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Blockade des Friedens

Kathmandu: Rund 150.000 Demonstranten forderten ein Ende der Gewalt und Verhandlungen zwischen den maoistischen Rebellen und der Regierung Nepals

Von Hilmar König*

Es war die größte Friedensdemonstration, die das Königreich Nepal je erlebte. Nach Angaben der Organisatoren - 300 Gruppen und Verbände - beteiligten sich an dem Marsch am Montag in Kathmandu rund 150000 Menschen. Studenten, Schüler und Lehrer, Menschenrechtsaktivisten, Sozialarbeiter, Künstler, Arbeiter und Angestellte bekundeten ihre Ablehnung von Gewalt und Gegengewalt. In Sprechchören wie "Laßt uns in Frieden leben" oder "Jetzt reicht's. Mehr wollen wir nicht hinnehmen" machten sie ihrem Ärger über die gegenwärtige Situation in Sprechchören Luft. Auf Plakaten war zu lesen: "Gebt dem Frieden eine Chance" und "Bleistifte statt Gewehre".

Den aktuellen Hintergrund des Massenprotestes bildet die zweite Blockade der nepalischen Hauptstadt im Verlaufe von vier Monaten. Seit inzwischen sechs Tagen riegeln die maoistischen Rebellen die Zufahrtswege mit der Begründung ab, die Sicherheitskräfte seien für das spurlose Verschwinden von Guerillamitgliedern verantwortlich. Vor allem die Nahrungsmittellieferungen für die 1,5 Millionen Einwohner Kathmandus wurden durch die Blockade spürbar beeinträchtigt. Erst mit einem von Soldaten begleiteten LKW-Konvoi, der Lebensmittel und Brennstoff transportierte, konnte das Schlimmste verhindert werden. Die Guerilla will mit solchen Aktionen beweisen, daß sie nicht nur weite ländliche Gebiete im Griff hat, sondern ihre Präsenz auch in den Städten wirksam machen kann. Allerdings verspielt sie sich damit eventuelle Sympathien beträchtlicher Teile der städtischen Bevölkerung.

Premier Sher Bahadur Deuba, von König Gyanendra eingesetzt, hat derweil den 13. Januar als ultimatives Datum für die Wiederaufnahme von Gesprächen mit der politischen Partei der Aufständischen - der KP Nepals (Maoistisch) - festgesetzt. Doch die will sich nicht unter Druck setzten lassen und stellt Bedingungen: Nach etlichen abgebrochenen Gesprächsrunden mit Regierungsvertretern will sie diesmal mit dem eigentlichen Machthaber, dem Monarchen, direkt verhandeln oder Gespräche unter internationaler Vermittlung, vorzugsweise der UNO. Dabei soll die Agenda im wesentlichen aus einem Thema bestehen: Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, die eine neue, auf soziale Gerechtigkeit orientierende Konstitution ausarbeitet und die Rolle der Monarchie neu definiert. Daran haben jedoch weder der Herrscher noch sein Lakai Deuba Interesse. Der Premier kam dieser Tage auf dem Meeting des Zentralkomitees seines Nepali Congress/Democratic unter Druck, weil er weder die Gewalt unter Kontrolle noch die Maoisten an den Verhandlungstisch zu bringen vermag.

Ob der am Montag bekundete Volkswille, auf den die KPN(M) ansonsten stets großen Wert legt, etwas in Richtung Friedensdialog bewirkt, wird sich in den nächsten 14 Tagen zeigen. Ein erstes Anzeichen wäre die Aufhebung der Blockade Kathmandus. Verstreicht der 13. Januar 2005 ungenutzt, dann will die Marionettenregierung an die Vorbereitung von Parlamentswahlen gehen, die im April stattfinden könnten. Doch ohne Einbeziehung der Rebellen bliebe auch das nur die fruchtlose Show einer Scheindemokratie.

Aus: junge Welt, 29. Dezember 2004


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