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Namibia diskutiert über Hotpants

Statt Opfer zu schützen verhaftet die Polizei des afrikanischen Landes junge Frauen

Von Christian Selz, Windhuk *

Versucht haben sie einiges in Namibia, um der zahlreichen Vergewaltigungen im Land Herr zu werden. In der Hauptstadt Windhuk entsteht gerade eine 150 Meter lange Fußgängerbrücke über ein dicht bewachsenes, meist allerdings trockenes Flußbett. Unweit des massiven Bauwerks war vor zweieinhalb Jahren die 17jährige Schülerin Magdalena Stoffels vergewaltigt und ermordet worden, die Brücke soll ihren Namen tragen. Der Generalinspektor der namibischen Polizei, Sebastian Ndeitunga, hat allerdings auch drastische Maßnahme parat: Er will Frauen in dem südwest¬afrikanischen Land das Tragen von Miniröcken und Hotpants verbieten. In der nordnamibischen Kleinstadt Rundu verhafteten Polizisten bereits 40 junge Frauen in kurzen Beinkleidern. Erst am folgenden Morgen wurden sie nach einer Verwarnung in Anwesenheit ihrer Eltern wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Sturm der Empörung ließ nicht lange auf sich warten, doch Ndeitungas Position erhielt in Leserbriefen und Radioanrufen auch reichlich Zustimmung. Namibia steht vor einem handfesten Gesellschaftskonflikt.

»Wir müssen die Wichtigkeit von Kultur insbesondere gegenüber jungen Leuten unterstreichen, und das schließt die Art, sich zu kleiden, ein«, sagte Ndeitunga, der seine Verhaftungsbefehl inzwischen dementiert, der Namibischen Presse Agentur (Nampa). Das Totschlagargument, knappe Kleidung entspreche nicht afrikanischer Kultur, taucht in der Debatte um die hohen Vergewaltigungsraten in den Ländern des südlichen Afrikas immer wieder auf, nicht selten als unverhohlener Schuldvorwurf an die Opfer. Dahinter steckt allerdings weniger ein echter afrikanischer Kulturkampf als vielmehr der enorme Einfluß des Christentums in der Region. »Die Kirche legt den Standard fest«, sagt der Historiker Shampapi Shiremo und verweist auf die Lendenschurze aus der Zeit vor der Kolonialisierung. »Die Kirche«, fährt er fort, »hat eine Kampagne gegen die afrikanische Kultur gefahren.« Der namibische Staat mischt dabei munter mit. Der Minirock-Skandal ist auch Ausdruck eines zunehmend autoritär regierten Landes. Der Menschenrechtsanwalt John Nakuta hält die Verfolgung und Verhaftungen von Minirockträgerinnen schlicht für verfassungswidrig, die Polizei beruft sich dagegen auf ein zuletzt im Jahr 2000 geändertes Gesetz, das das Tragen »offenlegender Kleidung« verbietet.

»Miniröcke mit Gewalt gegen Frauen in Verbindung zu bringen, verschleiert das Problem«, hielt die Frauenrechtlerin Merab Kambamu-Kiremire am Mittwoch abend bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion zum Thema »Miniröcke, Hotpants, afrikanische Kultur und die Verfassung« an der Universität von Namibia in Windhuk dagegen. Der Gesellschaft werde so zudem das Gefühl gegeben, man dürfe gegen Frauen, die Miniröcke tragen, vorgehen. Erst am Wochenende war in Windhuk erneut eine 15jährige vergewaltigt und ermordet worden, die Täter hatten sie wegen ihres kurzen Rockes »bestrafen« wollen. Die Polizei solle sich, anstatt Frauen zu verfolgen, auf die Täter konzentrieren, forderte Kambamu-Kiremire daher und erhielt Unterstützung von der Vorsitzenden des parlamentarischen Komitees für Geschlechtergleichberechtigung und Familien, Alexia Manombe-Ncube. »Sie mißbrauchen das Gesetz selektiv gegen Frauen«, so die Politikerin der regierenden SWAPO.

* Aus: junge Welt, Samstag, 9. März 2013


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