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Unklarheit vor Nahost-Gipfel

Bisher erzielte Ergebnisse wären durch ein Scheitern gefährdet

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Ende des Monats soll in den USA der Nahost-Gipfel beginnen. Doch in der Region hält sich die Begeisterung darüber in Grenzen. Noch sind weder die Teilnehmer der Beratungen noch die zu besprechenden Themen bekannt – und das könnte das Treffen zum Scheitern bringen.

Wen man auch fragt, es herrschen Zurückhaltung und verzweifelte Bemühungen, die Erwartungen zu dämpfen. »Die Chancen auf Ergebnisse sind in dieser Situation äußerst gering«, heißt es in Israel. »Wir brauchen mehr Zeit, um die Vorarbeit zu leisten«, sagen Vertreter der palästinensischen Regierung im Westjordanland. Denn die Vorarbeit, da sind sich beide Seite einig, die sei das, worauf es ankommt, um einen Erfolg zu erzielen, der nicht nur Hoffnung, sondern zwingendes Ziel ist. »Die Regierungen auf beiden Seiten sind zu schwach, um sich ein Scheitern des Gipfels leisten zu können«, erläutert die Journalistin Barak Ben-Zwi vom staatlichen israelischen Rundfunk. »Wenn der Gipfel ohne Ergebnis endet, ist das ein Signal an die Öffentlichkeit, dass die Diplomatie gescheitert ist, die Hardliner würden Auftrieb bekommen.«

So haben sich Israelis und Palästinenser vorgenommen, mit einem Rumpfabkommen in Washington zu erscheinen, denn in einer Situation, in der die Führer beider Konfliktparteien mit dem Rücken zur Wand stehen, ist das Erzielen einer Übereinkunft längst nicht mehr das größte Problem. Schwerer wiegt die Tatsache, dass niemand weiß, was ihn beim Gipfel erwartet. Schon in wenigen Wochen, vermutlich Ende November, will die USA-Regierung zum Treffen nach Annapolis, Hauptstadt des Ostküsten-Staates Maryland, laden. Doch wer kommen wird und welche Themen behandelt werden sollen, das ist immer noch völlig unklar.

Man wolle offen für alles sein, sagen die Sprecher von US-Außenministerin Condoleezza Rice, während hinter den Kulissen alle möglichen Teilnehmer, von Spanien über Südafrika bis hin zu lateinamerikanischen Staaten, gehandelt werden. Nur: Die Staaten, auf die es ankommt, also Syrien, Libanon und auch Iran, sind bisher nicht dabei, obwohl sowohl Israel als auch die Palästinensische Autonomiebehörde klar gemacht haben, dass sie vor allem Syrien gerne dabei hätten. »Es drängt sich der Eindruck auf, als wolle Rice ein Treffen unter Freunden, um ja keine zusätzlichen Probleme in der Region zu erzeugen«, sagt Ben-Zwi. »Sie will sich einen Erfolg ans Revers heften können, selbst wenn der durch faule Kompromisse erzwungen ist.«

Und das ist zur Zeit die größte Sorge auf allen Seiten. Man ist in den vergangenen Monaten weit gekommen, sehr weit sogar. In der vorigen Woche wurde bekannt, dass die Bauarbeiten an den Sperranlagen im Westjordanland schon seit Juni eingestellt sind. Angeblich hat das finanzielle Gründe. Doch Quellen aus dem Umfeld der Regierung sprechen offen davon, dass alles andere reine Geldverschwendung sei: »Es ist hier jedem klar, dass dies nicht die Grenze sein wird.«

Zudem wird mittlerweile deutlich, dass die Zukunft Ost-Jerusalems längst besiegelt ist. Dem Vernehmen nach sollen sich Verhandlungsteams zur Zeit ausschließlich mit der Frage befassen, was zum Beispiel aus den Sozialleistungen Israels für die arabischen Einwohner der Stadt nach einer Übergabe an die Palästinenser wird. Und auch im Westjordanland tut sich einiges. In den kommenden Wochen sollen immer mehr Straßensperren abgebaut werden. In Nablus, einer Hochburg der Radikalen, die bisher unter israelischer Kontrolle stand, wurden am Freitag mehrere hundert palästinensische Polizisten stationiert.

Strittig ist im Moment vor allem der Zeitplan. Um das Ganze durchsetzen zu können, möchte Premierminister Ehud Olmert die Umsetzung einer Übereinkunft daran knüpfen, dass die Autonomiebehörde weiterhin aktiv gegen die Radikalen vorgeht. Präsident Mahmud Abbas hingegen fordert einen fixen Plan, weil seine Öffentlichkeit seit dem Scheitern des Oslo-Prozesses Zeitplänen mit Bedingungen sehr kritisch gegenüber steht. Sollte Rice versuchen, dies durch Druck und Kompromisse zu überbrücken, so die Befürchtung, könnten alle bisher erzielten Ergebnisse schnell wieder in der Schublade landen.

* Aus: Neues Deutschland, 8. November 2007


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