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Arabische Filmtage in Kassel

Vom 19. bis 25. Mai 2005 im Filmladen: Politische Ereignisse im Spiegel des neuen arabischen Films

Filmladen Kassel: Goethestr. 31; Tel. 0561-7076422
19. - 25. Mai 2005


Arabische Filmtage Kassel
veranstaltet in einer Kooperation mit der libanesischen Filmorganisation Beirut Development Cinema (BeirutDC) und dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel. Die Arabischen Filmtage Kassel haben das Ziel aufzuzeigen, wie sich die aktuellen politischen Ereignisse im arabischen Raum in den allerneuersten arabischen Filmproduktionen darstellen. Die Kooperation mit BeirutDC ermöglicht dabei einen Vergleich zwischen arabischen Filmen, die über deutsche Medien und Filmagenturen vertrieben werden und solchen, die normalerweise nicht auf den deutschen Kinomarkt kommen. In diesem Kontext zeigen wir eine Vorpremiere des bei den Berliner Filmfestspielen preisgekrönten Films „Paradise Now“.
Einführende Vorträge ergänzen das Filmprogramm.

Genauere Informationen zu den Vorträgen und Filmen der Arabischen Filmtage, sowie zu BeirutDC: www.humangeographie.net

P r o g r a m m :

1.) ARABISCHE MUSIK / "ARABISCHE IDENTITÄT"

Das Programm "Arabische Musik/ 'Arabische Identität'" wird eingeleitet:
  • am 19.5. durch einen Vortrag von Dagmar Reichert (Uni Kassel): "Arabische Identität?"
  • am 20.5. durch Studierende der Universität Kassel
Elie Fayrouz
Cynthia Choucair, Libanon/Arabische Emirate 2003; 14’ OV/e (Dvcam, Farbe)
Elie Darwish hat eine Stimme wie der einst berühmte libanesische Sänger Fairuz – eine Stimme wie voneiner Frau. Es war seine Mutter, die ihn als erste singen hörte und gab ihm den Spitznamen Fairuz. Der Film spürt die Lebensgeschichte von Elie auf und erzählt von Liebe, Musik, Schmerz, Einsamkeit und Warten.

Heart and Spirit
Molka Mahdaoui, Tunesien 2003; 52’ OV/e (Beta SP, Farbe)
Der Film folgt der Reise eines tunesischen Chores, der religiöse Lieder aufführt, und fesselt mit den Liedern, den Rhythmen, Gesichtern und ungesehenen Orten. Sichtbar wird eine allgegenwärtige Spiritualität, die in Familien gelebt wird und sich vom urbanen Leben nährt. Der Film zeigt auf, wie sich das Profane und Heilige im Koran verschränkt.

2.) BEIRUT NACH DEM KRIEG

Das Programm „Beirut nach dem Krieg“ wird eingeleitet:
  • am 20.5. durch einen Vortrag von Tania Khoury (Beirut/Paris): „Libanese Cinema after the War“
  • am 24.5. durch Studierende der Universität Kassel
In spite of the war
Zeina Sfeir, Libanon, 2000, 30’ OV/e (Beta SP)
Ich heisse Zeina, bin Libanesin, und bin um das alte Beirut besorgt, das ich durch meine Eltern kenne. Die heutige Zeit scheint sich von der Kriegszeit gar nicht so sehr zu unterscheiden: Ererbte Gedanken, Clichès über Religion, junge Menschen enthusiastisch über den Krieg... Genau wie 1975. Der Krieg ist endlos.

Night Fall
Mohammad Soueid, Libanon 2000; 67’ OV/e (Beta SP)
Eine Gruppe libanesischer Studenten kämpfte 1975 in der Fatah-Bewegung für die palästinensische Sache. Nach dem israelischen Einmarsch in Beirut 1982 löste sich das “Studentenkommando” (wie die Gruppe genannt wurde) auf. Einige starben, andere gingen ins Exil, wenige blieben im Libanon zurück. Der Film handelt von den Zurückgebliebenen, den Desillusionierten und denjenigen, die weiterleben.

3.) NEUE ARABISCHE KURZFILME

Das Programm „Neue Arabische Kurzfilme“ wird eingeleitet:
  • am 21.5. durch einen Vortrag von Heiko Schmid (Heidelberg): "Die Ära Hariri: Wiederaufbau und Politik im Nachkriegslibanon"
  • am 23.5. durch Studierende der Universität Kassel
Well played
Koussay Hamzeh, Libanon 2004; 6’35 OV/e (35 mm, Farbe)
Täglich schaut der zehn Jahre alte Junge Hassan sein Lieblings-Fernsehprogramm durch das Fenster seiner sechzehnjährigen Nachbarin. Eines Tages ist das Fenster geschlossen.

Jetlag
Katia Jarjoura, Libanon 2004; 6’ OV/e (35 mm, Farbe)
Eine junge Fotojournalistin kehrt nach einem Aufenthalt in einem Kriegsland nach Beirut zurück. Die Erinnerungen an das Gesehene verfolgen sie. Nur sehr langsam gelingt es ihr, sich davon zu lösen.

On a Monday
Tamer El Said, Ägypten 2004; 8’ OV/e (DV cam, Farbe)
Ein ganz gewöhnliches Paar und ein strahlender Tag …

Just Get Married
Hussam Chadat, Syrien/Deutschland 2003; 22’ OV/e (35 mm, Farbe)
Der syrische Student Ramzi Sharif fühlt sich nach zehn Jahren in Deutschland vollständig integriert. Doch nach seinen Studien läuft die Aufenthaltsbewilligung aus. Wenn er bleiben will, muss er eine Deutsche heiraten. Doch deutsche Frauen sind kompliziert und überhaupt kann Sharifs Mutter nicht verstehen, dass er nicht nach Syrien zurückkehren möchte.

Like 20 impossibles
Annemarie Jacir, Palàstina 2003; 17’ OV/e (35 mm, Farbe)
Besetztes Palästina: Eine mit militärischen Checkpoints durchzogene Landschaft. Um geschlossene Checkpoints zu meiden, nimmt eine Filmcrew kleine Nebenstrassen und macht die Brutalität der militärischen Besetzung sichtbar. In Form eines visuellen Gedichtes und über kurze Erzählungen von Menschen hinterfragt der Film politisches Filmemachen und die Opportunität von Künstlern.

Fatima’s secret
Karim Bensalah, Frankreich 2003; 30’ OV/e (35 mm, Farbe)
Algerien 1998: Die 65 Jahre alte Fatima lebt in einem von häuslicher Gewalt und religiösem Extremismus zerrissenen Quartier. Ihre Isoliertheit gründet in einem schrecklichen Geheimnis. Die Geschichte basiert auf wahren Gegebenheiten.

4.) IRAK HEUTE

Das Programm „Irak heute“ wird eingeleitet:
  • am 22.5. durch einen Vortrag von Werner Ruf (Kassel): "Irak: Perspektiven eines Friedens?"
  • am 25.5. durch Studierende der Universität Kassel
Suicide (Intihar)
Eliane Raheb, Libanon 2003; 26’ OV/e (Beta SP, Farbe)
Irak ist gefallen. Ein Regime gestürzt, was durch das Schleifen der Saddam Statue versinnbildlicht wurde. Die Filmemacherin ist ob dieser Szenen schockiert: Haben wir alle zu diesem Krieg beigetragen? Wurden wir durch ständiges Fernschauen involviert, oder manipulierten uns die Medien? Waren wir Opfer falscher Aspirationen, trügerischer Hoffnungen auf einen Sieg, eine Illusion, die viele arabische Freiwillige in den Irak lockte? Was ist aus ihnen geworden?

Road beyond the sunset
Bassem Fayad, Libanon 2004; 52’ OV/e (DVcam, Farbe)
Vier junge Araber durchqueren den Irak von Osten nach Westen. Ihre Reise dem Sonnenuntergang entgegen führt sie durch Städte und Dörfer wie durch Bagdad. Dort treffen sie auch irakische Freunde, die den ersten irakischen Film nach dem Krieg drehen.

5.) ARABISCHE FILME AUS DEUTSCHEM VERLEIH

Rana’s Wedding
Hany Abu-Assad, Palästina 2000; 90’ OV/e (35 mm, Farbe) Mit Clara Khoury, Khalifa Natour, Ismael Dabbag, Walid Abed
Das romantische Drama „Rana’s Wedding“ ist der erste Film, der komplett aus Palästina von der Palestinian Film Foundation finanziert wurde. Drehorte waren ausschließlich Ost-Jerusalem und Ramallah (Westbank). Der Film entstand ohne jede Drehgenehmigung.
Die Geschichte spielt kurz vor dem israelischen Einmarsch in die besetzten palästinensischen Gebiete. Rana, eine junge palästinensische Frau, stiehlt sich bei Morgengrauen aus dem Haus ihres Vaters, um nach ihrem heimlichen Geliebten Khalil zu suchen. Ihr Vater will sie an jenem Tag mit ins Ausland nehmen, um sie von dem jungen Mann zu trennen – es sei denn sie wählt einen Bräutigam von der Liste, die der Vater ihr aushändigt. Rana will mit ihrem Freund in Ost-Jerusalem bleiben und hat nur zehn Stunden Zeit, ihn im Chaos der besetzten Stadt zu finden, die Hochzeit vorzubereiten und ihren Vater mit vollendeten Tatsachen zu konfrontieren – so wie er es mit ihr gemacht hat. Wir folgen Rana wie sie durch die Stadt zieht und bekommen einen Eindruck von ihren Gefühlen und Zweifeln, die von der bizarren Kriegssituation angefacht werden sowie ihrem vergleichsweise banalen Versuch, noch am selben Tag zu heiraten. Dennoch, die entschlossene Rana stellt sich ihren Ängsten, entschließt sich, niemanden ihr Leben kontrollieren zu lassen und setzt alles dran, die Zustimmung ihres Vaters zu bekommen.
"Wenn abnormale Zustände wie Barrikaden und Besatzung alltägliche Realität werden, werden Liebe und Heirat zu Fiktion. So sieht das Leben in Palästina heute aus. Dies wollte ich mit den Mitteln des Kinos ausreizen. Im Film versucht man oft, Realität zu diktieren um Fiktion zu kreieren, seinen eigenen Ort und seine Zeit in der Gegenwart zu schaffen. Aber Realität lässt sich nicht einfach diktieren, besonders nicht in Palästina.
Bei diesem Film hatte ich das Gefühl, die Realität diktiere mich. Es wurde ein verdammter Kampf zwischen Realität und Fiktion in einem Land, in dem das Normale absurd erscheint und das Absurde normal. Ich habe erkannt, dass der Kampf fair sein und ich – um ihn zu gewinnen – ehrlich bleiben muss". (Hany Abu-Assad)


VORPREMIERE: Paradise now
Hany Abu-Assad, Palästina/Niederlande/Deutschland/Frankreich, 2005, 90 min, dt. (35mm)
Mit: Kais Nashef, Ali Suliman, Lubna Azabal, Amer Hlehel / 90 Min.
In seinem mutigen und sehr spannenden Wettbewerbsbeitrag zur Berlinale 2005 schildert der palästinensische Regisseur Hany Abu-Assad ("Rana's Wedding") die letzten beiden Tage im leben zweier Selbstmordattentäter, die sich auf dem Weg zum Ort des Anschlags aus den Augen verlieren. Zum größten Teil in Nablus selbst auf und 35 mm gedreht, ist "Paradise Now" gleichzeitig realitätsnah und außerordentlich kunstvoll, distanziert und erschütternd.
Khaled und Said sind seit ihrer Kindheit gute Freunde. Nun sind sie dazu bestimmt worden, sich als Selbstmordattentäter in Tel Aviv in die Luft zu sprengen. Die voraussichtlich letzte Nacht ihres Lebens dürfen sie noch einmal im Kreise ihrer Familien verbringen. Selbstverständlich aber muss ihr Vorhaben streng geheim bleiben, so dass ihnen ein wirklicher Abschied von ihren Angehörigen verwehrt ist.
Am nächsten Morgen werden sie an die Grenze gebracht. Die Bomben sind unsichtbar an ihren Körpern befestigt. Doch dann verläuft die Operation nicht so, wie sie geplant war: Die beiden Freunde verlieren sich aus den Augen. Voneinander getrennt und ganz auf sich allein gestellt, müssen sie ihrem Schicksal entgegentreten und für ihre Überzeugungen einstehen…
"Paradise Now" schildert Handlungsabläufe mit großer Präzision und legt viel Wert auf physische Details wie die Rasur, das Anlegen der Gürtel mit den Sprengsätzen, und den Schweiß unter den dunklen Anzügen. Äußerlichkeiten, die trotzdem oftmals die Tragik und Groteske der Situation einfangen. Wie die Regisseure des italienischen Neorealismus verzichtet Abu-Assad fast völlig auf psychologische Deutungen und manipulative Musik. Er bleibt an der sichtbaren Oberfläche und überläßt es den Zuschauern, Anteil zu nehmen oder nicht. Zur Identifikation mit Motiven, Absichten und politischen Überzeugungen der Attentäter ruft er an keiner Stelle auf, im Gegenteil. Aber er lädt dringlich dazu ein, über sie nachzudenken.

Atash (Durst)
Tawfik Abu Wael, Palästina, 2004, 113Min., dt (35mm)
Regie: Tawfik Abu Wael
Mit: Hussein Yassin Mahanje, Bweerat, Jamila Abu Hussein u.a. /
Tawfik Abu Wael gehört zu einer neuen Generation palästinensischer Filmemacher, die sich zum Ziel gesetzt haben, einen genauen Blick auf die eigene Gesellschaft jenseits des Nahostkonflikts zu werfen. „Atash“ ist das eindringliche Porträt einer Familie, die an der patriarchalen Gesellschaftsordnung zu zerbrechen droht. Die Szenerie erinnert an Samuel Beckett. Inmitten einer ausgetrockneten Hügellandschaft stehen ein paar zerschossene Betonbaracken. Hier, auf dem ehemaligen israelischen Truppenübungsplatz nahe der Grenze, haust eine palästinensische Familie: Vater, Mutter, zwei Töchter und ein Sohn im Teenager-Alter. Später erfährt man, dass die älteste Tochter Gamila die Familie entehrt hat. Um den Regeln der patriarchal-ländlichen Gesellschaft zu genügen, hätte der Vater Gamila eigentlich umbringen müssen. Stattdessen ist er geflohen und mit seiner Familie in die Einöde gezogen, wo sie jetzt schon seit vielen Jahren fernab von jedem sozialen Kontakt vor sich hin vegetieren.
Die Tage im Nichts verlaufen eintönig und skurril. Wenn die Familienmitglieder nicht gerade mit der Produktion von Holzkohle beschäftigt sind, die im Hof in grauen Hügeln vor sich hinschwelt, dämmern sie vor sich hin. . Während der Vater eine Wasserleitung baut, die er vor einer mysteriösen Gefahr verteidigt, entwickelt seine Familie Durst nach Wasser, Essen, Freiheit, Sex, Erotik, Liebe, Begierde ... Durst nach Leben. „Atash“ ist ein sehr ruhiger, langsamer und eindringlicher Film. Geredet wird wenig. Worüber auch, wenn sich die Protagonisten seit Jahren im Kreis bewegen und alles, was sie wirklich beschäftigt, tabu ist. Die verzehrende Sehnsucht der Familie nach Leben und Freiheit und die explosiven Spannungen innerhalb der kleinen Gemeinschaft finden ihren Ausdruck in einem minimalistischen Soundtrack und in Bildern, die große Leere mit beklemmender Enge verbinden.

Arabische Filmtage - Kassel 2005 - Beirut DC/Uni Kassel/Filmladen Kassel

Programm-Übersicht

Tag 17.00 19.00 21.15 oder 21.30
Do.19.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih
Rana´s Wedding
Eröffnung, Vortrag: Dagmar Reichert (Uni Kassel):
Arabische Identität?

Arabische Musik/"Arabische Identität"
Elie Fayrouz
Heart and spirit

66min
21.15

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
Fr.20.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Rana´s Wedding
Vortrag: Tania Khouri
(Beirut/Paris):
Libanese Cinema after the War

Beirut nach dem Krieg

In spite of the war
Night Fall

30 + 67 min
21.30

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
Sa.21.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Rana´s Wedding
Vortrag: Heiko Schmid
(Uni Heidelberg):
Die Ära Hariri:
Wiederaufbau und Politik
im Nachkriegslibanon

Neue arabische Kurzfilme
Well played / On a monday /
Just get married /
Like 20 impossibles /
Fatima´s secret

90min
21.30

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
So.22.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Rana´s Wedding
Vortrag: Werner Ruf (Kassel):
Irak: Perspektiven eines Friedens?

Irak heute
Suicide
Road beyond sunset

78 min
21.30

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
Mo.23.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Rana´s Wedding
Einführung durch Studierende
der Uni Kassel

Neue arabische Kurzfilme
Well played / On a monday /
Just get married /
Like 20 impossibles /
Fatima´s secret
90min
21.15

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
Di.24.5.05 Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Rana´s Wedding
Einführung durch Studierende
der Uni Kassel

Beirut nach dem Krieg
In spite of the war
Night Fall

30+67 min
21.15

Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Atash
Mi.25.5.05 Einführung durch Studierende
der Uni Kassel

Irak heute
Suicide
Road beyond sunset

78 min
Arabische Filme
aus deutschem Verleih

Vorpremiere
Paradise Now
Einführung durch Studierende
der Uni Kassel

Musik / "Arabische Identität"
Elie Fayrouz
Heart and spirit

66min




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