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Neue Hoffnung in Nahost

Verstärkte diplomatische Aktivitäten für Konfliktregelung

Von Heinz-Dieter Winter *

Intensive diplomatische Bemühungen haben vor dem heute beginnenden Gipfel der Arabischen Liga in Riad neue Hoffnungen auf eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses genährt. Auf saudi-arabische Initiative soll der in Beirut im Jahr 2002 an Israel gerichtete Friedensvorschlag erneuert sowie der UNO und dem Nahostquartett zur Annahme vorgeschlagen werden.

In den nächsten Tagen wird Bundeskanzlerin Merkel in den Nahen Osten reisen, nachdem sie bereits im Januar Ägypten und die Golfstaaten besucht hatte. Das Jahr 2007 solle für die Konfliktregelung in der Region entscheidend werden, hieß es damals. Im Januar hatte sie mit USA-Präsident Bush die Aktivierung des so genannten Nahostquartetts vereinbart. Auf der Grundlage einer in Mekka zwischen Palästinenserpräsident Abbas und der Hamas-Führung unter saudischer Vermittlung zustande gekommene Vereinbarung begann Mitte März eine neue palästinensische Regierung der nationalen Einheit ihre Tätigkeit. Sie ist bereit, die bisherigen Abkommen der PLO mit Israel zu respektieren, einen Waffenstillstand einzuhalten und mit Israel zu verhandeln. Erstmals nach Jahren wieder gab es ein Treffen von Abbas mit Israels Ministerpräsident Olmert und USA-Außenministerin Rice, die jetzt auf ihrer dritten Reise in diesem Jahr parallele Gespräche mit beiden Seiten angekündigt hat. Ist all das Ausdruck einer »neuen, energischen Anstrengung für den Frieden«, die der scheidende UN-Generalsekretär Annan angesichts der»tiefen Krise in der Nahostregion« 2006 gefordert hatte?

Schon auf ihrer Beiruter Konferenz 2002 hatten die arabischen Staaten ihre Bereitschaft erklärt, Israel anzuerkennen und normale diplomatische Beziehungen aufzunehmen, wenn es sich aus den im Sechstagekrieg (Juni 1967) besetzten Gebieten zurückzieht. Das würde eine friedliche Koexistenz mit seiner arabischen Umwelt ermöglichen und wäre auch der Weg, um von der palästinensische Regierung und Hamas, deren enge Beziehungen zu Saudi Arabien bekannt sind, die bisher vergeblich von Israel, USA und EU als Vorbedingung geforderte Anerkennung des jüdischen Staates zu erreichen.

Was in der arabischen Welt jetzt Hoffnungen auslöst, wird von der israelischen Regierung gefürchtet – dass die USA ihre als gescheitert angesehene Nah- und Mittelostpolitik früher oder später so ändern, wie es Bericht der Baker-Hamilton-Kommission vorschlägt.

Er entwickelte ein Gesamtkonzept, um die Positionen Washingtons in der Region zu stabilisieren. Die USA sollten sich umfassend für die Regelung des israelisch-arabischen Konfliktes engagieren und all den Fragen zuwenden, die bisher ungelöst blieben: der Bildung eines palästinensischen Staates, der Frage israelischer Siedlungen, dem Grenzverlauf, dem Status Jerusalems, dem Rückkehrrecht der Palästinenser, der Rückgabe der Golanhöhen an Syrien.

Auch wenn Präsident Bush diesen Bericht nicht akzeptiert hat, so gibt es doch in den herrschenden Kreisen der USA ein starkes Bestreben, das Irak-Abenteuer zu beenden und die eigene Mittelostpolitik neu zu orientieren. Es könnte sich angesichts der dominierenden Stellung der USA im Nahen Osten positiv auswirken, wenn dieses Konzept zur Anwendung kommt.

In der Geschichte des Nahostkonflikts gab es schon Situationen, dass hoffnungsvoll begonnene Verhandlungen, wie Oslo 1993, nicht zum Frieden führten, sondern letztlich durch eine weitere Verschärfung des Konflikts beendet wurden. Hauptursache war, dass nicht alle Beteiligten gleichermaßen bereit waren, die in den UNO-Sicherheitsratsresolutionen (besonders Nr. 242 von 1967) genannten Bedingungen zu akzeptieren. Entscheidend ist letztlich, ob endlich die seit 1947 in der UNO-Vollversammlung und durch den Weltsicherheitsrat geschaffenen völkerrechtliche Grundlagen zur Anwendung kommen.

Israel sollte seine Bereitschaft erklären, sich von den 1967 besetzten Territorien zurückzuziehen und dies durch Fakten wie die Einstellung der Siedlungstätigkeit und den Rückbau von Siedlungen bekunden. Damit würde man nicht nur dazu beitragen, jene Hoffnungslosigkeit der Palästinenser zu beseitigen, die immer wieder den Nährboden für Gewalt und Selbstmordattentate bildet. So würde auch ein Prozess eingeleitet, der entsprechend dem Friedensvorschlag der arabischen Gipfelkonferenz dazu führt, dass Israel und sein Recht, in Frieden und Sicherheit zu existieren, von allen arabischen Staaten anerkannt werden, einschließlich des zu bildenden palästinensischen.

Zugleich muss die palästinensische Regierung auf der Grundlage ihres Gewaltverzichtes und ihrer Bereitschaft, den eigenen Staat in den Grenzen von 1967 zu bilden, von allen Seiten als gleichberechtigter Verhandlungspartner anerkannt werden. Die Einstellung der Finanzhilfen wird beendet. Gerade diese Boykottpolitik hat sich als höchst kontraproduktiv erwiesen und trug dazu bei, die Palästinenser an den Rand des Bürgerkrieges zu führen. Die USA und die EU hören schließlich damit auf, mit Blick auf die Durchsetzung von UNO-Resolutionen Israel und die anderen Nahost-Staaten mit zweierlei Maß zu messen. Sollten im Ergebnis der gegenwärtigen diplomatischen Aktivitäten solche positiven Entwicklungen eintreten, dann wäre die Zeit für eine neue Nahostkonferenz reif, und es würde ein wesentlicher Schritt getan, um das Verhältnis zwischen dem Westen und der gesamten islamischen Welt friedlicher zu gestalten. Der Friedensplan der arabischen Staaten bietet vielleicht die letzte Chance für die von der UNO vor 60 Jahren vorgesehene Zwei-Staaten-Lösung.

* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2007


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