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"Nur Wiedergutmachung führt zu wirklicher Freundschaft"

Ben Ulenga zum Völkermord an den Herero und Nama in Namibia

Im Folgenden dokumentieren wir ein Interview mit Ben Ulenga, dem Vorsitzenden der namibischen Oppositionspartei "Congress of Democrats" (CoD). Das "Neue Deutschland" hat es am 8. Januar 2006 veröffentlicht.



Die meisten deutschen Medien sind über die einstimmige Entschließung des namibischen Parlaments zum Recht der Herero und Nama auf Wiedergutmachung wegen des Völkermords unter General von Trotha schweigend hinweggegangen. Überraschend war, dass auch die Regierungspartei SWAPO den Antrag unterstützte. Wie erklären Sie sich das?

Die Forderungen nach Wiedergutmachung nahmen einen solchen Druck an, dass der SWAPO klar wurde, sie würde bei den betroffenen Volksgruppen politische Unterstützung verlieren, falls sie diese Forderungen nicht unterstützt. Dennoch ist die Haltung der SWAPO zu Reparationen weiterhin sehr zweideutig.

Es war das erste Mal in den 16 Jahren der Unabhängigkeit, dass das namibische Parlament so ausführlich den deutschen Völkermord und seine Nachwirkungen erörterte. Welche Gründe hat die Zunahme des Interesses?

2004 gab es die Gedenkfeiern zum Krieg zwischen den Deutschen und den Herero vor 100 Jahren (1904 bis 1907), und in jenem Jahr – allerdings hatte es schon vorher einige namibischen Kampagnen einschließlich der gerichtlichen Klagen vor US-Gerichten gegeben – wuchs das öffentliche Bewusstsein in Bezug auf Völkermord und Reparationen unter Namibiern enorm. Das schloss auch auch Vertreter der politischen Parteien ein.

Welche Konsequenzen kann die Parlamentsresolution Ihrer Meinung nach haben?

Ich hoffe, dass die deutsche Regierung nun ernsthafter mit Namibia verhandeln wird, um zu einer Vereinbarung über Umfang und Breite der Reparationen zu gelangen. Aber das bleibt abzuwarten. Die Rede von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul vom August 2004, in der sie den Völkermord erstmals öffentlich einräumte und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bat, wurde weithin als ein Durchbruch gewertet. Aber ein wirklicher Dialog, an dessen Ende eine Versöhnung stehen könnte, hat noch nicht begonnen.

Teilen Sie die Zweifel von Minister Tjiriange (SWAPO), dass die deutsche Ministerin vielleicht gar keine richtige Entschuldigung ausgesprochen hat?

Nein, ich denke, die Deutschen wollten das wirklich zugeben und sich entschuldigen. Und die Namibier sollten meiner Meinung nach sie Sache zu ihrem logischen Schluss bringen: einer Vereinbarung über Wiedergutmachung.

Herero-Teilnehmer haben auf einer Konferenz über den Völkermord in Berlin vor einigen Wochen die Ansicht vertreten, das Ausbleiben deutscher Wiedergutmachung halte Wunden offen und behindere den Prozess der Heilung. Würden Sie dem zustimmen?

Ich habe keinen Zweifel, dass nur Wiedergutmachung zu einem Verhältnis wirklicher Freundschaft zwischen Namibia und Deutschland führen wird.

Häuptling Riruako und andere Führer der Herero haben wiederholt erklärt, dass es ihnen hauptsächlich um die Wiederherstellung der Würde der Nachkommen der Opfer geht. Lässt sich das ohne materielle Wiedergutmachung durch den deutschen Staat erreichen?

Materielle Wiedergutmachung durch den deutschen Staat ist absolut essenziell für den Heilungsprozess und die Wiederherstellung der Würde der Herero und Nama. Sie sind seit dem Krieg von 1904 bis 1907 gebrochene Völker.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Januar 2007


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