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Bei Flüchtlingen und Wirtschaftsbossen

Myanmars Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi besuchte Thailand

Von Thomas Berger *

Die Kameras und Mikrofone der Reporterschar folgten Aung San Suu Kyi während ihrer am Sonntag beendeten sechstägigen Auslandsreise auf jedem Schritt. Sie ist zwar nur eine einfache Abgeordnete und Chefin der wichtigsten Opposi­tionspartei von Myanmar, wurde im benachbarten Thailand aber überall mit einem Interesse empfangen, das sich andere Staatsgäste nur wünschen könnten. Abgesehen von dem Medienhype wurde Suu Kyi von Tausenden erwartet. Allein am Flughafen der Grenzstadt Mae Sot begrüßte sie nach der Landung eine Menge von etwa 5000 Menschen, vorwiegend Flüchtlinge aus Myanmar.

Es war der erste Auslandtrip der Friedensnobelpreisträgerin seit ihrer Freilassung aus dem Hausarrest, in dem sie 15 der letzten 22 Jahre zugebracht hatte. Lange Zeit hatte sich Suu Kyi nicht getraut, ihre Heimat zu verlassen – aus Sorge, die Generäle der früheren Militärjunta oder anfangs auch die neue, nominell zivile Regierung könnten sie eventuell nicht zurückkehrenlassen. Jetzt entfaltet die prominenteste Politikerin des Landes offenbar eine rege Reisetätigkeit. Eine Europatour ist für Mitte Juni geplant. Dabei soll sie unter anderem in Oslo mehr als zwei Jahrzehnte nach der Verleihung den Friedensnobelpreis persönlich in Empfang nehmen.

In Bangkok stahl sie auf der dort stattfindenden Konferenz des Weltwirtschaftsforums zu Ostasien allen anderen die Show. Doch während Myanmars Energieminister Than Htay – in Vertretung für Präsident Thein Sein, der seine Teilnahme in letzter Minute abgesagt hatte – nachdrücklich bei den versammelten Wirtschaftsbossen um Investitionen warb und dafür nur höflichen Applaus erhielt, warnte Suu Kyi in ihrer Rede vor zu großem Optimismus. Noch immer gelte es, den langsamen Reformprozeß in ihrer Heimat mit einer gewissen Skepsis zu begleiten. Gerade im Bereich der Jusitz habe sich bisher wenig getan. Gleichzeitig verwies die Chefin der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), die es bei Nachwahlen nunmehr zu parlamentarischer Präsenz geschafft hat, auf die weitverbreitete Armut und auf Probleme im Bildungssektor. Aktion "Ich lese die junge Welt, weil die UZ nur einmal in der Woche erscheint. Und sonst gibt's ja keine lesenswerten Zeitungen!" Nanne Doebler, Neustadt

Nicht nur im unmittelbaren Grenzraum haben sich viele Flüchtlinge niedergelassen und versuchen, sich und ihre Familien mit kleinen Jobs und Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten. Auch andernorts gibt es sowohl legale wie illegale Arbeiter aus Myanmar. In Mahachai, wenige Dutzend Kilometer südlich von Bangkok, hat Suu Kyi Arbeitsmigranten aus ihrer Heimat besucht. Mahachai ist ein Zentrum der Verpackungsindustrie für Fischereiprodukte. In den Fabriken erhalten die Arbeiter aus dem Nachbarland allerdings selbst bei legaler Beschäftigung eine weitaus schlechtere Entlohnung als ihre einheimischen Kollegen. Sogenannte Illegale, die auch im Bausektor stark vertreten sind, können sich ohnehin kaum gegen die Ausbeutung wehren.

Suu Kyis Versprechen, sich für mehr medizinische Unterstützung und eine »Heimkehr in Würde« einzusetzen, wurde von ihren Zuhörern zwar mit viel Beifall begrüßt. Wie die Oppositionschefin dahingehend Einfluß nehmen will und kann, ist aber offen. Thailändische Behörden haben begonnen, die Flüchtlinge noch einmal genauer zu erfassen, während die neue Regierung in Myanmar um deren Rückkehr wirbt. Dort, das wissen die Angesprochenen, erwartet sie aber vor allem bittere Armut und eine am Boden liegende soziale Infrastruktur.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 6. Juni 2012


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