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Paketlösung für Deal mit Nahostparteien

US-Außenminister drängt Israel und Palästinenserführung zu vorläufiger Übereinkunft

Von Oliver Eberhardt *

Bei den Nahostverhandlungen hat sich am Dienstag eine Lösung abgezeichnet, bei der Gefangene freikommen sollen und die Verhandlungsdauer verlängert wird.

Israels Regierung erwägt, mehr als 400 palästinensische Gefangene freizulassen; im Gegenzug wollen die USA den israelischen Spion Jonathan Pollard begnadigen. Noch ist nichts entschieden, doch die USA-Verhandlungsdelegation bereitet sich auf eine längere Präsenz in der Region vor: Über 4000 Hotelübernachtungen hat die US- Botschaft in den vergangenen Tagen in Jerusalemer Hotels gebucht – ein Zeichen, dass man den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern noch nicht aufgegeben hat.

Unermüdlich versucht US-Außenminister John Kerry derzeit, die stockenden Verhandlungen anzuschieben, beide Seiten dazu zu bewegen, über den selbst gesetzten Endpunkt, den 29. April, am Gesprächstisch zu bleiben. Ein Disput, in dem Kerry nun den amerikanischen Trumpf gezogen hat: Während eines Treffens mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Montagabend bot er die Begnadigung des seit 1985 in den USA einsitzenden israelischen Spions Jonathan Pollard an – eine Geste, die vor allem der israelischen Rechten jene Zugeständnisse versüßen soll, die notwendig sind, um die palästinensische Führung dazu zu bewegen, weiter zu verhandeln.

Der Deal: Im Austausch für Pollard würde Israel nicht nur die ursprünglich vorgesehenen 26 Langzeitgefangenen, sondern auch 400 weitere Häftlinge freilassen. Darüber hinaus soll ein teilweiser Baustopp in den israelischen Siedlungen außerhalb Jerusalems verhängt werden. Die Regierung würde kein Land für private Bauprojekte mehr zur Verfügung stellen, keine weiteren Baupläne mehr aufstellen und sämtliche öffentlichen Bauprojekte im Westjordanland einstellen. Außerdem soll die Allenby-Brücke, der einzige Grenzübergang zwischen Jordanien und der Westbank, künftig rund um die Uhr geöffnet bleiben; die Ein- und Ausreisegebühren für Palästinenser sollen massiv gesenkt werden.

Bislang hatte die palästinensische Führung stets betont, die Verhandlungen nicht über den April hinaus verlängern zu wollen; die für das vergangene Wochenende vorgesehene vierte und letzte Stufe der Gefangenenfreilassung war darüber gescheitert. Unter dem Eindruck der nun im Raume stehenden Vereinbarung hat man allerdings am Dienstag in Ramallah begonnen umzudenken. Präsident Mahmud Abbas, der, so ein Mitarbeiter, »nicht abgeneigt« sei, traf sich am Nachmittag mit Funktionären seiner Fatah-Fraktion, um sie von dem Vorschlag zu überzeugen.

Doch es gibt auch weiterhin Fallstricke: US-Sicherheitspolitiker, vor allem Republikaner, sind vehement gegen eine Begnadigung Pollards, auch auf Seiten der israelischen Rechten regt sich Widerstand. So sehr man dort Pollard freihaben will – man will es nicht im Austausch gegen palästinensische Gefangene. Am Nachmittag kündigte die Partei »Jüdisches Heim« an, die Regierung zu verlassen, falls es dazu kommen sollte.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. April 2014


Der ganz kleine Nahostfrieden

Roland Etzel zu einer möglichen Vereinbarung Israel–Palästina **

Man sollte den Deal nicht schlechter machen, als er ist. Er ist wahrlich schlecht genug. Was US-Außenminister Kerry da mit den israelischen und den palästinensischen Verhandlern vereinbarte und demnächst wohl als die versprochene Nahostvereinbarung präsentieren möchte, ist keineswegs der große Frieden und vielleicht nicht einmal der kleine Waffenstillstand. Kein einziges der Schlüsselprobleme – Flüchtlingsrückkehr, Jerusalem-Status, Siedlungsräumung – ist einer einvernehmlichen Lösung näher. Man ist nicht weiter als vor 20 Jahren nach den Oslo-Abkommen.

Also pure Enttäuschung? Keinesfalls. Schon gar nicht für jene, die nach zum Teil jahrzehntelanger Haft freikommen. Und was das »große Ganze« dieses Jahrhundertkonflikts betrifft: War es wirklich realistisch, gerade jetzt eine umfassende Friedenslösung für möglich zu halten – wo es ringsherum brennt in Irak, Libanon, Syrien? Es gibt regional derzeit andere Prioritäten. Da ist ein ganz kleiner Nahostfrieden nicht ganz wenig.

Kerry hat im letzten Herbst als relativ unerfahrener US-Außenminister die Backen weit aufgeblasen und kommt nun über ein dünnes Pfeifen nicht hinaus. Das kann nicht sehr überraschen. Doch immerhin zeigt er Aktivität. Von den übrigen drei Mitgliedern des Nahostquartetts – EU, Russland und UNO – kann nicht einmal das behauptet werden.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 2. April 2014 (Kommentar)


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