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Durchbruch in Nepal

Alle Parteien sprechen sich für eine "Regierung der nationalen Einheit" aus. Diskussion um programmatische Eckpunkte der Maoisten

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Von einem »Durchbruch« bei der Bildung einer neuen Regierung sprach am Montag abend (4. August) der Generalsekretär der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten; VML), Jhala Nath Khanal. Kurz zuvor hatten sich die Spitzenvertreter der vier Hauptparteien KPN (Maoistisch), Nepali Congress (NC), VML und Madhesi Janadhikar Forum (MJF) auf die Formierung einer »Regierung der nationalen Einheit« geeinigt. Sie soll solange amtieren, bis eine neue Verfassung für die Republik ausgearbeitet worden ist. Ein Prozeß, der nach Einschätzung des Chefs der einstigen monarchistischen Rastriya Prajatantra Party beim »gegenwärtigen Schneckentempo«, in dem die Politiker zu Entscheidungen kommen, bis zu sechs Jahre dauern könnte.

Staatspräsident Ram Baran Yadav hatte für die Regierungsbildung ein am Montag ausgelaufenes »Ultimatum« gestellt. Allerdings bedeutet die nun erzielte Einigung noch nicht, daß am Dienstag (5. Aug.) das neue Kabinett etabliert worden wäre. So amtiert immer noch Premier Girija Prasad Koirala, der das Land auch beim 15. Südasien-Gipfel am Wochenende in Colombo repräsentierte. Zunächst will man laut Khanal »so schnell wie möglich« eine Arbeitsgruppe bilden, die ein gemeinsames Minimalprogramm für die Regierungsarbeit erstellt.

Die Maoisten, die mit 220 Abgeordneten die stärkste Fraktion in der verfassunggebenden Versammlung stellen und von Präsident Ram Baran Yadav die Verantwortung zur Regierungsbildung übertragen bekamen, hatten in der vorigen Woche ein aus 50 Punkten bestehendes Programm vorgelegt. Es zielt auf die Neustrukturierung Nepals und die Bildung eines föderalen Bundesstaates ab. Weitere Ziele sind eine Zweijahresfrist zur Ausarbeitung der Konstitution, Hilfsprogramme für Arme, Beschäftigung für Jugendliche, Preiskontrolle, Stabilisierung der Versorgung mit Treib- und Brennstoff sowie die Verschmelzung der einstigen maoistischen Guerilla mit den Streitkräften.

Die Maoisten diskutierten in den vergangenen Tagen diese Vorstellungen mit Vertretern aller anderen 24 im Verfassungskonvent vertretenen Parteien und erhielten beträchtlichen, aber nicht ausreichenden Zuspruch. Klare Ablehnung kam vom NC. Die Partei bemängelte, das Konzept der KPN(M) enthalte »zu wenig progressive Ideen« und schreibe lediglich den Status quo fest. Auch die VML und das MJF – beide befinden sich in einer Allianz mit dem NC – entschlossen sich zu einem Nein zum Entwurf der Maoisten, weil dieser »ohne Konsultationen« mit ihnen entstanden war.

Unbestritten bleibt, daß die Maoisten nach ihrem Wahlsieg vom 10. April berechtigt sind, den Ton in der neuen Regierung anzugeben und mit Parteichef Pushpa Kamal Dahal Prachanda wahrscheinlich den Premierminister zu stellen. Doch wird erwartet, daß es um jeden Ministerposten zwischen ihnen und der NC-VML-MJF-Allianz zu einem erbitterten Tauziehen kommt. Außerdem ist die Idee noch nicht vom Tisch, an einer Einheitsregierung alle im Verfassungskonvent vertretenen Parteien zu beteiligen.

Die nicht ganz realistischen Alternativen zum Einheitskabinett waren eine »kommunistische Regierung« unter Einbeziehung aller linken Parteien, eine maoistische Minderheitsregierung oder eine Regierung der Allianz mit der oppositionellen KPN(M). Auf die vernünftigste Option haben sich die Politiker am Montag geeinigt.

* Aus: junge Welt, 6. August 2008


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