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Nahost-Konferenz von US-Gnaden

Condoleezza Rice tourt durch die Region und hat Militärhilfe und schwere Waffen im Gepäck - Wem nützt das?


"Hurra! Die Saudis kommen!"

Was erhoffen sich die USA von neuer Konferenz und Rüstungsdeals? / Die Washingtoner Pläne für die Region finden in Israel und Palästina wenig Anklang

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Israel, Syrien, die palästinensischen Gebiete: Langsam nähern sich die Konfliktparteien aneinander an. Die USA sind dabei eher hinderlich, weil Washington andere Prioritäten hat als die Regierungen der Region.

Wenn Gabi Aschkenasi in diesen Tagen in der Öffentlichkeit auftaucht, dann trägt der israelische Generalstabschef so etwas wie ein zufriedenes Lächeln in seinem kampfgestählten Gesicht. Die Regierung hat ihm nach den vielen Versäumnissen des Libanon-Krieges den Auftrag erteilt, das Militär schleunigst zu reformieren.

Die versprochene Aufstockung der Militärhilfe durch die USA kommt da recht. »Wir brauchen das Geld und die Waffen wirklich dringend, um unseren strategischen Vorteil in Zeiten der Haushaltskürzungen bewahren zu können«, sagte ein Militärsprecher. Doch mit Aussagen wie diesen stehen Verteidigungsministerium und das Büro von Premierminister Ehud Olmert relativ einsam da.

In den Medien, selbst in Teilen der Koalition, wird der Deal nämlich kritisiert: »Kontraproduktiv« sei er, sagen jene, die eine strenge Verhandlungsstrategie und ein kleineres, effizienteres Militär befürworten; die Abmachung werde den Bedürfnissen der Armee nicht gerecht, erklären selbst jene, die ein starkes, hochgerüstetes Militär eigentlich befürworten. »Was sollen wir mit Waffentechnologie, die so kompliziert ist, dass man erst Jahre braucht, um Einheiten dafür auszubilden, und die so teuer ist, dass man sie ohnehin am besten gar nicht einsetzt?«, fragte zum Beispiel Mosche Feiglin, ein Abgeordneter des rechtskonservativen Likud-Blocks, am Donnerstag in einer Rundfunkdebatte.

Auf viel Widerspruch, und das ist im sonst nie auf einen heftigen politischen Streit verzichtenden Israel ungewöhnlich, stieß er dabei nicht: Ob Rechte oder Linke, ob Palästinenser oder Israelis – im Moment ist man sich außerhalb von Verteidigungsministerium und Olmert-Büro einig, dass die Vereinigten Staaten und die Regierungen der Region derzeit aneinander vorbei reden.

»Die Interessen der USA sind nicht unsere«, sagt zum Beispiel ein Mitarbeiter des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und gibt damit wieder, was in diesen Tagen auf beiden Seiten häufig zu hören ist. »Washington will Irak stabilisieren, Iran in Schach halten, während wir hier einen Friedensprozess für die gesamte Region brauchen«, kommentierte die Zeitung »Maariv«, und in »Haaretz« ätzten Aluf Benn und Schmuel Rosner unter dem Titel »Hurra! Die Saudis kommen!«, Condoleezza Rice sei im Moment vor allem damit beschäftigt, die Fehler zu korrigieren, die sie gemacht habe, als sie noch Sicherheitsberaterin von Präsident George Bush war: Irak, Iran, Nordkorea. Überall vergebene Chancen, falsche Strategien, und der Erfolg ihrer Korrektur-Bemühungen beschränke sich im Nahen Osten auf die saudische Zusage, zum Gipfel im Herbst zu erscheinen.

Wichtig ist den US-Amerikanern diese Teilnahme vor allem, weil sie das Treffen aufwerten würde und ihm gegenüber anderen Nahost-Konferenzen den Anschein des Besonderen geben würde. Nur: Dass das Treffen, auf das Rice im Moment mit voller Kraft hinarbeitet, darüber hinaus Ergebnisse bringen wird, daran bestehen vor allem in Israel und den palästinensischen Gebieten viele Zweifel. Washington will Ruhe in der Golfregion, um den US-amerikanischen Wählern einen Erfolg melden zu können; Israel und seine Nachbarn wollen hingegen Frieden westlich und nördlich des Jordan. So äußern israelische Politiker auch schon Bedenken. Wenn es vor allem um die Golfregion gehen sollte, wäre es besser, eine gesonderte Konferenz von Israel und den Nachbarländern abzuhalten, sagen sie. »Ich weiß nicht, was das eine mit dem anderen zu tun haben soll«, sagt Jossi Beilin vom linksliberalen Meretz/Jachad-Block, »Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass die US-amerikanische Strategie einen Ausgleich bei uns erschweren könnte. Es wäre besser, unseren eigenen Weg zu gehen.«

Saboteure

Von Frank Wehner

Fast könnte man meinen, dass im Weißen Haus die Alarmsirene schrillt, wenn sich in der Welt Vernünftiges tut. So jedenfalls ist es diesmal im Fall von Syrien: Gerade hat sich angedeutet, dass es Friedensgespräche mit Israel geben könnte, da verhängt Bush neue Sanktionen gegen dieses Land. Sie sind zwar nur Nadelstiche, doch eines werden sie schon bewirken: dass die Dialogbereitschaft schleunigst schwindet.

Nicht anders ist es mit Washingtons Nahostpolitik insgesamt. Condoleezza Rice wirbt für eine Friedenskonferenz , erhält in Jerusalem und Ramallah sogar Zusagen, dass beide Seiten aufeinander zugehen wollen. Im Reisegepäck aber schleppt sie das schwerste Rüstungspaket mit sich, das die USA jemals in der Region offerierten. Und damit Iran ja nicht auf die Idee kommt, im Atomstreit einzulenken, wird offiziell erklärt, dass die Hochrüstung vor allem gegen dieses Land gerichtet ist.

Doch nicht nur in Nahost wird Entspannung sabotiert, auch am anderen Ende des Kontinents geschieht es höchst effektvoll. Die IAEA-Inspekteure sind soeben zufrieden aus Pjöngjang zurückgekommen, da wird ein Großmanöver in Südkorea angekündigt.Die nächste Nuklearrunde, die harmonisch hätte werden können, wird das wohl kaum beflügeln. Im Nahen wie im Fernen Osten läuft es aufs Gleiche hinaus: Wer einmal auf Bushs Schurkenliste steht, dem hilft auch Wohlverhalten nichts. Weil Schurken für eine bornierte, aggressive Politik unverzichtbar sind.




Zündeln am Pulverfass

USA rüsten ihre "Partner" gegen Iran auf

Von Max Böhnel, New York *


Eine Friedenskonferenz für den Nahost-Konflikt und jede Menge Waffen für Ägypten, Saui-Arabien und Israel: Der krude Politikmischung aus dem Weißen Haus stößt in den USA bei Experten und im Kongress auf Unverständnis und Widerstand.

Die großen US-amerikanischen Medien übten sich am Freitag in Einklang: Alle betonten nach der Nahost-Reise von Außenministerin Condoleezza Rice und Pentagonchef Robert Gates das starke Interesse Washingtons an einer neuen Friedenskonferenz, die auf Wunsch des Weißen Hauses im November stattfinden soll und Saudi-Arabien neben Israel eine Vorreiterrolle einräumt. Tatsächlich hat Washington aber eine andere nahostpolitische Priorität: die Eindämmung Irans durch die massive Hochrüstung Israels und der sunnitischen arabischen Regimes.

Militärhilfe in Milliardenhöhe

Einem Vorschlag des Weißen Hauses zufolge soll innerhalb von zehn Jahren Militärhilfe in Höhe von rund 63 Milliarden Dollar in die Region fließen, davon 30,4 Milliarden Dollar an Israel, 20 Milliarden an Saudi-Arabien und die arabischen Golfstaaten sowie 13 Milliarden an Ägypten. Presseberichten zufolge ist die israelische Regierung damit einverstanden, weil mit dem 25-prozentigen Zuwachs, den das Land erhält, der »strategische Vorteil« über seine Nachbarn gewahrt bleibt. Israel spreche sich erstmals nicht gegen die Aufrüstung Saudi-Arabiens durch die USA aus, da Jerusalem sich der »iranischen Bedrohung« bewusst und an einer saudischen Gegenmacht interessiert sei.

Pentagonchef Robert Gates hatte die Reise mit den Worten begründet, die USA würden »den Problemen im Nahen Osten höchste Priorität einräumen«. Begriffe wie »Demokratisierung«, die zu Beginn des Irak-Kriegs auf Seiten der USA-Neokonservativen für Washingtons Nahostkrieg benutzt worden waren, werden inzwischen durch die traditionelle »Stabilisierung« ersetzt und erinnern an das Instrumentarium aus dem Kalten Krieg, in dem undemokratische Militärregimes von Washington massive Unterstützung erfuhren.

Realitätsverlust im Weißen Haus

Der Iran-Experte Ervand Abrahamian vom New Yorker Baruch College attestiert der USA-Regierung deshalb Realitätsverlust. Iran habe außerhalb seines Territoriums keine militärische Schlagkraft und verfüge über einen Militärhaushalt, der gerade einmal so groß sei wie der von Kuwait und den Arabischen Emiraten zusammengenommen. Und: »Iran kann zwar die Milizen in Irak unterstützen, stelllt aber keine Bedrohung Saudi-Arabiens dar.« Die angestrebte Eindämmungspolitik, so Abrahamian, werde Iran umso mehr zu einer Sichtweise treiben, derzufolge der Besitz von Atomwaffen die beste Überlebensstrategie ist.

Robert Scheer, Militärexperte der linken Wochenzeitschrift »The Nation«, wundert sich, dass ausgerechnet Riad in den Genuss von Unmengen von Hightech-Waffen made in USA kommen soll. Scheer: »Die Nation, die am direktesten für die ersten Al-Qaida-Angriffe auf die USA verantwortlich war und die Gewalt in Irak mitfinanziert, wird dafür jetzt mit einem lang ersehnten Waffenmodernisierungspaket belohnt« – ein »Kreisel des Irrsinns«. Erst vor kurzem wurde darüberhinaus in der »Los Angeles Times« bekannt, dass die Mehrheit der Selbstmordattentäter in Irak, die auf USA-Truppen zielen, aus Saudi-Arabien stammt.

Den Waffenlieferungen muss formal allerdings noch der USA-Kongress zustimmen. Die beiden demokratischen New Yorker Abgeordneten Anthony Weiner und Jerrold Nadler erklärten schon, sie würden an einer Resolution arbeiten, die den Waffendeal blockiert.

Beide Artikel und der Kommentar (im Kasten) aus: Neues Deutschland, 4. August 2007


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