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Immer neue Nadelstiche

Der Koirala-Clan sorgt in Nepal für Aufregung

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sujata Koirala, am vorigen Freitag (11. Jan.) von ihrem Vater zur Ministerin ohne Ressort gekürt, sorgte bereits einen Tag später für Aufregung. Auf einer Pressekonferenz in Kathmandu bekräftigte sie ihren bekannten Standpunkt, daß Nepal eine Monarchie brauche. Diese, behauptete sie, sei die »Identität« der Nepaler und sollte Platz finden im politischen System. Die Monarchie als Institution, die niemals unehrlich sei, dürfe nur wegen der Fehler eines Königs nicht zerschlagen werden. Mit diesen Ansichten steht sie im krassen Gegensatz zur jüngsten Verfassungsergänzung, die die Proklamation einer »demokratischen Bundesrepublik« beinhaltet. Den Ratifizierungsakt soll die am 10. April zu wählende verfassunggebende Versammlung vollziehen.

Frau Koirala, die unter Korruptionsverdacht steht und angeblich ihren Familiennamen für persönliche finanzielle Vorteile mißbraucht hat, folgt ihrem Vater, dem Premier Girija Prasad Koirala, der immer wieder für Kontroversen sorgt. So hatte er zu Jahresbeginn erklärt, die ehemaligen Kämpfer der maoistischen Volksbefreiungsarmee - etwa 19.000 von ihnen sind momentan in Lagern unter UN-Bewachung interniert - dürften nicht in die nationale Armee übernommen werden. Die Streitkräfte seien eine staatliche Körperschaft und sollten nicht »politisiert« werden. Die Exrebellen könnten in andere Organe, beispielsweise in den Sicherheitsapparat für den industriellen Sektor, eingegliedert werden.

Vor den Wahlen sei dieses Problem ohnehin nicht zu lösen, weil man zuvor eine nationale Sicherheitspolitik ausarbeiten müsse. Fast wörtlich echote Koirala damit die Meinung von Armeechef General Katawal. Der hatte kurz zuvor die »Idee der Eingliederung politisch indoktrinierter Kämpfer« in die Armee strikt abgelehnt, da das die »Reinheit und Heiligkeit« der (ehemals königlichen) Streitkräfte beeinträchtige. Ian Martin, der Leiter der UN-Mission in Nepal, bewertete es als Schwachpunkt im 2006 geschlossenen Friedensabkommen, daß dieses keine Perspektive für die internierten ehemaligen Rebellen vorsieht.

Wie nicht anders zu erwarten, folgte eine scharfe Reaktion der Maoisten auf Koiralas Attacke. Parteichef Pushpa Kamal Dahal Prachanda sprach von Provokation, die einer erneuten Breitseite gegen die Wahlen gleichkomme. Der maoistische Informationsminister Krishna Bahadur Mahara kritisierte, die Äußerungen des Premiers richteten sich gegen den Geist des Friedensprozesses. Koirala entgegnete, er sei »falsch interpretiert« worden. Auch in anderen politischen Parteien äußerte man Verwunderung über den von ihm inszenierten Zwist.

Unterdessen zeigte sich Ramesh Lekhak, der Minister für Arbeit und Transport, zuversichtlich, daß »unter keinen Umständen« die Wahlen nochmals verschoben werden. In etlichen politischen Parteien, vor allem in der unruhigen, nach Autonomie strebenden südlichen Terai-Region, sieht man das nicht so rosig. Einen Termin festzusetzen, monieren die Kritiker, reiche bei weitem nicht aus. Kishore Biswas, einer der Führer der Terai-Bewegung, verkündete, es werde keine Wahlen geben, wenn zuvor nicht die Bedingungen der im Terai siedelnden Gruppen der Madhesi und Janajatis erfüllt werden. Eine zentrale Forderung ist die Schaffung eines »Bundesstaates mit dem Recht auf Selbstbestimmung«. Fast identische Meinungen äußerten der Präsident der Nepal Sadbhavna Party und der Führer der erst kürzlich gegründeten Terai Madhes Democratic Party. Einer Kursänderung wird die Regierung sich wohl nicht länger verweigern können. Noch glaubt sie allerdings, wie Innenminister Krishna Sitaula es am Wochenende formulierte, daß erst die Wahlen stattfinden müßten. Diese böten eine »goldene Gelegenheit«, politische Stabilität zu schaffen und alle Probleme zu lösen.

* Aus: junge Welt, 14. Januar 2008


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