Keine Direktverhandlungen in Sicht
Palästinenser sehen derzeit noch zu große Differenzen mit Israel / EU drängt zu Gesprächen
Im Streit um direkte Friedensverhandlungen zwischen Israel und den
Palästinensern zeichnet sich weiterhin keine rasche Lösung ab.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der
US-Nahost-Vermittler George Mitchell bemühten sich in Kairo vergeblich
um die Unterstützung Ägyptens und der Arabischen Liga. Nach den Worten
des ägyptischen Außenministers Ahmed Abul Gheit ist vor direkten
Friedensgesprächen noch mehr Arbeit notwendig, um die Differenzen
zwischen Israel und den Palästinensern zu überbrücken.
Dagegen forderte Israels Außenminister Avigdor Lieberman die
Palästinenser erneut auf, direkte Gespräche ohne Vorbedingungen zu
beginnen. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton plädierte
während einer Pressekonferenz in Jerusalem für den Beginn »umfassender
Gespräche« noch im August. »Es ist Zeit, das so schnell wie möglich zu
erreichen.«
Die EU-Chefdiplomatin verwies dabei auf bevorstehende Ereignisse im
September. Dann läuft eine vier Monate lange Frist aus, die sich die
Palästinenser und die Arabische Liga für indirekte Verhandlungen mit
Hilfe des US-Vermittlers gesetzt haben. Außerdem endet am 26. September
ein befristeter Baustopp Israels im Westjordanland. Israels
Ministerpräsident Netanjahu ist aber nur zu weiteren Gesten des guten
Willens bereit, wenn die Palästinenser in direkte Verhandlungen einwilligen.
In Kairo sprach Präsident Husni Mubarak mit den drei Hauptbeteiligten am
Friedensprozess: dem israelischen Regierungschef Netanjahu,
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und US-Vermittler Mitchell.
Netanjahu wollte nach israelischen Medienberichten Mubarak dazu bewegen,
Druck auf die Palästinenserführung auszuüben, damit sie direkten
Friedensverhandlungen zustimmt.
Mehrere arabische Politiker und Abbas, der Mubarak ebenfalls traf,
hatten sich zuvor bereits gegen »leere direkte Verhandlungen«
ausgesprochen. Sie behaupten, die israelische Regierung wolle nur
verhandeln, um Zeit für den Bau neuer Siedlungen und Sperranlagen zu
gewinnen. Abbas hatte nach einem Gespräch mit Mitchell die Aufnahme
direkter Friedensgespräche mit Israel abgelehnt.
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sagte nach seinem
Gespräch mit dem US-Nahostbeauftragten, die Araber seien im Gegensatz
zur US-Regierung nicht der Meinung, dass alle Probleme in direkten
Verhandlungen zu lösen seien. »Es gibt keinen Automatismus für den
Übergang von indirekten zu direkten Verhandlungen, wenn es in den
Bereichen Sicherheit und Grenzen keine Fortschritte gibt.«
Die Bemühungen um Fortschritte in Nahost wurden durch einen Vorschlag
des israelischen Außenministers Lieberman zur Zukunft des Gaza-Streifens
beeinträchtigt. Lieberman will Israels Grenze zu dem Palästinensergebiet
hermetisch abriegeln. Die Verantwortung für den übervölkerten Landstrich
könnten dann die im Gaza-Streifen herrschende Hamas-Organisation, das
Nachbarland Ägypten sowie die internationale Gemeinschaft übernehmen.
Mubarak und Abbas reagierten verärgert. Sowohl die Hamas als auch die
moderate Palästinenserführung lehnten den Vorschlag umgehend ab. Ashton
wies die Idee ebenfalls zurück. Die EU halte an einer
Zwei-Staaten-Lösung fest und der Gaza-Streifen sollte ein Teil davon
sein, sagte sie.
Die EU-Chefdiplomatin will nach eigenen Worten das Leben der 1,5
Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen verbessern. Es reiche nicht,
nur den Transport von Hilfsgütern in das Palästinensergebiet zuzulassen,
sagte sie. »Wir wollen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, sich
frei zu bewegen und dass Waren nicht nur nach Gaza hereinkommen, sondern
Exporte auch aus Gaza herausgehen«, sagte sie.
* Aus: Neues Deutschland, 20. Juli 2010
Leerverhandlungen
Von Roland Etzel **
Auf einmal wird aufs Tempo gedrückt im Nahen Osten. Wiewohl das Thema
seinen Stammplatz weit oben auf der Weltagenda der ungelösten Probleme
nie verloren hatte - diplomatische Aktivitäten dazu waren in diesem Jahr
fast gänzlich verkümmert. Zu sicher schien der Misserfolg: angesichts
einer israelischen Regierung, die glaubt, auf Grund ihrer erdrückenden
militärischen Überlegenheit keinerlei Zugeständnisse mehr nötig zu
haben; einer palästinensischen Bewegung, die innerlich tief gespalten
und so handlungsschwach ist wie nie in ihrer 40-jährigen Existenz; eines
US-Präsidenten, dessen nahöstliche Friedensvisionen bei der Kollision
mit den realen Kräfteverhältnissen - einschließlich derer in seiner
eigenen Partei - wie Seifenblasen zerplatzten; einem sogenannten
Nahostquartett, in dem Russland nur als Fehlfarbe besetzt ist; eines
Quartettsonderbeauftragten Blair, der nie in Gaza war ...
Doch plötzlich wird wieder eifrig konferiert. Netanjahu in Kairo, Ashton
in Gaza, Mitchell in Ramallah. Die Voraussetzungen sind zwar
unverändert, doch wird jetzt von Zeitdruck geredet. Die
EU-Außenbeauftragte Ashton drängt die Palästinenser zum Beispiel deshalb
zur Eile, weil Ende September Netanjahus selbsterklärtes
Siedlungsbau-Moratorium ausläuft. Warum gilt der Druck nicht Israel, den
Baustopp wenigstens zu verlängern? Mit der Akzeptanz dieses Datums
verleiht Ashton den israelischen Landbesetzungen im Nachhinein sogar
noch Legitimität.
Noch weigert sich Abbas - wie er sagt -, »leere Verhandlungen« mit
Netanjahu zu führen. Doch wie lange? Den Palästinensern fehlt es an
nennenswerter Rückendeckung aus dem Ausland. Die gibt es, anders als in
der Vergangenheit, entgegen allen wortreichen Bekundungen weder aus
Kairo noch aus Riad und schon gar nicht aus Moskau.
** Aus: Neues Deutschland, 20. Juli 2010 (Kommentar)
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