Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kriegstreffen in Annapolis

Bei Bushs Nahostkonferenz soll die Hamas außen vor bleiben. Statt den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen, rüstet der US-Präsident zum Dritten Weltkrieg

Von Michael Warschawski *

Auf Initiative von Präsident George W. Bush findet Ende November in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland eine internationale Nahostkonferenz statt, bei der Friedensgespräche zur Beilegung des Israel-Palästina-Konflikts vorbereitet werden sollen. Bereits im Vorfeld drohen die rechten Koalitionspartner der israelischen Regierung mit Rücktritt, falls bei den Unterredungen etwas Substantielles verhandelt werden sollte. Ministerpräsident Ehud Olmert selbst wünscht keine Einbeziehung des Konflikts mit Syrien über die von Israel besetzten Golanhöhen. Den israelischen Forderungen gemäß wird alles Wesentliche ausgeschlossen, so auch eine Teilnahme der palästinensischen Hamas.

Ein Treffen, bei dem es um den Frieden im israelisch-palästinensischen Konflikt gehen soll und zu dem die Hamas nicht eingeladen ist, ist keine Zusammenkunft für den Frieden, sondern eine Kriegskonferenz. Denn sie richtet sich unter anderem gegen die Hamas und gegen den Großteil der Bevölkerung des Westjordanlandes und des Gazastreifens, der sich bei den palästinensischen Parlamentswahlen mehrheitlich für diese Organisation ausgesprochen hat.

Die Konferenz von Annapolis ist im Kontext der neokonservativen globalen Kriegsstrategie zu sehen, im Kontext eines endlosen »Präventivkrieges« gegen die »islamische Bedrohung« oder, wie es die fundamentalistischen christlichen Rechten in den USA simpel und unverblümt ausdrücken: »gegen den Islam«. Dabei ist die Hamas nur einer der Feinde, gegen den man zu Felde zieht. Andere sind Iran, die Hisbollah im Libanon und schließlich Syrien, obwohl das Regime in Damaskus laizistisch ist und mehr Islamisten umgebracht hat als irgendein anderer Staat im Nahen Osten. Doch wen kümmert das schon? Für gewisse unerbittliche Neokonservative um Bush sind alle Araber Muslime, und alle Feinde Washingtons sind Gegenstand des US-amerikanischen Kreuzzugs zur Verteidigung der »jüdisch-christlichen« Zivilisation gegen die Bedrohung durch den Islam, auch wenn diese Bedrohung Hugo Chávez oder Evo Morales heißt.

Bei ihrer jüngsten Nahostvisite hat US-Außenministerin Condoleezza Rice ihre Truppen auf den anstehenden Krieg eingeschworen, indem sie den Söldnerstaaten Geld zusteckte, den Zögerlichen drohte und der israelischen Regierung letzte Anweisungen gab. Die Front der »moderaten Staaten«, wie Washington seine Vasallen zu nennen pflegt, dürfte inzwischen angriffsbereit und die Konferenz von Annapolis die erste Sitzung des »Kriegskabinetts« sein.

Eines fehlt jedoch in den US-amerikanischen Kalkulationen: In welcher Form wird der Iran zurückschlagen, und was wird dieser Krieg an Menschenleben und Material kosten? Teheran ist nicht Gaza – der Iran hat die Mittel, auf eine israelisch-amerikanische Aggression zu antworten. Die Bewohner von Tel Aviv könnten durchaus zu denen gehören, die für die wahnwitzigen Pläne von George W. Bush teuer werden zahlen müssen.

Die jüngste Äußerung des Verrückten vom Weißen Haus läßt einen erschauern: Er warnt vor einem »Dritten Weltkrieg«! »Warnen« bedeutet in der Sprache der Neokonsevativen nichts anderes als drohen. Kurzum, in seinem grenzenlosen Irrwitz droht Bush an, einen Nuklearkrieg gegen den Nahen Osten anzuzetteln, einen Waffengang, in den ohne weiteres die ganze Welt hineingezogen werden könnte. In ihrem unübertrefflichen Zynismus propagieren die Neokonservativen diesen Krieg als einen, der »zur Verteidigung der Juden« geführt werde. Die Juden als Vorwand für einen neuen Kreuzzug der christlichen Fundamentalisten und der Staat Israel als Speerspitze in diesem Krieg zur Rettung der judeo-christlichen Zivilisation!

Nein danke! Wir Juden werden in diesem Krieg doppelt zahlen müssen, und das nicht zu knapp: zum einen als Frontbataillon der Kreuzzügler, zum anderen als Sündenbock, ist der Feldzug erst einmal verloren. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß dieselben Führer, die sich der Juden als Vorwand bedient haben, sie für das Scheitern verantwortlich machen werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, daß die christlichen Fundamentalisten um Bush, die ständig einen »Clash of civilizations« herbeireden und im übrigen ultrazionistisch und zutiefst antisemitisch sind, einmal mehr die Juden bestrafen werden, wenn ihr heiliger Kreuzzug gegen den Islam die westliche Welt in die Katastrophe führt.

Eine starke jüdische Stimme müßte sich in Israel und weltweit erheben, um laut und deutlich zu sagen: »Nicht in unserem Namen! Bedient euch nicht der Juden für eure imperiale Aggression!« Tragischerweise werden Olmert und Barak in Annapolis genau das Gegenteil tun. Sie werden das Spiel der übelsten Antisemiten unserer Zeit mitspielen und ihre Propaganda bedienen: Freiwillig werden sie unsere Nation und die Juden der Welt als wichtigstes Instrument für einen dritten Weltkrieg anbieten. Möge Gott, oder wer immer diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten vermag, uns beistehen!

* Der israelische Friedensaktivist Michael Warschawski ist Mitbegründer des Alternative Information Center (AIC) in Jerusalem. Im Verlag Edition Nautilus (Hamburg) erschien von ihm (mit Gilbert Achcar) in diesem Jahr das Buch »Der 33-Tage-Krieg. Israels Krieg gegen Hisbollah im Libanon und seine Konsequenzen«.

Aus: junge Welt, 9. November 2007


Nein zu Bushs Gipfel

Syrien kritisiert "Fototermin"

Der Botschafter Syriens in den USA hat die von Washington initiierte Nahostkonferenz als überflüssige Scheinveranstaltung kritisiert. Er rate der syrischen Führung von einer Beteiligung an den Gesprächen in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland Ende des Monats ab, sagte Imad Mustapha am Mittwoch abend auf einer Veranstaltung in San Francisco. Da die Regierung von Präsident George W. Bush keine inhaltlichen Pläne für die Konferenz angekündigt habe, könne es auch keine ernsthaften Ziele geben, erklärte der Botschafter. Er bezeichnete die Veranstaltung als reine »Fotogelegenheit«, die den amerikanischen Bürgern signalisieren solle, daß ihre Regierung sich nicht nur um Kriege bemühe, sondern auch um Frieden. Syrien hatte zuvor angekündigt, nur an den Gesprächen teilnehmen zu wollen, wenn auch die Rückgabe der von Israel 1967 besetzten Golanhöhen verhandelt würde.

Die Nachrichtenagentur AP verbreitete am Donnerstag (8. Nov.) dagegen Zuversicht. Seitens palästinensischer Teilnehmer kann das Treffen offensichtlich vollkommen voraussetzungslos verlaufen. Demnach verzichtet die vom palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas gebildete Regierung im Westjordanland auf die Bedingung, daß die Konferenz bereits einen Plan für die Schaffung eines eigenen Staates vorlegen soll. Mitglieder der Autonomieregierung erklärten am Donnerstag, sie begrüßten eine »Zusicherung« des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, daß es nach der Konferenz eine Fortsetzung der Friedensgespräche geben werde. Abbas-Berater Rafik Husseini sagte, es sei positiv, daß auch wieder über eine Erneuerung der im September 2002 vereinbarten »Roadmap« gesprochen werde, den sogenannten Friedensplan des internationalen Nahostquartetts, dem die Vereinten Nationen, die EU, die USA und Rußland angehören.

Die im Gazastreifen regierende Hamas sowie mehrere linke palästinensische Organisationen lehnen die Konferenz in den USA ab. Sie bereiten eine »Nationale Palästinenserkonferenz« als Gegenveranstaltung in der syrischen Hauptstadt vor. Die Zusammenkunft in Damaskus soll zeitgleich mit Buhs Event in Annapolis stattfinden. (AP/AFP/jW)


"Nationaler Dialog" statt Konferenz mit Bush

Palästinensische Linke gegen geplanten Nahostgipfel. Beendigung der israelischen Besatzung Voraussetzung für Lösung der Krise

Von Rosso Vincenzo

Angesichts der für Ende November geplanten internationalen Nahostkonferenz verständigten sich die Parteien der palästinensischen Linken seit langem erstmals wieder auf ein Positionspapier und eine Initiative, mit der die innerpalästinensische Spaltung überwunden und der US-Politik entgegengetreten werden soll. In dem gemeinsamen Dokument betonten die »Volksfront für die Befreiung Palästinas« (PFLP), die »Nationale Palästinensische Initiative Al-Mubadara« von Mustafa Barghuti, die »Demokratische Front für die Befreiung Palästinas« (DFLP) sowie die aus der aufgelösten KP hervorgegangene »Palästinensische Volkspartei« (PPP) und die kleine Fatah-Abspaltung ­FIDA, daß eine »internationale Konferenz mit vollen Machtbefugnissen und der Beteiligung aller Protagonisten auf der Grundlage der legitimen internationalen Resolutionen und mit dem Ziel, diese Resolutionen unter einer kollektiven internationalen Überwachung im Rahmen der Vereinten Nationen und ihrer Schirmherrschaft auch umzusetzen (…), die einzig mögliche Plattform darstellt, um zu einer Beendigung des israelisch-arabischen und israelisch-palästinensischen Konfliktes zu gelangen«. Die von US-Präsident George W. Bush geplante Konferenz in Annapolis entspreche nicht diesen Anforderungen und sei »ein Versuch, sie zu umgehen und zu deformieren«. Diese Einladung sei der »x-te hartnäckige Versuch der USA, die arabische und palästinensische Unterstützung zu erlangen, um nach den für alle sichtbaren, irreparablen Schäden, die ihre Aggressionspolitik in Afghanistan und im Irak und anderswo in der Region hervorgerufen hat, wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen und ihre Pläne zur Spaltung der arabischen und islamischen Welt in zwei einander bekämpfende Lager zu verwirklichen«.

Die fünf palästinensischen Linksparteien, die bei den Parlamentswahlen Ende Januar 2006 mit drei konkurrierenden Listen insgesamt auf knapp zehn Prozent der Stimmen gekommen waren, rufen auf zu einer »arabisch-palästinensischen Koordination und kollektiven Arbeit« und wenden sich gegen alle »Schritte, die die innerpalästinensische Spaltung vertiefen«. Sie warnen ausdrücklich davor, »Alternativen zur PLO zu finden«. In diesem Zusammenhang fordern sie die Hamas auf, von ihrem »Militärschlag und der Verletzung der Demokratie« Abstand zu nehmen, »die separatistische Anomalie in Gaza zu beenden und in den legitimen Rahmen zurückzukehren«. Zugleich mahnen sie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die Fatah, der US-Regierung nicht auf den Leim zu gehen und sich der Wiederaufnahme eines »nationalen Dialogs« nicht zu widersetzen. Ziel müsse »die friedliche und demokratische Lösung der innenpolitischen Krise auf der Grundlage des Dokuments der Nationalen Übereinkunft und der Kairoer Erklärung« sein.

Kein leichtes Unterfangen, war es doch bereits schwer, die verschiedenen Teile der palästinensischen Linken an einen Tisch zu bringen. Die Distanz zwischen den Parteien ist teilweise enorm. In einem Punkt sind sich die Linkskräfte allerdings absolut einig: Jede ernsthafte internationale Anstrengung zur Lösung des Nahostkonflikts erfordere, Israel zur sofortigen Beendigung der Aggression und seines einseitigen Vorgehens zu zwingen. »Das beinhaltet eine Beendigung der Besatzung, einen Baustopp für den Apartheidwall und den Abriß der bereits bestehenden Teile, das Ende der Invasionen, der Verhaftungen und Tötungen, den Abbau der Checkpoints, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Annullierung des anmaßenden Befehls, Gaza als Feindesland zu betrachten und die Beendigung des Embargos.«

Aus: junge Welt, 9. November 2007




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