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Intrige gegen Maoisten

USA wollen laut Zeitungsbericht die Wahlen in Nepal sabotieren. Linke soll ausgebootet werden. Partei Nepali Congress lehnt Abgabe der Führung ab

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Wer geglaubt hatte, der klare Sieg der Maoisten bei den Wahlen zur ersten verfassunggebenden Versammlung in Nepal würde von den etablierten Parteien akzeptiert werden, wird eines Schlechteren belehrt. Vor allem die sozialdemokratisch orientierte Partei »Nepali Congress« (NC) kann die empfindliche Niederlage nur schwer verwinden. Von Washington ermuntert, versucht sie nun, die Maoisten auszubooten.

Maoisten in Führung

Am Freitag vergangener Woche hatte die Wahlkommission das endgültige Abstimmungsergebnis vorgelegt. Die KP Nepals (Maoistisch) errang im Verfassungskonvent demnach 220 Mandate und damit mehr als ein Drittel aller Sitze. Sie ist nun stärkste Einzelpartei in diesem Gremium und hat doppelt so viele Mandate wie der NC mit 110 Abgeordnete. Es folgen die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) mit 103 und vier kleinere Parteien mit zusammen 85 Sitzen.

Daß angesichts dieser Kräftekonstellation die Maoisten Anspruch auf die Regierungsbildung erheben, ist nachvollziehbar. Doch der NC hat laut einem Korrespondentenbericht aus Kath­mandu in der indischen Tageszeitung The Hindu andere Vorstellungen. Auf einer Tagung der Parteiführung in der vorigen Woche war demnach zunächst sogar strittig gewesen, ob man sich an einer von den Maoisten geführten Koalitionsregierung überhaupt beteiligen sollte. Die Skepsis gegenüber einer solchen Zusammenarbeit sei, so war in dem Blatt zu lesen, von den USA geschürt worden.

Nach dem Treffen verhärtete sich die Position der Sozialdemokraten weiter. Plötzlich wurde eine Kooperation grundsätzlich abgelehnt. Vorreiter in dieser Richtung ist Finanzminister Ram Sharan Mahat. Auch der frühere Premierminister Sher Bahadur Deuba schließt sich der Gruppe an, die eine Zusammenarbeit unter Führung der ehemaligen Guerilla grundsätzlich ablehnt. Mit dem jetzigen Interimspremier Girija Prasad Koirala an der Spitze soll der Nepali Congress demnach weiter die bestimmende Kraft einer neuen Koalitionsregierung sein. Es sei nicht hinnehmbar, heißt es von dieser Seite, daß die einstigen Rebellen den Regierungschef stellen und zugleich die Schlüsselressorts Verteidigung, Finanzen und Inneres beanspruchen.

US-Botschaft greift ein

Für einen Regierungswechsel, so argumentierten beide Politiker, als ob es das Wählermandat gar nicht gebe, sehe die noch gültige Interimsverfassung den Konsens aller Parteien vor. Da es zu diesem nicht kommen werde, sei eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, über die die Maoisten nicht verfügen. Zudem liegen der Zeitung The Hindu Informationen vor, nach denen die US-Botschafterin Nancy Powell diese Position aktiv unterstützt. Die Zeitung titelte deswegen: »USA untergraben Wahlentscheidung in Nepal«. Der Bericht sorgte bereits für einiges Aufsehen.

Auf die Nachfragen von Journalisten antwortete Premier Koirala ausweichend. Alle kommenden politischen Entscheidungen würden im »gegenseitigen Einvernehmen« getroffen werden. Im Gegensatz dazu zeigen die KPN (VML) und das Madhesi Janadhikar Forum (MJF; eine der kleineren Parteien, die allein 52 Mandate errang) Kooperationsbereitschaft mit den Maoi­sten. Madhav Kumar Nepal, der seinen Rücktritt als Generalsekretär der Marxisten/Leninisten angekündigt hat, erklärte, seine Partei bemühe sich um eine funktionierende Allianz mit der KPN (Maoistisch). Und auch MJF-Chef Upendra Yadav will mit den Exguerilleros zusammenarbeiten, wenn diese auf regionale Forderungen eingingen.

Pushpa Kamal Dahal Prachanda, der Anführer der Maoisten, gibt sich indes relativ gelassen und unterstreicht, daß das Wählermandat unmißverständlich eine von seiner Partei geführte Koalitionsregierung verlangt. Diese soll, ebenso der Verfassungskonvent, bis zum 23. Mai etabliert sein. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß Nepal weitere turbulente Wochen zu erwarten hat.

Aus: junge Welt, 28. April 2008


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