Nepals Premier tritt zurück
Sprengt der Streit um Armeechef Katawal die Koalitionsregierung?
Von Hilmar König, Delhi *
Nepals Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda kündigte am Montagnachmittag
seinen Rücktritt nach achtmonatiger Amtszeit an. Zuvor hatte Präsident
Ram Baran Yadav den Regierungsentscheid abgelehnt, Armeechef Rukmangad
Katawal zu entlassen. Nepal steckt damit erneut in einer politischen Krise.
Am Sonntag (3. Mai) hatte die von den Maoisten unter Prachanda
dominierte Regierung Nepals beschlossen, Armeechef Rukmangad Katawal zu
entlassen und ihn durch seinen bisherigen Stellvertreter Kul Bahadur
Khadka zu ersetzen. Dabei handelte es sich um eine einsame Entscheidung
der Maoisten, keiner ihrer Koalitionspartner unterstützte sie. Die KP
Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten) boykottierte die
Kabinettsitzung und trat anschließend sogar aus der Koalitionsregierung
aus. Die Regierung verfügte danach nur noch über eine hauchdünne Mehrheit.
Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda hatte im Verlaufe des seit Wochen
anhaltenden Tauziehens um den Armeechef wiederholt versichert, eine
Entscheidung werde nur in Übereinstimmung mit allen Parteien getroffen.
Daran hielt er sich jedoch nicht. Im Verlauf der Kontroverse sickerte
aus Armeekreisen sogar durch, die Generäle bereiteten einen »sanften
Putsch« vor. Die Militärführung bestritt das nach ein paar Tagen jedoch
als völlig »gegenstandsloses Gerücht«.
Die starke Oppositionspartei Nepali Congress organisierte noch am
Sonntag ein »Allparteien-Meeting« in Katmandu, um eine gemeinsame
Plattform zu Gunsten General Katawals zu bilden, der seinen Posten schon
in der Zeit der Königsherrschaft innehatte. Die Monarchie wurde in Nepal
erst im vergangenen Jahr zu Grabe getragen. Ins Visier der Regierung
geriet Katawal, weil er mehrere Weisungen des Verteidigungsministers
ignorierte: Er ließ die Rekrutierung neuer Kader für die Streitkräfte
zu, verlängerte die Amtszeit von acht Generälen und billigte, dass sich
Armeeteams bei den Nationalen Sportspielen weigerten, gegen Mannschaften
der einstigen maoistischen Rebellen anzutreten. Seine Erklärung dazu
fand die Regierung unzureichend. Ausschlaggebend für das Misstrauen der
maoistischen Führung gegen Katawal dürfte allerdings sein, dass er
bislang die im Friedensabkommen festgelegte Eingliederung der einstigen
maoistischen Kämpfer in die Armee verhindert hat. Es handelt sich um
rund 19 000 Mann, die ihre Waffen abgegeben haben und seither in Lagern
unter UN-Aufsicht kaserniert sind.
Das »Allparteien-Meeting« verfasste am Sonntag (3. Mai) ein Memorandum,
das Staatspräsident Ram Baran Yadav zugeleitet wurde. Die Entlassung
Katawals sei »nicht im Geiste der Übergangsverfassung und des
Friedensprozesses«, hieß es darin. Mit diesem Memorandum im Rücken
schätzte auch Präsident Yadav ein, es handele sich um eine
»verfassungswidrige« Entscheidung der Regierung. Am Montag verfügte er
als Oberkommandierender, General Katawal solle vorerst auf seinem Posten
bleiben.
Aus Kreisen der Maoisten war daraufhin zu hören, man wolle nun den
Rücktritt des Präsidenten erzwingen. Dazu jedoch wäre eine
Zweidrittelmehrheit im Verfassungskonvent, dem vorläufigen Parlament,
erforderlich. Darüber verfügt die Vereinte KP Nepals (Maoistisch) aber
nicht, auch wenn sie die stärkste Fraktion bildet.
Premier Prachanda warf dem Präsidenten am Montag in seiner Ansprache an
die Nation seinerseits verfassungswidriges Verhalten vor. Damit sei der
Demokratie, dem Friedensprozess und der noch jungen republikanischen
Ordnung ein ernster Stoß versetzt worden. Offen blieb, ob mit Prachandas
folgender Rücktrittsankündigung auch das Ende der Regierung gekommen
ist. Angeblich bemühten sich die Maoisten noch darum, kleinere Parteien
einzubeziehen.
Am Sonntag (3.Mai) war es auf den Straßen Katmandus und anderer Städte
zu heftigen Protesten von Aktivisten aus beiden Lagern gekommen. Reifen
brannten, Kreuzungen waren gesperrt. Sprechchöre für und gegen Katawal,
für und gegen die Regierung, für und gegen die Maoisten waren zu hören.
Ein beträchtliches Polizeiaufgebot verhinderte, dass es zu
Gewalttätigkeiten zwischen Befürwortern und Gegnern der
Regierungsentscheidung kam. Das Büro des UNO-Hochkommissars für
Menschenrechte in Katmandu rief alle Parteien auf, in dieser kritischen
Situation Zurückhaltung zu üben.
* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009
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