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Mit dem Geist von Kairo gebrochen

Die versprochene neue Mittelostpolitik Washingtons gibt es nicht. Umfrage in den betroffenen Ländern

Von Karin Leukefeld *

Die Erwartungen in der muslimischen Welt an die von Barack Obama versprochene neue US-Politik im Mittleren Osten sind auf dem Tiefpunkt. Mehr als ein Jahr nach seiner Rede in Kairo lehnt eine überwältigende Mehrheit in sechs Staaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung vor allem sein Herangehen an den israelisch-palästinensischen Konflikt ab, der als Kern vieler anderer Konflikte im Mittleren Osten gilt.

»Obama hat ein Problem im Mittleren Osten« heißt es in der Erklärung des Pew Forschungszentrums (Washington) unter Verweis auf die Ergebnisse seiner jährlichen globalen Meinungsumfrage 2010. Im April und Mai war die Bevölkerung in 22 Staaten weltweit unter anderem zum Ansehen von Barack Obama und der USA sowie deren Außenpolitik befragt worden. Während Obama bei den Themen »Klimawandel und ökonomische Krise« in 16 Staaten relativ gut abschnitt, erhielt er für seine Politik in Afghanistan, Irak und beim israelisch-palästinensischen Konflikt deutlich negative Noten.

Bei Fragen zum Nahost-Konflikt sei die Ablehnung der US-Haltung besonders in den Staaten hoch, die direkt an Israel angrenzten, so das Pew Forschungszentrum. 90 Prozent der Libanesen, 88 Prozent der Ägypter und 84 Prozent der Jordanier äußerten sich negativ. Im multireligiösen Libanon gab es auffällig wenig Dissens in dieser Frage: 84 Prozent der Sunniten, 87 Prozent der Christen und volle 100 Prozent der Schiiten lehnen Obamas Haltung ab. Auch in den anderen Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung war die Ablehnung deutlich: 66 Prozent in der Türkei, 56 Prozent in Indonesien und 51 Prozent in Pakistan. In der Türkei und Pakistan äußerten sich zum allgemeinen Ansehen des US-Präsidenten nur fünf Prozent positiv.

Die Umfrageergebnisse zum Kernkonflikt im Mittleren Osten bestätigen laut Pew die öffentliche Meinung in der arabischen Welt seit etlichen Jahren, wonach die USA sich nicht neutral und vermittelnd verhalte, sondern hinter Israel stelle. Bei der Umfrage 2007 waren 90 Prozent in Jordanien, Libanon und in Palästina dieser Meinung, das damals in die Befragung einbezogen worden war. Pew fand in seinen Umfragen in den USA tatsächlich heraus, daß die öffentliche Meinung dort seit Jahrzehnten eine überwiegend israelfreundliche Haltung ausweist. Die öffentliche Unterstützung für Israel sei in den USA deutlich größer, als in anderen Teilen der Welt. Selbst bei einigen der engsten US-Verbündeten in Europa wie Frankreich, Großbritannien und Spanien gebe es hingegen deutlich mehr Sympathie für die Palästinenser als für Israel.

Der Hinweis des Forschungszentrums auf die Umfrageergebnisse und »Obamas Probleme im Mittleren Osten« kommt nur wenige Tage vor einem Treffen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) am 2. September in Washington. Ziel des Treffens soll es sein, beide Seiten zur Wiederaufnahme von »direkten Gesprächen« zu bewegen. Die zwanzigjährigen Verhandlungen zwischen Israel und Palästina waren mit Beginn des dreiwöchigen israelischen Überfalls auf den Gazastreifen 2008/2009 von den Palästinensern abgebrochen worden.

* Aus: junge Welt, 30. August 2010

Obamas Behandlung des israelisch-palästinensischen Konflikts aus Sicht ausgewählter Länder

Zustimmungs- bzw. Ablehnungsraten der jeweiligen Bevölkerung (in Prozent der Befragten)

Land Zustimmung AblehnungKeine Meinung
Libanon 90 8 2
Ägypten 88 11 1
Jordanien 84 15 1
Türkei 66 5 30
Indonesien 56 36 8
Pakistan 51 5 44

Quelle: Pew Global Attitudes Project: Obama's Middle East Problem, August 27, 2010; http://pewresearch.org; [Übersetzung und Darstellung: AG Friedensforschung]


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