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Afrika hat seine eigenen Helden

Aus Lüderitz wird Nami Nüs – Namibias Präsident bestätigte offiziell die Umbenennung kolonialer Bezeichnungen

Von Hilmar König, Windhuk *

Namibia bleibt bei seinem Kurs, die Kolonialgeschichte aufzuarbeiten und sich der Namen ausländischer »Entdecker« zu entledigen.

Das bestätigte Staatspräsident Hifikepunye Pohamba, als er offiziell die Umbenennung der Hafenstadt Lüderitz in die lokale Bezeichnung Nami Nüs absegnete. Sie bedeutet in Khoekhoegowab, einer mit Knacklauten versehenen Khoisan-Sprache, »umarmen«. Das Staatsoberhaupt beendete damit Ende September eine durch widersprüchliche Aussagen verschiedener Minister entstandene Kontroverse.

Zugleich bestätigte Pohamba den Namenswechsel des Caprivi-Zipfels in Sambesi-Region und der Ortschaft Schuckmannsburg in Luhonono. Bruno von Schuckmann war kaiserlicher Gouverneur der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Leo von Caprivi, preußischer Infanteriegeneral und von 1890 bis 1894 Bismarcks Nachfolger als kaiserlicher Reichskanzler, führte 1890 die Verhandlungen mit London, die zum Helgoland-Sansibar-Vertrag führten.

Als ein wichtiges Ziel aus deutscher Sicht sollte die Vereinbarung den Grundstein für eine Landverbindung von Deutsch-Südwestafrika zu den Kolonien im Osten des Kontinents legen, eben den heutigen, etwa 450 km langen und 30 km breiten, an Angola, Sambia und Botsuana grenzenden Gebietszipfel.

Der Bremer Großkaufmann Adolf Lüderitz setzte gemeinsam mit seinem Landsmann Heinrich Vogelsang 1883 die Absicht um, einen Teil Südwestafrikas, das heutige Namibia, zu kolonisieren. Mit betrügerischen Handelspraktiken und später mit brutaler Gewalt und Völkermord riss sich das deutsche Kaiserreich bis 1919 »Südwest« unter den Nagel. Alle vier Namen stehen somit für das rigorose imperiale Expansionsstreben Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg.

Nambia geht den Prozess der Umbenennung und Rückbesinnung behutsam an, wohl wissend, dass eine Namensänderung nur ein erster kleiner Schritt der Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit ist. In der Hauptstadt Windhuk kündet nicht nur das im vorigen Jahr an eine andere Stelle gesetzte Reiterdenkmal für die gefallenen deutschen Soldaten von den einstigen Herren. Viele Straßen tragen neben einheimischen, englischen und Afrikaansbezeichnungen auch deutsche Namen: darunter noch Lüderitz, Schuckmann, Caprivi und Vogelsang, Bismarck oder Daimler und Mercedes, Heidrich, Robert Koch, Bach und Beethoven, Luther und Uhland sowie aus jüngerer Zeit Hans Dietrich Genscher. Es gibt einen Schanzen- und einen Panoramaweg, Am Wasserberg, die Bahnhof Street, die Dortmund, die Danzig und die Berlin Straße. Die frühere Kaiser Wilhelm Straße heißt inzwischen Independence Avenue.

Im Jahre 2011 kam es zu Protesten und einem Gerichtsurteil, nachdem die Gloudina Street im vorwiegend von wohlhabenden Weißen bewohnten Stadtteil Ludwigsdorf in Joseph Mukwayu Ithana Street – ein ehemaliger herausragender Kämpfer der Befreiungsorganisation SWAPO – umgetauft worden war. Hin und wieder regt sich auch jetzt noch nie stichhaltig begründeter Widerstand gegen Umbenennungen.

Doch die Zeitung »Southern Times« machte in einem ausführlichen Beitrag »Kolonialismus von der Landkarte tilgen« klar, dass mehr hinter den Namensänderungen steckt. Das Blatt ließ Zenzil Khoisan zu Wort kommen, den Sekretär der südafrikanischen Gruppe »Khoisan First Nation Indigenous Status«. Dieser lobt Nambia und fordert: »Die ursprünglichen Namen müssen wiederhergestellt werden.« Das bedeute nämlich zu akzeptieren und bewusst zu machen, dass es vor dem Kolonialismus eine Geschichte gab, an die zu erinnern sich lohnt, sowie eine Bevölkerung, die unter gewaltsamer Enteignung und Entwurzelung litt. Die Umbenennung sei ein Schritt, die Rechte der Einheimischen anzuerkennen und wiederherzustellen.

Ein Leserbrief in der namibischen Zeitung »Confidente« schlägt genau in diese Kerbe: Die den Afrikanern eingebrannten Male schmerzlicher Fremdherrschaft sollten konsequent getilgt werden, um einheimische Identität, Würde und Nationalstolz zu unterstreichen und die namibische Wiedergeburt zu fördern. Der Leser unterbreitete eine Reihe von Vorschlägen für weitere Namensänderungen, so für Orange River, Karasburg, Mariental, Warmbad, Swakopmund und Leonardville.

Ein vehementer Verfechter der Umbenennungen ist der Gambier William Bright. Es sei eine Schande, dass viele Wahrzeichen Afrikas, beispielsweise der Viktoria-See, noch nicht die alten afrikanischen Namen tragen. »Wir müssen unser Erbe bewahren, das jene vor so langer Zeit brutal vergraben haben, die uns überfielen und heimsuchten«, fordert er.

Afrika, so der Autor Mabasa Sasa in der Zeitung »The Namibian«, hat seine eigenen Helden. Die und nicht ausländische Eroberer und sogenannte Entdecker sollten geehrt werden, indem Straßen, Plätze, Flughäfen, Sportstadien und andere Bauten im öffentlichen Raum ihren Namen tragen.

In Windhuk stößt man gar nicht mehr so selten auf sie – den Sam Nujoma und den Frankie Fredericks Drive, die Nelson Mandela Avenue, die Dr. Agostinho Neto und die Dr. Kenneth Kaunda Road oder die Dr. Kwame Nkrumah Street, aber auch die Gaddafi Street und die Robert Mugabe Avenue.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 15. Oktober 2013


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