze. Aufständische im Nordosten Indiens können sich relativ problemlos auf Gebiet des Nachbarn zurückziehen. Drogen- und Waffenhandel lassen sich kaum kontrollieren. Deshalb wird einem Abkommen zur gemeinsamen Verbrechensbekämpfung besonderes Gewicht beigemessen. In einer Erklärung bekräftigen beide Seiten ihre Entschlossenheit, Operationen von Rebellen und Terroristen, die gegen den Nachbarn gerichtet sind, zu unterbinden und ihnen keinen Unterschlupf auf ihrem Territorium zu erlauben. Andere Vereinbarungen zielen auf eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Entwicklung der Infrastruktur Myanmars und der Nutzung seiner Rohstoffressourcen.

Im Finanzjahr 2009/10 erreichte das Handelsvolumen 1,19 Milliarden Dollar, eine Steigerung um 26 Prozent. Indien ist nach Thailand, China und Singapur der wichtigste Handelspartner Myanmars. Geplant ist ein Transportkorridor aus dem indischen Nordosten, der bis nach Sittwe reichen soll, wo Indien einen Hafen baut. Indiens Erdgas- und Erdölagentur ONGC hat die Bodenschätze des Nachbarn ins Visier genommen, sieht sich aber tatkräftiger chinesischer Konkurrenz gegenüber. Überhaupt glaubt man in Delhi, die Vertiefung des Verhältnisses zu den Machthabern in Myanmar sei angesichts der »Offensive Chinas« in diesem Land unabdingbar.

Den myanmarischen Militärs kommen solche Überlegungen zupass. Mit China und Indien als »Schutzschilden« kann Yangon internationalen Druck besser widerstehen, die Sanktionen aushalten. Dass Delhi und Peking miteinander um Einfluss wetteifern, ist ein zusätzlicher günstiger Faktor, denn so kann die Junta die Kontrahenten gegeneinander ausspielen. Den Staatsbesuch in Indien wertet Myanmar als Anerkennung und Stärkung der eigenen Regierung und als Ermutigung, die für Oktober angesetzten Parlamentswahlen durchzuziehen.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Juli 2010

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