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Gesprächsfaden noch nicht abgerissen

Trotz Unmutsbekundungen auf beiden Seiten geht der israelisch-palästinensische Dialog weiter

Von Oliver Eberhardt *

Obwohl Israels Regierung weitere Sanktionen gegen die Palästinenser verhängt hat, gehen die Bemühungen um eine Rettung der Friedensgespräche weiter. Die Chancen sind gering.

Es ist Montag, der erste Tag des jüdischen Pessachfestes, und in der Region ist alles fast wie immer zu dieser Zeit.

Israel hat sich in die Feiertagsruhe begeben, und die Übergänge ins Westjordanland abgeriegelt. In Ostjerusalem sind Polizei und Militär noch präsenter als sonst.

Denn bei den Palästinensern ist der Ärger groß: Weil Israel die letzte vereinbarte Gruppe von Gefangenen nicht freigelassen hat, weigert sich Palästinas Regierung, über den 29. April, den ursprünglichen Endpunkt, hinaus, am Verhandlungstisch zu bleiben; Präsident Mahmud Abbas hat zudem 13 internationale Konventionen, darunter die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung, unterschrieben. Und um die Palästinenser davon abzubringen, hat Israels Regierung seit der vergangenen Woche mehrere Strafmaßnahmen ergriffen. Die wichtigsten: Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Ministerialdirektoren und Ministern Kontakte zu ihren palästinensischen Kollegen untersagt. Davon ausgenommen sind alle sicherheitsrelevanten Ministerien sowie die israelische Chefunterhändlerin, Justizministerin Zipi Livni.

Außerdem soll die Zahlung der Zoll- und Umsatzsteuereinnahmen auf für die Palästinenser bestimmte Wareneinfuhren eingestellt werden. Sie stehen den Palästinensern gemäß Pariser Protokoll von 1994 zu.

Beide Sanktionen sind bei genauerer Betrachtung zunächst nur symbolischer Natur. Kontakte zwischen hochrangigen Vertretern von nicht sicherheitsrelevanten Ministerien sind ausgesprochen selten; das Tagesgeschäft wird auf Abteilungsleiterebene abgewickelt. Und die Zoll- und Steuerzahlungen für diesen Monat wurden bereits überwiesen.

Saeb Erekat, Chefunterhändler der palästinensischen Regierung, nennt die Sanktionen dennoch »Piraterie« und »Erpressung«. Man werde von den legitimen Forderungen nicht abrücken. Es sei nicht das erste Mal, dass Israel die Zahlungen einstellt. Man sei mittlerweile sogar daran gewöhnt: »Israels Regierung sollte aber gelernt haben, dass wir uns dadurch nicht beeinflussen lassen.«

Und trotzdem: Immer wieder trifft Erekat sich abends mit Livni. Was dabei besprochen wird, ist unbekannt. Anders als bei den früheren offiziellen Verhandlungsterminen sind diesmal nur wenige weitere Personen mit im Raum. Dadurch, heißt es auf beiden Seiten, solle das Risiko minimiert werden, dass jemand mit den Medien spricht.

Beide Seiten stehen unter extremem Druck. Die Öffentlichkeit hüben wie drüben beobachtet die Verhandlungen sehr aufmerksam. In Palästina ist ein Streit entbrannt zwischen Präsident Abbas, der weitere Verhandlungen befürwortet, und dem für die Außenpolitik zuständigen Exekutivrat der PLO, dessen Mitglieder einer Fortsetzung überwiegend kritisch gegenüberstehen.

In Israel hat sich über der Frage von Gefangenenfreilassungen und anderen Zugeständnissen eine Koalitionskrise entwickelt: In der vergangenen Woche forderte Handelsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei die Annexion der Gebiete, die gemäß Osloer Übereinkünften unter militärischer und ziviler Kontrolle Israels stehen, während die linksgerichteten Partner mit dem Bruch der Koalition drohen, falls die Verhandlungen nicht weitergehen.

Darüber hinaus fährt auch die internationale Gemeinschaft einen zunehmend härteren Kurs. US-Außenminister John Kerry hat Israels Regierung indirekt die Schuld an der aktuellen Situation zugesprochen; sowohl die USA als auch die Europäische Union haben zudem klargestellt, dass sie keinesfalls wieder zur Tagesordnung übergehen werden, falls die Verhandlungen endgültig scheitern sollten.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 15. April 2014


Weiter am Tisch

Nahost-Friedensgespräche werden fortgesetzt **

Die Nahost-Friedensgespräche sollen nach Angaben aus Washington auch nach Ablauf der bisherigen Frist am 29. April fortgesetzt werden.

»Beide Seiten haben uns gesagt, dass sie die Verhandlungen fortführen wollen, und sie suchen nach einem Weg, um genau dies zu erreichen«, sagte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki in Washington. Ein für Mittwoch geplantes Treffen der Verhandlungsführer wurde nach israelischen Angaben allerdings verschoben. Von palästinensischer Seite hieß es, die Gesprächsrunde werde nun an diesem Donnerstag stattfinden, um es US-Vermittler Martin Indyk zu ermöglichen, daran teilzunehmen.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor die Friedensfähigkeit der palästinensischen Führung in Frage gestellt. Er gab ihr die Mitschuld an einem am Montagabend verübten tödlichen Anschlag auf einen ranghohen israelischen Polizeioffizier im Westjordanland. Der Mord sei das »Ergebnis des Aufrufs zum Hass der Anführer der Palästinensischen Autonomiebehörde« gegen Israel. Der Ministerpräsident kritisierte zudem, dass die Autonomiebehörde den Mord nicht verurteilt habe.

Der von den USA vermittelte Friedensprozess war Ende März in eine tiefe Krise geraten, als die israelische Regierung von ihrer Zusage abrückte, weitere palästinensische Gefangene freizulassen und kurz darauf den Bau neuer Siedlerwohnungen im annektierten Ostjerusalem ausschrieb. Die Palästinenserführung stellte daraufhin Beitrittsgesuche zu internationalen Konventionen, um auf diesem Weg ihre internationale Anerkennung gegen den Widerstand Israels voranzubringen.

Bei einer Explosion im südlichen Gaza-Streifen starben am Mittwoch nach Angaben der dort regierenden Hamas-Bewegung drei Palästinenser, fünf weitere wurden schwer verletzt. Die Ursache der Explosion war zunächst unklar. Zeugen berichteten, sie habe sich in einem Ausbildungslager des bewaffneten Arms der Hamas, der Essedin-al-Kassam-Brigaden, östlich der Stadt Chan Junis ereignet.

Auf dem Tempelberg in Ostjerusalem, auf dem die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen, gab es unterdessen Zusammenstöße zwischen israelischen Polizisten und muslimischen Demonstranten. Wie ein AFP-Reporter berichtete, wurden dabei Dutzende Palästinenser verletzt. Die israelische Polizei erklärte, Palästinenser hätten »Steine und Knallkörper« auf die Polizisten geworfen, als diese den Tempelberg für Juden öffneten. Die Polizei habe mit Blendgranaten geantwortet.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 17. April 2014


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