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Anfang der Aussöhnung

Myanmars Regierung trifft erstmals mehrere Vertreter bewaffneter Gruppen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die nationale Aussöhnung in Myanmar steckt noch in den Kinderschuhen. Die 2010 eingeleitete Übergangsphase von rigoroser Militärdiktatur zu vorsichtiger Demokratisierung hat sich auf das Verhältnis der Machthaber zu den ethnischen Minderheiten bislang nicht ausgewirkt. Die von General Aung San geleitete Panglong-Konferenz im Jahre 1947, an der neben Vertretern der Bamar (Burmesen), die heute knapp 70 Prozent der gut 50 Millionen Einwohner ausmachen, auch Chin, Kachin und Shan teilnahmen, zielte mit einem Abkommen auf Kooperation und nationale Einheit. Dennoch prägen Mißtrauen, Diskriminierung und bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Armee und ethnischen Gruppen, die um Selbstbestimmung kämpfen, bis heute das Land.

Am 4. und 5. November fand nun in Myitkyina, der Hauptstadt des im Norden des Landes gelegenen Bundestaats Kachin, ein richtungsweisendes Treffen statt. Den dort thematisierten »Dialog zwischen dem Frieden schaffenden Arbeitskomitee der Union und ethnischen bewaffneten Organisationen« hatte eine viertägige Konferenz von 17 bewaffneten Gruppen auf den Weg gebracht. Den Stellenwert der Zusammenkunft in Myitkyina unterstrich die Teilnahme von Vijay Nambiar, Sonderberater des UNO-Generalsekretärs, sowie eines Vertreters der Volksrepublik China. Seit der Unabhängigkeit 1948 war es die erste Begegnung zwischen Repräsentanten der Zentralregierung und einem relativ großen Kreis von Angehörigen bewaffneter Minderheitsgruppen. Diese übergaben der Regierungsseite ein aus elf Punkten bestehendes Positionspapier, in dem unter anderem die Bildung einer Bundesarmee vorgeschlagen wird. »Wenn wir eine Bundesunion schaffen wollen, brauchen wir eine Bundesarmee«, begründete Naing Han Thar, der Generalsekretär des Bundesrates der Vereinten Nationalitäten (UNFC). Nur von Burmesen kontrollierte Streitkräfte könnten die Einbeziehung ethnischer Minderheiten nicht garantieren.

Wichtigste Anliegen des Zehn-Punkte-Plans der Regierung waren die Bewahrung der Union, die Sicherung der Souveränität sowie die »Fortsetzung demokratischer Prinzipien«. Die »nationale Solidarität« dürfe nicht zerstört werden, hieß es in dem Papier. Beide Seiten einigten sich abschließend darauf, einen landesweiten Waffenstillstand anzustreben und Rahmenbedingungen für einen politischen Dialog zu schaffen. Im Dezember soll in Hpa-an, der Hauptstadt des südöstlichen Bundesstaats Kayin, das nächste Treffen folgen.

Die Gespräche sind ein Anfang, aber bei weitem kein Durchbruch – das macht die Liste der abwesenden Organisationen deutlich. Die stärkste bewaffnete Gruppe, die United Wa State Army, sowie die Kokang-Gruppen, der Nationale Sozialistische Rat von Nagaland/Khaplang und die Kuki National Organisation boykottierten den Meinungsaustausch. Ein landesweiter Waffenstillstand ist so nicht zu erreichen. Zudem wurden wichtige Kernthemen noch gar nicht behandelt: die Frage der Gleichberechtigung aller Bürger, die Autonomie für die von Minderheiten bewohnten Gebiete oder der Abzug der Streitkräfte aus deren Territorien. Die bewaffneten Gruppen, so glaubt Nehgingpao Kipgen, Generalsekretär des Kuki International Forum, werden ihre Waffen nicht niederlegen, ehe sie davon überzeugt sind, daß die Zentralregierung ihre Forderungen ernsthaft behandelt.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. November 2013


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