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"Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, den Völkern im Nahen Osten zu helfen"

US-Präsidentenberaterin Condoleezza Rice zur Umgestaltung des Nahen Ostens

Im Folgenden dokumentieren wir einen Namensartikel der persönlichen Beraterin des US-Präsidenten für Nationale Sicherheitsangelegenheiten, Condoleezza Rice. Der Artikel erschien zunächst am 7. August 2003 in der Washington Post.
Für die Übersetzung zeichnet der Amerika Dienst verantwortlich.



Nach dem Ende des 2. Weltkriegs verpflichteten sich die Vereinigten Staaten sehr schnell zu einer langfristigen Umgestaltung Europas. In Anbetracht von Tod und Zerstörung durch den Krieg - einschließlich hunderttausender amerikanischer Todesopfer - begannen unsere Politiker an einem Europa zu arbeiten, in dem ein weiterer Krieg undenkbar sein würde. Wir und die Völker Europas verpflichteten uns der Vision von Demokratie und Wohlstand, und gemeinsam waren wir erfolgreich.

Heute müssen sich die Vereinigten Staaten sowie ihre Freunde und Verbündete der langfristigen Umgestaltung eines anderen Teils der Welt verpflichten: dem Nahen Osten. Der Nahe Osten, eine 22 Länder umfassende Region mit einer Gesamtbevölkerung von 300 Millionen Menschen, hat zusammengenommen ein geringeres Bruttoinlandsprodukt als Spanien mit einer Bevölkerung von 40 Millionen Menschen. Hinderlich ist, was führende arabische Intellektuelle als politisches und wirtschaftliches "Freiheitsdefizit" bezeichnen. In vielen Gegenden bietet das Gefühl der Hoffnungslosigkeit einen guten Nährboden für Hassideologien, die Menschen dazu veranlassen, ihr Studium, ihre Karriere, ihre Familie aufzugeben und sich selbst in die Luft zu jagen, um dabei so viele unschuldige Menschen wie möglich mit sich in den Tod zu reißen.

Dies ist ein sicherer Weg zu regionaler Instabilität und bedeutet eine fortwährende Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten.

Unsere Aufgabe ist es, mit denjenigen im Nahen Osten zusammenzuarbeiten, die Fortschritte hin zu mehr Demokratie, Toleranz, Wohlstand und Freiheit anstreben.

Wie Präsident Bush im Februar sagte, "Die Welt hat ein klares Interesse an der Verbreitung demokratischer Werte, denn stabile und freie Nationen bieten keine Grundlage für mörderische Ideologien. Sie ermutigen das friedliche Streben nach einem besseren Leben."

Ich sage es ganz deutlich: Die Vereinigten Staaten und die Koalition begannen den Krieg im Irak, weil Saddam Husseins Regime für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und der Welt eine Bedrohung darstellte. Es war ein Regime, das den Besitz von Massenvernichtungswaffen angestrebt, sie eingesetzt und besessen hatte. Es hatte Verbindung zum Terrorismus; zweimal marschierte es in andere Länder ein; 12 Jahre lang missachtete es die internationale Gemeinschaft und 17 UN-Resolutionen - und gab sich allen Anschein, dass es nie abrüsten und nie den gerechten Forderungen der Welt nachkommen würde.

Heute existiert diese Bedrohung nicht mehr. Mit der Befreiung des Irak geht auch die besondere Chance einher, eine positive Agenda für den Nahen Osten voranzubringen, mit der die Sicherheit in der Region und in der ganzen Welt gestärkt werden wird. Wir erkennen bereits Anzeichen einer neuen Verpflichtung bei Israelis und Palästinensern, dem Frieden Bahn zu brechen.

Auf den Gipfelversammlungen am Roten Meer (Red Sea Summits) im Juni haben sich Israelis, Palästinenser und arabische Nachbarstaaten gemeinsam hinter die vom Präsidenten entwickelte Vision gestellt - eine Vision von zwei Staaten, Israel und Palästina, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben. Israelische Politiker begreifen zunehmend, dass die Selbstverwaltung der Palästinenser in einem lebensfähigen, friedlichen, demokratischen und dem Kampf gegen den Terror verpflichteten Land in Israels ureigenstem Interesse liegt. Palästinensische Politiker begreifen zunehmend, dass der Terror kein Mittel zur Erreichung palästinensischer Souveränität ist, sondern, im Gegenteil, ein Hindernis auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit.

Das Ende des Regimes von Saddam Hussein verstärkt auch einen Prozess, der in der ganzen Region schon angefangen hat. Arabische Intellektuelle haben arabische Regierungen dazu aufgefordert, das Freiheitsdefizit zu beseitigen. Führende Kräfte in der Region sprechen von einer neuen arabischen Charta, die für innenpolitische Reformen, breitere Beteiligung am politischen Geschehen, wirtschaftliche Offenheit und freien Handel eintritt. Von Marokko bis zum Persischen Golf machen Länder ernsthafte Schritte hin zu politischer und wirtschaftlicher Offenheit. Die Vereinigten Staaten unterstützen diese Maßnahmen und werden diesen Prozess gemeinsam mit ihren Freunden und Verbündeten in der Region fördern.

Es werden sich noch größere Chancen ergeben, wenn Husseins kriminelles Regime durch eine irakische Regierung ersetzt werden wird, die gerecht und human ist und auf demokratischen Prinzipien aufbaut. Das demokratische Deutschland wurde zum Kernstück eines neuen Europas, das heute eine Einheit bildet, frei ist und in Frieden lebt. Ebenso kann ein umgestalteter Irak zum Kernelement eines ganz anderen Nahen Ostens werden, in dem die Ideologien des Hasses nicht gedeihen können. In den beinahe 100 Tagen seit Beendigung der Hauptkampfhandlungen im Irak hat das irakische Volk sein Land zurückgefordert und begonnen, eine hoffnungsvollere Zukunft zu gestalten. Während dieses Übergangs zur Freiheit werden die Vereinigten Staaten gemeinsam mit anderen Ländern daran arbeiten, den Irakern zu mehr Sicherheit und größeren Chancen zu verhelfen.

Die Umgestaltung des Nahen Ostens wird nicht einfach werden und Zeit brauchen. Sie erfordert das breite Engagement der Vereinigten Staaten, Europas und aller freien Nationen, die in uneingeschränkter Partnerschaft gemeinsam mit denjenigen in der Region zusammenarbeiten, die unseren Glauben an die Macht menschlicher Freiheit teilen. Dabei geht es nicht in erster Linie um eine Verpflichtung im militärischen Bereich, sondern um eine Verpflichtung, die es erforderlich macht, dass wir uns mit allen Aspekten unserer nationalen Macht - Diplomatie, Wirtschaft und Kultur - einbringen. Beispielsweise hat Präsident Bush die Partnerschaftsinitiative im Nahen Osten (Middle East Partnership Initiative) ins Leben gerufen, damit wir mittels konkreter Projekte gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten können. Er hat darüber hinaus die Einrichtung einer Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und dem Nahen Osten im Lauf der nächsten 10 Jahre angeregt, damit sich den Völkern in der Region mehr und mehr Chancen eröffnen.

Trotz aller Probleme ist der Nahe Osten eine Region, die ein enormes Potenzial birgt. Er ist der Entstehungsort und geistliche Heimat von drei der großen Weltreligionen und das antike Zentrum von Wissen, Toleranz und Fortschritt. Es gibt dort viele talentierte, einfallsreiche Menschen, die - wenn sie größere politische und wirtschaftliche Freiheit und bessere, moderne Bildung genießen können - in vollem Umfang am Fortschritt unserer Zeit teilhaben können.

Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, den Völkern im Nahen Osten zu helfen, ihr ganzes Potenzial zu entfalten. Wir werden handeln, denn wir wollen größere Freiheit und mehr Chancen für die Völker der Region sowie größere Sicherheit für die Menschen in den Vereinigten Staaten und in der Welt.

Originaltext: Rice Urges Long-Term Commitment to Transformation in Mideast
(siehe http://usinfo.state.gov)



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