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Mandat für drei Monate

Untersuchungskommission zu ethnischen Unruhen im Westen Myanmars nimmt Arbeit auf

Von Thomas Berger *

Eine 27köpfige Sonderkommission soll die ethnisch-religiöse Gewaltwelle in Myanmars Bundesstaat Arakan untersuchen. Mindestens 80 Menschen kamen ums Leben, seit im Juni der Konflikt zwischen zwei Bevölkerungsgruppen eskalierte, etwa 70000 Männer, Frauen und Kinder sollen aus ihren Heimatorten geflüchtet sein. Auch wenn die Sicherheitskräfte die Lage seit dem Vormonat wieder unter Kontrolle zu haben scheinen, bleibt die Lage zwischen den Angehörigen der Titular¬ethnie des Gebietes, den Rahkine und der Rohingya-Minderheit angespannt. Letzte sind Muslime, während die Rakhine wie die Mehrheit der Einwohner landesweit Buddhisten sind.

Die Regierung von Myanmar unter Präsident Thein Sein reagierte mit der Einsetzung der Kommission in der vergangenen Woche auf Kritik aus dem Ausland, Polizei und Armee in Arakan hätten nicht ausreichend Schritte unternommen, die Gewalt rechtzeitig einzudämmen. Vorsitzender des Gremiums ist ein ehemaliger Angehöriger des Religionsministeriums. Der Kommission gehören jedoch auch Oppositionskräfte, dazu einige besonders exponierte Gegner der früheren Militärdiktatur, an. Aktivisten der studentischen Demokratiebewegung von 1988 wie Ko Ko Gyi sind beteiligt, Vertreter der Regierungspartei USDP, die vor allem ehemalige Offiziere vereint, sowie Mitglieder der Parteien der diversen ethnischen Minderheiten, darunter Hkun Htun Oo, Vorsitzender der Shan Nationalities League for Democracy.

Die Vereinten Nationen reagierten mit Zufriedenheit auf die Einsetzung der Kommission. Auch die zu Wochenbeginn erfolgte vollständige Aufhebung staatlicher Medienzensur wird nicht nur als weiterer wichtiger Schritt auf dem Wege der Demokratisierung gewertet. Die Entscheidung eröffnet darüber hinaus auch einheimischen Journalisten formell die Möglichkeit, frei zu recherchieren und regierungskritische Beiträge zu veröffentlichen. Ausdrücklich hat der Präsident die Organisation der Islamischen Staaten (OIC) eingeladen, sich ein genaues Bild von der Lage zu machen und über Tochterverbände gerade den Rohingya-Flüchtlingen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.

Das Mandat der Untersuchungskommission ist für die Dauer von drei Monaten erteilt. Am 16. November soll das Gremium Staatschef Thein Sein seinen Abschlußbericht vorlegen. »Der vordringliche Zweck unserer Untersuchungen ist es, dem Präsidenten Vorschläge zur Lösung des Konfliktes zwischen den religiösen Gemeinschaften im westlichen Burma zu unterbreiten«, wird Haji Nyunt Maung Shein, ein prominenter Muslim unter den Kommissionsmitgliedern, zitiert.

Abseits der Probleme in Arakan übt China seit Juli deutlichen Druck auf die Kachin Independence Organisation (KIO) aus, damit die über die Grenze ins große Nachbarland Geflohenen in ihre Heimatorte zurückkehren können. Zwischen dem bewaffneten Arm der KIO und der Armee war es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Zusammenstößen gekommen. Derzeit sollen sich etwa 4000 Kachin-Flüchtlinge in der südwestchinesischen Provinz Yunnan aufhalten. Insgesamt haben die Kämpfe 65000 Menschen vertrieben, die meisten harren aber noch in Lagern im Inland aus.

* Aus: junge Welt, Freitag, 24. August 2012


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