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SWAPO lässt wechseln

Trotz Protesten in der Hauptstadt: Namibias nächster Präsident steht bereits vor der Wahl am Freitag nahezu fest

Von Christian Selz *

Namibias Seeleute durften sich bereits entscheiden. Zumindest diejenigen, die am morgigen Freitag durch die rauhen Wogen des Atlantiks steuern werden. Ihre Landsleute zu Lande wählen dann ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Der wird aller Wahrscheinlichkeit nach Hage Geingob heißen. Die Seefahrer des südwestafrikanischen Landes jedenfalls votierten bereits zu 83 Prozent für den 73jährigen. Seine Partei, die ehemalige Befreiungsorganisation SWAPO, bekam gar 88 Prozent der bereits vor zwei Wochen abgegebenen 1.815 Stimmen. Die Stichprobe ist bei rund 1,2 Millionen Wahlberechtigten zwar klein, doch das politische Klima in Namibia ist für gewöhnlich wesentlich weniger rauh als der Seegang zwischen Oranje-Mündung und Skelettküste. Seit den ersten demokratischen Wahlen 1989 hat die SWAPO immer mindestens eine Zweidrittelmehrheit errungen, und es deutet wenig daraufhin, dass sich daran am Freitag etwas ändern wird. Dennoch rumort es in der einstigen deutschen Kolonie.

Es geht um die Ungleichverteilung von Wohlstand, die in kaum einem Land weltweit so extrem ist wie in Namibia, und es geht um Land. Tausende Namibier protestierten deshalb am vergangenen Freitag vor dem Büro der Stadtverwaltung in der Hauptstadt Windhuk, wo sie gleichzeitig gesammelt ihre Anträge auf Zuteilung eines Grundstücks abgaben. 2.000 solcher Schreiben hatte die Initiative »Affirmative Repositioning« sammeln wollen, deren Name soviel wie »positive Neuplazierung« bedeutet. 14.059 Anträge sind es letztlich geworden, so Kampagnensprecher Job Amupanda gegenüber der Zeitung The Namibian. Der Sprecher der SWAPO-Jugendliga hat sich an die Spitze des Protestes der weitgehend arbeits-, mittel- und perspektivlosen Jugend gestellt. »Das ist nur der Anfang, wir werden das Land bekommen - entweder über die Verfahren, oder wir helfen uns selbst«, drohte Amupanda. Seitdem er im November mit einigen Verbündeten im wohlhabenden Süden der Hauptstadt ein Grundstück besetzte, ist der Jungpolitiker von seinem Jugendliga-Posten suspendiert - und gibt sich zunehmend kämpferisch. »Wir werden von Leuten regiert, die die Probleme der Jugendlichen nicht verstehen. Sie sind nur darauf bedacht, sich selbst zu bereichern«, kritisierte Amupanda zu Wochenbeginn gegenüber der Deutschen Welle die eigenen Parteigenossen.

Dass der Landkonflikt die SWAPO, die sich nach der offiziellen Unabhängigkeit von der südafrikanischen Besatzungsmacht 1990 relativ schnell von ihren sozialistischen Grundsätzen verabschiedete, schon bei den Wahlen in Bedrängnis bringen könnte, ist dennoch unwahrscheinlich. Die Bindung der Namibier an die ehemalige Befreiungsbewegung und deren überschaubare, aber unbestrittene Errungenschaften beim Ausbau der öffentlichen Infrastruktur geben der Regierungspartei einen uneinholbaren Vorsprung. In der Wahrnehmung vieler Namibier war es eben nicht der Staat, sondern die SWAPO, die für den Stromanschluss, die Trinkwasserleitung und den Bau der neuen Schule im Dorf verantwortlich zeichnete. Die Opposition ist chronisch schwach und zerstritten und stellt keine Herausforderung dar, die wesentlichen politischen Kämpfe Namibias finden innerhalb der SWAPO statt.

Geingob gilt dort als Vertreter des eher linken Flügels innerhalb der sozialdemokratisch ausgerichteten Partei. Als Kirchen und linke Organisationen in Namibia 2008 als Pilotprojekt in einem Dorf ein bedingungsloses Grundeinkommen einführten, unterstützte er das Bündnis. Die Regierung des amtierenden Präsidenten Hifikepunye Pohamba ließ das Projekt trotz in mehreren Studien belegter Erfolge jedoch am langen Arm verhungern. Dass der gleiche Pohamba nun ausgerechnet Geingob zu seinem Nachfolger aufgebaut hat, dürfte daher auch im Bestreben der SWAPO begründet liegen, sich ein volksnahes Image zu geben. Geingob ist ein populärer Veteran des Befreiungskampfes, der die schwarze Mehrheit seines Volkes von 1964 bis 1989 in verschiedenen Funktionen bei den Vereinten Nationen in New York vertrat. Bereits in der ersten Regierung diente er unter dem »Vater der Nation«, Sam Nujoma, zwölf Jahre als Premier.

Abzuwarten bleibt, wie groß Geingobs Handlungsspielraum tatsächlich wird. Sein Vorgänger Pohamba, der nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren darf, wird den extrem einflussreichen Parteivorsitz nicht abgeben und könnte das Land so indirekt aus dem SWAPO-Hauptquartier weiterregieren.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. November 2014


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