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Pendeldiplomatie ohne Erfolg

Kein Durchbruch im israelisch-palästinensischen Siedlungsstreit *

US-Vermittler Mitchell reist ohne greifbares Ergebnis aus dem Nahen Osten ab. Ein Dreiergipfel zwischen USA, Israel und Palästinensern erscheint damit unwahrscheinlich.

Die Hoffnungen auf eine rasche Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sind gedämpft worden. Trotz einer einwöchigen Pendeldiplomatie konnte der US-Nahostgesandte George Mitchell beide Seiten nicht zu einem Kompromiss im Siedlungsstreit bewegen. Die Palästinenserführung lehnte am Freitag (18. Sept.) ein Angebot der israelischen Regierung ab, weil es ihrer Meinung nach nicht weit genug ging. Damit sind auch die Chancen auf einer Dreiergipfel zwischen US-Präsident Barack Obama sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu am Mittwoch (23. Sept.) in New York weiter gesunken.

»Die Pendelmission ist ohne eine Vereinbarung zu Ende gegangen«, sagte der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat am Freitag (18. Sept.) nach dem Treffen mit Mitchell in Ramallah. Abbas werde keinen Mittelweg im Streit um die jüdischen Siedlungen akzeptieren.

Die Palästinenser verlangen für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen, dass Israel den Ausbau jüdischer Siedlungen nicht nur im Westjordanland, sondern auch im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems einfriert. Das lehnt die rechtsgerichtete Regierung in Jerusalem ab. Strittig ist auch die Laufzeit eines solchen Moratoriums. Netanjahu soll nach israelischen Medienberichten zuletzt einen Baustopp von neun Monaten angeboten haben. Die US-Regierung hatte auf einen Zeitraum von zwölf Monaten gedrängt.

Strittig zwischen Israel und den Palästinensern bleiben auch die Modalitäten, wie die seit Ende vergangenen Jahres unterbrochenen Friedensgespräche fortgesetzt werden sollen. Abbas verlangte nach Angaben von Erekat, dass die Verhandlungen an jenem Punkt fortgesetzt werden, an dem sie abgebrochen worden waren. Das schließt aus Sicht der Palästinenser auch Verhandlungen über den zukünftigen Status von Jerusalem sowie zur Zukunft der rund 4,5 Millionen palästinensischen Flüchtlinge und Vertriebenen ein. Netanjahu besteht jedoch darauf, dass die Friedensgespräche ohne Vorbedingungen fortgesetzt werden. Er will außerdem nicht über Jerusalem verhandeln.

Eine weitere Hürde für den Friedensprozess könnten nach Ansicht der USA der am Dienstag (15. Sept.) veröffentlichte UN-Bericht über die Gaza-Offensive der israelischen Arme werden. Der Bericht sollte nicht dazu benutzt werden, weitere »Hindernisse« für eine Rückkehr zum Friedensprozess aufzubauen, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Donnerstag (17. Sept.).

Israels Ministerpräsident Netanjahu übte an dem UN-Bericht heftige Kritik. Er sei eine »Justizparodie«. Die Untersuchung sei parteiisch gewesen. In dem Bericht wirft die UNO Israel vor, bei der Offensive im Gaza-Streifen um die Jahreswende Gewalt unverhältnismäßig eingesetzt und gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Etwa 1400 Palästinenser waren getötet worden.

* Aus: Neues Deutschland, 19. September 2009


Nichts zu vermitteln

Von Roland Etzel **

Eine Vermittlungsmission, deren Erfolgschancen selten größer als Null waren, hat gestern ihr erwartet klägliches Ende gefunden. Die Nahost-Pendelei des in diplomatischen Diensten ergrauten Ex-Senators George Mitchell wird vorläufig nicht fortgesetzt; eine überfällige Mitteilung, denn sie hatte schon seit Wochen kaum noch Sinn. Der US-Amerikaner war gezwungen zu agieren wie ein Makler zwischen zwei Kunden, von denen der eine seine Wohnung nicht öffnet und der andere keine hat.

Mitchells Mandat geriet zum Muster ohne Wert, seit erkennbar war, dass die Neudefinition des US-Standpunktes zur israelischen Siedlungspolitik durch Obama im Frühjahr ohne den für die Durchsetzung essenzieller politischer Ziele des Weißen Hauses charakteristischen Nachdruck blieb. Dem von Obama geforderten (besser: erbetenen) Stopp des Siedlungsbaus (korrekter: fortgesetzten Landraubs) auf palästinensischem Territorium folgte ein kaum verklausuliertes Nein von Netanjahu, und dabei blieb es bis heute. Dies legt die Vermutung nahe, dass das forsche Auftreten der israelischen Regierung mit dem Extremisten Lieberman als Außenminister offenbar mehr Rückhalt im US-Kongress hat als die Obama-Linie.

Ohne eine Aufgabe von Siedlungen aber kann es keine Friedenslösung geben. Palästinenser-Präsident Abbas konnte zu Netanjahus »Angebot«, den Bau fremder Siedlungen dort, wo eigentlich der Staat Palästina gegründet werden soll, kurzzeitig einzufrieren, nichts anderes als Nein sagen. Er hat es leise getan, um die Verhandlungschance zu erhalten, und wird trotzdem von Israel und den USA dafür kritisiert werden

** Aus: Neues Deutschland, 19. September 2009 (Kommentar)


Nachbemerkung der Redaktion dieser Website

Die Mission des erfahrenen Diplomaten George Mitchell scheint in der israelischen Regierung nicht sonderlich beachtet worden zu sein. Die einzige Meldung, die etwa die israelische Botschaft in Berlin in ihrem deutschsprachigen Newsletter versandte, bezog sich auf das Willkommensgespräch zwischen dem israelische Staatspräsidenten und Mitchell am vergangenen Sonntag (13. Sept.). Darin war noch von der "Hoffnung" die Rede, bis zum Ende des Monats zu einem Neubeginn der Friedensgespräche mit der palästinensischen Autonomiebehörde zu kommen. [Die entsprechende Meldung im Kasten!]

Ansonsten keine Berichte mehr. Auch die Website des israelischen Außenministeriums begnügt sich mit der Meldung über das Gespräch Peres-Mitchell. Kein Hinweis auf das Gespräch zwischen Mitchell und Ministerpräsident Netanjahu in Jerusalem. Statt dessen wird ausführlich über die Begegnung zwischen Netanjahu und dem ägyptischen Präsidenten Mubarak berichtet (das Gespräch fand am selben Tag statt, als Peres Mitchell empfing).

Israel scheint kein besonderes Interesse an einer Fortsetzung des Dialogs weder mit Obama noch mit Abbas zu haben. Die Zeit arbeitet für die Hardliner in Tel Aviv. Mit jedem weiteren Siedlungsausbau im Westjordanland, mit jeder weiteren Landnahme in Ostjerusalem werden Fakten geschaffen, die Netanjahu später nicht mehr wegverhandeln lassen möchte. So ist es zweifelhaft, ob das ursprünglich ins Auge gefasste Dreiergespräch Obama-Netanjahu-Abbas in New York am 23. September am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen überhaupt zu Stande kommen wird. Die wichtigste Frage aber wird sein, wie Washington auf die harte Linie Tel Avivs reagieren wird. Wenn sich nichts bewegt im iraelisch-palästinensischen Konflikt, wird Obama sehr schnell wieder das Vertrauen der arabischen Welt verlieren, das er mit seiner Kairoer Rede erworben hat.

Pst

Peres trifft Mitchell ***

Israels Präsident Shimon Peres hat sich am Sonntag (13. Sept.) mit dem US-Sondergesandten für den Nahen Osten George Mitchell getroffen. Bei ihrem Gespräch ging es um die Förderung politischer Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sowie die arabische Friedensinitiative.

Peres versicherte Mitchell eingangs: „Wir freuen uns, dass Sie gekommen sind. Ich glaube, es liegt im Interesse aller involvierten Seiten, den September nicht ohne eine Wiederaufnahme von Verhandlungen verstreichen zu lassen. Ich hoffe, wir werden uns während Ihres Besuchs mit allen Punkten auf der Agenda befassen, damit wir Ende des Monats frei sind, uns mit der wichtigsten Frage von allen zu beschäftigen – der Schaffung von Frieden mit den Palästinensern und der gesamten arabischen Welt.“ Dabei fügte er hinzu: „Beide Seiten ringen mit Schwierigkeiten – unser Ministerpräsident hat schwere Herausforderungen überwunden, so wie die pragmatischen Palästinenser, die die Verhandlungen unterstützen.“

Senator Mitchell übermittelte Peres die besonderen Genesungswünsche von US-Präsident Barack Obama und Außenministerin Hilary Clinton. Darüber hinaus konstatierte er: „Wir teilen Ihre Ziele, Ihr Gefühl der Dringlichkeit und Ihren Glauben, dass wir, obwohl wir nicht alle Hindernisse überwunden haben, hart daran arbeiten, sie zu überbrücken. Zweck meines Besuchs in dieser Woche ist es, diese Hindernisse zu überbrücken zu versuchen.“

Mitchell betonte dabei: „Die Obama-Administration arbeitet hart daran, Frieden zwischen Israel und den Palästinensern gemäß dem Prinzip der zwei Staaten für zwei Völker, mit beiden Staaten Seite an Seite in Harmonie lebend, Frieden mit Syrien und dem Libanon und eine Normalisierung mit anderen arabischen Ländern zu schaffen, Das ist das zentrale Ziel, das wir anstreben.“

Peres betonte daraufhin: „Trotz des Eindrucks, der womöglich durch die israelische Presse erzeugt worden ist, arbeitet Israel in Kooperation mit Präsident Obama, und selbst wenn hier und da Meinungsverschiedenheiten auftreten, sind diese nicht strategischer Natur. Wir schätzen den US-Präsidenten und respektieren ihn zutiefst.“

Peres nutzte die Gelegenheit, um sich für all die Genesungswünsche zu bedanken, die ihn nach seinem kurzzeitigen Zusammenbruch am Wochenende erreicht hatten.

*** Quelle: Außenministerium des Staates Israel, 13.09.09; Übersetzung: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 14. September 2009.




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