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Der Krieg im Nahen Osten eskaliert

Nach den Selbstmordattentaten Angriffe auf die Autonomiebehörde - Scharons Kriegserklärung im Wortlaut

Der Wahnsinn im Nahen Osten scheint kaum noch zu stoppen zu sein. Am ersten Dezemberwochenende erschütterte eine Serie von Sprengstoffanschlägen in Israel die Welt. Die Antwort der Israelis ließ nicht lange auf sich warten: Sie bestand in einer wuchtigen Angriffswelle auf palästinensische Autonomiegebiete und gipfelte in einer kaum verhüllten Kriegserklärung Scharons an den PLO-Führer Arafat.

Am Samstag, den 1. Dezember, kurz vor Mitternacht, sprengten sich zwei Selbtsmordattentäter in der belebten Fußgängerzone um den Zionsplatz im Zentrum Westjerusalems in die Luft. Zehn Israelis, alle im Alter von 14 bis 20 Jahren, wurden dabei getötet, 242 zum Teil schwer verletzt. Die beiden Attentäter waren etwa 100 Meter voneinander entfernt gewesen. 20 Minuten später explodierte in einer benachbarten Nebenstraße eine schwere Autobombe, die zwei Menschen vereltzt. Am Sonntagmorgen (2. Dezember) ereignete sich eine gewaltige Explosion in der israelischen Hafenstadt Haifa. Ausgelöst wurde sie ebenfalls von einem Selbstmordattentäter. Bei der Explosion starben 15 Menschen, 40 wurden verletzt. Ein weiteres Attentt ereignete sich kurz vorher im Nordsinai, als ein Israeli durch Schüsse auf sein Auto getötet wurde. Die beiden Schützen wurden von israelischen Soldaten erschossen. Die Zahl der Israelis, die bei den Anschlägen am Wochenende ums Leben kamen, stieg auf insgesamt 26, die Zahl der Verletzten auf über 200.

Es waren die schwersten Anschläge seit der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2001, als in Tel Aviv mehr als 20 Jugendliche vor einer Disco einem Selbstmordattentat zum Opfer fielen. Entsprechend aufgebracht reagierten Israelis auf die Anschläge: Der Ruf, Arafat davon zu jagen, die Autonomiebehörde aufzulösen bzw. zu zerschlagen und den Gazastreifen vollständig zu besetzen, wird seither immer lauter. Und dies in einer Situation, in der die US-Regierung gerade versuchte, mit einem Vermittlungsversuch einen Waffenstillstand zu erreichen, um den Rücken für die Ausweitung ihres "Krieges gegen den Terror" über Afghanistan hinaus frei zu haben. Während sich US-Vermittler Anthony Zinni im Nahen Osten aufhält, war Scharon zum Zeitpunkt der Anschläge bei einer Stippvisite in den USA, wo er mit US-Präsident Bush zusammentraf. Hinter den offenbar koordinierten Anschlägen verbirgt sich also höchstwahrscheinlich eine politische Strategie, die gegen jegliche Entspannung und gegen jegliche Vereinbarung zwischen Israel und Palästinenserbehörde gerichtet ist. Insofern trifft jeder Anschlag nicht nur die Israelis, sondern auch Arafat.

Die Anschläge sind auch gegen Arafat gerichtet

Und zwar auch militärisch, wie die gewaltsamen Reaktionen der israelischen Armee gezeigt haben. Postwendend wurden noch am 2. Dezember vier Palästinenser bei Dschenin und ein Palästinenser bei Tulkarem im Westjordanland von israelischem Militär erschossen, angeblich weil sie einen Anschlag geplant hätten. Am 3. Dezember beschossen Kampfhubschrauber und Jagdflugzeuge palästinensische Ziele im Westjordanland und das Hauptquartier von Arafat in Gaza. Dabei wurden zwei Helikopter Arafats sowie ein Polizeigebäude zerstört. Menschen kamen dabei nicht ums Leben, weil das Gebäude zuvor evakuiert wiorden war. Arafat selbst befand sich auch nicht in Gaza, sondern in seinem Regierungssitz in Ramallah, der einen Tag später, am 4. Dezember, angegriffen wurde.

In der Nacht zum 4. Dezember rückten israelische Panzer auf die palästinensischen Autonomie-Städte Nablus, Ramallah und Beitunia vor (alle im Westjordanland) und besetzten den Flughafen im Gazastreifen. Die Start- und Landesbahn des einzigen Flughafens unter palästinensischer Verwaltung wurde mit Bulldozern unbrauchbar gemacht. Weitere Ziele der Luftangriffe, bei denen erstmals nach Monaten auch wieder israelische F-16-Kampfflugzeuge eingesetzt wurden, waren Einrichtungen in Gaza, im Flüchtlingslager Chan Junis im Süden des Gazastreifens sowie in Tulkarem und Kalkila im Westjordanland.

Die militärischen Aktionen werden sich nach Auskunft der israelischen Regierung noch verstärken. Da halfen auch die von der Autonomiebehörde vorgenommenen Verhaftungen von rund 110 Mitgliedern von Hamas und Dschihad am 3. Dezember nichts. Für Scharon war diese größte Verhaftungswelle seit ungefähr fünf Jahren lediglich "Schaufensterpolitik", mit der Arafat der "Vergeltung" entgehen wolle. In einer Sondersitzung des israelischen Kabinetts in der Nacht zum 4. Dezember wurden die Weichen für das weitere Vorgehen gestellt: Arafats Autonomiebehörde wurde per Kabinettsbeschluss zu einer Institution erklärt, "die en Terror unterstützt". Außerdem wurden zwei Gruppen, die Arafat nahe stehen, als Terrororganisationen eingestuft: die "Force 17" und die "Tansim"-Miliz. Der Beschluss kam ohne die Minister der Arbeitspartei zustande. Schimon Peres verließ mit seinen Kollegen die Sitzung und kündigte an, seine Partei werde am 5. Dezember über einen Verbleib in der Koalition entscheiden. Auch wenn Peres sagte, es sei nicht Ziel der israelischen Regierung, Arafats Autonomiebehörde zu stürzen, so sprechen die militärischen Aktionen gegen Arafat und die Fernsehansprache Scharons (siehe "Im Wortlaut") doch eine andere Sprache.

Internationale Reaktionen - UNO und Genfer Konventionen

Das Ausland reagiert - wie immer - höchst unterschiedlich auf die neueste Eskalation im Nahen Osten. Die US-Regierung hat sich mittlerweile wohl damit abgefunden, dass es an der israelisch-palästinensischen Front keine Ruhe gibt. Geschickt hat Scharon die Terrorismus-Karte gezogen: Wie könnte ihm Bush widersprechen, wenn er dem Terror einen unerbittlichen und langen Kampf ansagt? Sein Außenminister Colin Powell betonte denn auch bei einem OSZE-Treffen in Bukarest am 4. Dezember: "Israel hat das Recht sich zu wehren." Bundesaußenminister Fischer, der sich nach seinen diversen Nahost-Reisen der letzten Monate gern als heimlicher Vermittler sieht, griff zum Telefon und konnte den Kontrahenten aber wohl nichts anderes als Altbekanntes vortragen: Israels Premier wurde daran erinnert, dass man weiter an einer politischen Lösung ŕ la Mitchell-Bericht interessiert sei. An Arafat erging der Appell, endlich mit den terroristischen Organisationen Hamas und Dschihad aufzuräumen, ansonsten drohe den Palästinensern Schlimmes. Das "Schlimmste" verhüten wolle auch der russische Außenminister Igor Iwanow, wozu man zur Zusammenarbeit mit den USA bereit sei. Lediglich aus Frankreich kamen andere Töne. Außenminister Hubert Védrine warf Israel eine "Eskalations-Politik" vor: Erst werde Arafat durch Militärschläge geschwächt, dann "nimmt man diese Schwäche als Argument, um zu sagen: Weil er bei sich nicht für Ordnung sorgen kann, muss man ihn irgendwie beseitigen."

Eindeutiger zugunsten der Palästinenser fielen die Beschlüsse der UN-Generalversammlung aus. Vier Resolutionen wurden in New York angenommen, die Israels Vorgehen in den besetzten Gebieten verurteilen. Die Resolutionen wurden mit überwältigender Mehrheit angenommen, nur Israel, die USA und einige kleine Inselstaaten des Pazifischen Ozeans stimmten dagegen. Die meisten EU-Mitglieder, darunter Deutschland, enthielten sich der Stimme. Als Grund gaben sie an, die gleichwertige Verurteilung der Anschläge gegen Zivilpersonen von Seiten palästinensischer Extremisten und von Seiten des israelischen Militärs sei "unausgewogen". Bei der Entscheidung über eine Resolution, die den rechtlichen Status der Stadt Jerusalem bis zu einem Friedensabkommen offen halten will, enthielten sich die USA.

Bei einer Konferenz der Unterzeichnerstaaten der Genfer Konventionen in Genf am 5. Dezember 2001 haben 114 Staaten in einer Deklaration Israel ermahnt, dass die Bestimmungen der Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung auch in den von Israel besetzten Gebieten einschließlich Ostjerusalem gelten. Israel besteht darauf, dass die diesbezüglich vierte Konvention im Nahen Osten nicht anwendbar sei, da es sich nicht um besetzte, sondern um "umstrittene" Gebiete handle. Die UN-Hochkommissarin für menschenrechte, Mary Robinson, erklärte auf der Konferenz: "Weder die israelische Politik der gezielten Ermordung palästinensischer Zivilisten noch Angriffe von Palästinensern auf israelische Zivilisten stehen im Einklang mit dem internationalen humanitären Recht." Insebsondere sei der Ausbau israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten ein Verstoß gegen die vierte Genfer Konvention. "Diese Siedlungen sind ein Katalysator für Gewalt geworden", sagte Robinson. Die EU-Staaten legten eine eigene Erklärung vor - der sich auch 14 osteuropäische Staaten anschlossen -, worin ein sofortiger Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten und die "Umkehr der Kolonisationspolitik" gefordert werden. Gleichzeitig werden die außergerichtlichen Hinrichtungen durch die israelische Armee und die palästinensischen Terroranschläge in Jerusalem und Haifa verurteilt. Die EU lehnt es aber ab einen Mechanismus zu schaffen, der die Einhaltung der Genfer Konvention überwachen soll.

Die neuerliche Eskalation im Nahen Osten ist aus zwei Gründen höchst gefährlich für den Weltfrieden: Einmal birgt der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern durch seine Verflechtung mit den Interessen der Anrainerstaaten (Ägypten, Syrien), der Symbolkraft des Konflikts für die arabische Welt und den strategischen Interessen der hegemonialen USA genügend Sprengstoff, um nicht nur die Region, sondern die ganze Welt in die Luft zu sprengen. Zum anderen droht gleichzeitig von der US-amerikanischen Front gegen den Terrorismus, die möglicherweise demnächst gegen Irak und Somalia ausgedehnt werden soll, genug Ungemach, das sich mit der Nahostfrage zu einem explosiven Knäuel verschränkt.
Peter Strutynski


Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus Scharons Ansprache ("Im Wortlaut") sowie aus zwei Pressekommentaren.

Im Wortlaut

"Arafat ist für dies alles verantwortlich"

Israels Regierungschef Ariel Scharon hat in einer Fernsehansprache am 3. Dezember 2001 einen "Krieg gegen den Terrorismus" verkündet. Wir dokumentieren Auszüge daraus in einer Übersetzung der Nachrichtenagentur dpa (nach der Frankfurter Rundschau vom 5. Dezember 2001).

"Wir haben viele Kriege geführt und sie alle gewonnen. Wir haben unsere Feinde besiegt, und wir haben Frieden geschlossen. Wir haben das Schwert geführt und die Wüste zum Blühen gebracht. Wir haben Städte gebaut, Landwirtschaft und Industrie aufgebaut und Israel zu einem Vorbild für viele Länder gemacht. Wir werden dies weiterführen und niemals aufhören.

Ein Terrorkrieg ist uns aufgezwungen worden - ein Krieg, der jeden Tag viele Opfer fordert. ... Das Ziel der Terroristen und ihrer Hintermänner ist es, uns zu vertreiben. ... Das wird nie geschehen. Keine andere Nation würde solche Ernsthaftigkeit und Ausdauer zeigen.

Auch wenn die Terroristen verstehen, dass sie niemals siegen werden, schlachten sie doch weiter unschuldige Zivilisten ab, nur um zu morden. Ich erkläre aus Jerusalem, unserer ewigen Hauptstadt, dass wer uns umbringen will, einen hohen Preis zahlen muss. Ebenso wie die USA unter der mutigen Führung von Bush mit ganzer Kraft den Terrorismus bekämpfen, so werden wir mit allen Mitteln kämpfen, die wir haben. ...

Diese Schlacht wird nicht einfach oder kurz werden, aber wir werden obsiegen. Wir beginnen keine Kriege. Dieser Krieg wurde uns aufgezwungen. Arafat ist für dies alles verantwortlich. Er hat die terroristische Entscheidung getroffen, diplomatische Erfolge durch Mord erzielen zu wollen. Damit hat er sich für den Terrorismus entschieden. ...

Die Menschen sehen jetzt den wahren Arafat. Er ist das größte Hindernis für Frieden und Stabilität im Nahen Osten. Aber er wird diese Regierung nicht täuschen. Diesmal wird er uns nicht täuschen. Die Situation, in die Arafat uns alle gebracht hat, wird in erster Linie die anderen treffen. Wir werden die Terroristen und ihre Helfer verfolgen. Sie werden den Preis bezahlen."


Kommentare:

Alte Feinde, alte Fehler

Ob Ariel Scharon zufrieden ist? Gewiss, mit der akuten Bedrohung durch die palästinensischen Selbstmordattentäter kann er es nicht sein, denn schließlich hatte er seinem israelischen Wahlvolk Sicherheit durch Stärke versprochen. Doch wenn die Sicherheit nicht zu erreichen ist, dann kann er nun wenigstens Stärke demonstrieren. Also gibt er im neuen Gewand des Premierministers den alten Feldherrn. Selbst Schulterklappen auf seinem blauen Zwirn würden heute kaum mehr auffallen.

Scharons Welt ist wieder rund: Jassir Arafat sowie die Terror-Brigaden der Hamas und des Islamischen Dschihad benehmen sich genau so schurkenhaft, wie er es schon immer gewusst hat. Der Oslo-Vertrag ist so tot, wie er ihn bereits vor Monaten gesehen hat. Die Friedensfreunde in der eigenen Koalition um Außenminister Schimon Peres sind marginalisiert. Scharon hat den alten Feind im Visier und jagt Arafat inklusive seiner Hintersassen mit Raketen in Gaza und Ramallah. Und er hat den alten amerikanischen Freund an seiner Seite. Nach einigen Turbulenzen ist der Schulterschluss mit Präsident George W. Bush im Anti-Terror-Krieg geschafft. Selbst in der Wortwahl darf sich Israels Premier nun wieder an den großen Bruder anlehnen.

Scharon marschiert, unbeirrt und ungebremst, doch nicht einmal er selbst wird wissen wohin.Die Tötung oder Vertreibung Arafats und auch die erneute Besetzung der autonomen Palästinenser-Gebiete mögen militärisch realisierbar sein. Eine politische Option sind sie nicht. Israel würde sich damit wieder genau die Probleme einhandeln, die es seit der ersten Intifada zu lösen bemüht war. Damit kann auch Scharon eigentlich nicht zufrieden sein. pm
(Süddeutsche Zeitung, 05.12.2001)

Wettrennen in den Krieg
Von Jochen Siemens

Aus der Sackgasse, in die der Osloer Friedensprozess für den Nahen Osten im vergangenen Jahr geraten ist, wird eine Rennbahn in den Krieg. Ausfahrten zur friedlichen Koexistenz von Israelis und Palästinensern werden weggesprengt durch Terroranschläge auf der einen und gezielte Morde durch Bomben und Raketen auf der anderen Seite. ...

Hinter der eskalierenden Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis werden die Umrisse eines palästinensischen Bürgerkriegs erkennbar. Yassir Arafats Autonomiebehörde ist nicht mehr Herr der Lage. Die Palästinenser zerfallen in Fraktionen. Die Rattenfänger des Terrors in Organisationen wie Hamas und Islamischer Dschihad diktieren die Eskalation. Israel geht der Friedenspartner verloren. Seine gezielten Mordanschläge und schonungslosen Militäreinsätze schüren nur den Hass und düngen die Wurzeln des Terrors.
...
Für die Nahostpolitik der USA und ihren Feldzug gegen den internationalen Terrorismus ist die Entwicklung katastrophal. Die erste Nahost-Initiative der Bush-Regierung ist ins offene Feuer gelaufen. Das unterstreicht noch einmal, wie fahrlässig es war, die Entwicklungen nach Clintons gescheiterter Friedensinitiative treiben zu lassen. Es erscheint in dieser dem offenen Krieg zusteuernden Entwicklung geradezu aussichtslos, einen politischen Ansatzpunkt für Vermittlung zu finden. Aber nicht nur das. In dem Maße, in dem Terroristen auf palästinensischer Seite das Heft des Handelns in die Hand nehmen, gibt es für die USA keine Vermittlerrolle mehr. Präsident George W. Bushs klare Worte zum Kampf gegen Terroristen und solche, die Terroristen unterstützen, haben die USA geradezu aus einer Vermittlerrolle herauskatapultiert. Erkennt Arafat im Bombenterror von Hamas und Dschihad nicht nur einen Angriff auf Israel, sondern auch auf sich selbst, wird der palästinensische Bürgerkrieg Wirklichkeit. Erkennt er ihn nicht, wird er zum Komplizen der Selbstmordattentäter und Bombenleger.

Die Rennbahn in den Krieg ist gerade, kurz, und die Zeit läuft. Das ist aberwitzig; denn beide Seiten wissen, dass sie durch einen Krieg nichts gewinnen können. Für die Palästinenser bedeutet Krieg gegen die weit überlegenen Israelis Selbstmord. Und Israel könnte aus einem Siegfrieden, beispielsweise nach der Wiederbesetzung der Autonomiegebiete, keinen Gewinn ziehen. Die Ursache des Konflikts liegt ja nicht nur in der politisch nachvollziehbaren und moralisch legitimierten Gründung Israels. Sie bedeutete die moralisch nicht legitimierbare Vertreibung eines Volkes. Und dieses vertriebene und im gesamten Nahen Osten verschobene und herumgestoßene Volk der Palästinenser lebt zudem seit 34 Jahren in der Westbank und dem Gaza-Streifen unter israelischer Besatzung. Eine Besatzung gegen gültige UN-Resolutionen. Dazu Siedlungsbau in besetzten Gebieten, der wahrlich keinen Hinweis auf israelische Absichten für einen gerechten Ausgleich mit den Palästinensern zulässt.

Aber ohne einen palästinensischen Staat wird es keinen Frieden für Israel geben. Der abscheuliche, nicht zu rechtfertigende, aber erklärbare Terrorismus gegen Israelis wird nicht aufhören. Wo Generationen ihre Zukunft in Flüchtlingslagern entschwindet, beginnt der Selbstmord attraktiver zu werden als das Leben. Da muss der Teufelskreis durchbrochen werden, auch wenn sich der Terror dem entgegenstellt. Nur durch Verzicht wird Israel einen Frieden erreichen können, der den Namen verdient. Zunächst aber spricht alles dafür, dass Krieg und Bürgerkrieg die Geschehnisse bestimmen werden. Ohne einen gerechten Frieden in Nahost bleibt der Kampf gegen Al Qaeda Stückwerk. Dieser Friede ist entscheidend, und Angriffspläne wie gegen Irak sind nur Ausweis des Versagens an der diplomatischen Wegstrecke, die zum Kern des Problems führt.

(Frankfurter Rundschau, 05.12.2001)

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