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Israel wegen Menschenrechtsverletzungen scharf verurteilt

UN-Vollversammlung und UN-Menschenrechtskommission kritisieren das harte Vorgehen des israelischen Militärs gegen Palästinenser

Zwei UN-Gremien befassten sich am 20. Oktober 2000 mit der Lage im Nahen Osten. Und zwei Mal wurde Israel wegen seines überharten Vorgehens gegen Palästinenser in den Autonomiegebieten und gegen arabische Bewohner in Israel verurteilt. Während in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen die Verurteilung Israels sehr hart ausfiel, die Resolution aber nur eine knappe Mehrheit erhielt, urteilte die UN-Vollversammlung im Ton gemäßigter und erhielt eine eindeutige Mehrheit. Das Gpolitische Gewicht dieser Abstimmung dürfte damit größer sein.

Das Urteil der Menschenrechtskommission

Die UNO-Menschenrechtskommission hat Israel auf Drängen der arabischen Länder am späten Donnerstagabend in Genf zum Abschluss der Sondersession zu den besetzten palästinensischen Gebieten äußerst scharf verurteilt. In der gegen den Willen der westlichen Staaten mit einem Stimmenverhältnis von 19 zu 16 bei 17 Enthaltungen verabschiedeten Resolution wurde Israel des «unverhältnismäßigen und wahllosen Einsatzes» von Gewaltmitteln gegen «unbewaffnete palästinensische Zivilisten» bezichtigt.

Die EU und die USA hatten bis zuletzt versucht, die arabischen Staaten zur Einbringung eines weniger radikalen Textes zu bewegen. Wegen der harten Formulierungen stimmten die EU-Länder, die USA und Kanada schliesslich geschlossen gegen die Resolution. Russland enthielt sich der Stimme, China stimmte zu. In Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass es in der Menschenrechtskommission noch nie eine so knappe Abstimmung gegeben habe.

In der Resolution wurde Israel der «massiven und systematischen Verletzung fundamentaler Menschenrechte, der Massentötung, der Tötung von Kindern und der kollektiven Bestrafung», bezichtigt. Diese Vergehen wurden im Resolutionstext auch als «Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen» bezeichnet. Scharf kritisiert wurde in dem Text zudem der Besuch des Likud-Führers Ariel Sharon auf dem Tempelberg am 28. September, der gemäß der Resolution zum Auslöser der tragischen Ereignisse wurde. Die internationale Gemeinschaft wird aufgefordert, auf Israel einzuwirken, damit die Übergriffe Israels gegen die Palästinenser ein Ende nehmen.

In der Resolution wird zudem der sofortige Besuch der Region durch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, von verschiedenen UNO-Sonderberichterstattern sowie die Einsetzung einer zweiten internationalen, neutralen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorkommnisse der vergangenen Wochen in den besetzten Gebieten gefordert. Damit geben die arabischen Länder vor allem ihrem Misstrauen gegenüber der ersten Kommission Ausdruck, die anlässlich des Gipfeltreffens von Scharm el-Scheich vereinbart worden war und unter der Leitung der USA und von Uno-Generalsekretär Kofi Annan stehen wird.

Mit der Forderung der Einsetzung der zweiten Untersuchungskommission wird allerdings auch die gesamte äußerst fragile Vereinbarung von Scharm el-Scheich in Frage gestellt. Westliche Diplomaten hatten daher bis kurz vor der Abstimmung versucht, die arabischen Länder von dem Vorhaben abzubringen und sie stattdessen dazu zu bewegen, der Verabschiedung einer moderaten Präsidialerklärung zuzustimmen. Die Bemühungen blieben aber erfolglos, die arabischen Länder ließen sich bis zuletzt nicht von ihrem Konfrontationskurs abbringen. Während der Botschafter Israels, Jaakov Levy, die Resolution nachderen Annahme als Schande für die Uno-Menschenrechtskommission bezeichnete, sprach derpalästinensische Vertreter, Ramlawi, von der Rettung der Ehre der Uno-Kommission.

Unterdessen erklärte die israelische Regierung, sie wolle nicht mit der UNO-Untersuchungskommission zusammenarbeiten, die die Hintergründe der gewaltsamen Ausschreitungen in den palästinensischen Autonomiegebieten aufklären soll. Das Aussenministerium wies in einerErklärung am Freitag, den 20. 10. 2000, die Resolution der Menschenrechtskommission der UNO zurück. «Israelwird bei der Umsetzung des operativen Teils dieser Resolution nicht mitarbeiten», schrieb das Aussenministerium.

UN-Vollversammlung

Das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte gegen rebellierende Palästinenser ist von der UN-Vollversammlung in New York in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober mehrheitlich verurteilt worden. In einer Resolution wirft sie Israel „übertriebene Anwendung von Gewalt“ vor. Für die Resolution stimmten 92 Staaten, sechs Staaten stimmten dagegen und 46 Staaten enthielten sich.

Die Bundesrepublik Deutschland enthielt sich wie die meisten westlichen Länder der Stimme. Als einziges NATO-Land stimmte Frankreich für die einseitige Schuldzuweisung an Israel, die mit der Resolution ausgesprochen wurde. UN-Diplomaten führen das Abstimmungsverhalten der Franzosen auf deren wirtschaftliche Interessen in arabischen Ländern, darunter Irak, zurück. Gegen die Resolution hatten außer Israel nur die USA und vier Pazifik-Staaten gestimmnt. Die arabischen Staaten und anderen Ländern wie Kuba und China hatten die Resolution eingebracht.

Vor der Abstimmung hatten sowohl die USA als auch UN-Generalsekretär Kofi Annan vor einer einseitigen Verurteilung Israels gewarnt. Annan hatte die UN-Mitgliedsländer aufgerufen, eine andere Resolution zu erwägen. Darin sollten die Konfliktgegner vor allem zur raschen Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarung von Scharm el Scheich ermutigt werden. In der UN- Debatte wiesen zahlreiche Redner darauf hin, dass vor allem Palästinenser in den seit Wochen anhaltenden Unruhen umgekommen seien.

Quellen: Tagespresse vom 21. Oktober 2000; Nachrichten und dpa-Meldungen vom selben Tag.

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