Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nepals Premier tritt zurück

Sprengt der Streit um Armeechef Katawal die Koalitionsregierung?

Von Hilmar König, Delhi *

Nepals Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda kündigte am Montagnachmittag seinen Rücktritt nach achtmonatiger Amtszeit an. Zuvor hatte Präsident Ram Baran Yadav den Regierungsentscheid abgelehnt, Armeechef Rukmangad Katawal zu entlassen. Nepal steckt damit erneut in einer politischen Krise.

Am Sonntag (3. Mai) hatte die von den Maoisten unter Prachanda dominierte Regierung Nepals beschlossen, Armeechef Rukmangad Katawal zu entlassen und ihn durch seinen bisherigen Stellvertreter Kul Bahadur Khadka zu ersetzen. Dabei handelte es sich um eine einsame Entscheidung der Maoisten, keiner ihrer Koalitionspartner unterstützte sie. Die KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten) boykottierte die Kabinettsitzung und trat anschließend sogar aus der Koalitionsregierung aus. Die Regierung verfügte danach nur noch über eine hauchdünne Mehrheit.

Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda hatte im Verlaufe des seit Wochen anhaltenden Tauziehens um den Armeechef wiederholt versichert, eine Entscheidung werde nur in Übereinstimmung mit allen Parteien getroffen. Daran hielt er sich jedoch nicht. Im Verlauf der Kontroverse sickerte aus Armeekreisen sogar durch, die Generäle bereiteten einen »sanften Putsch« vor. Die Militärführung bestritt das nach ein paar Tagen jedoch als völlig »gegenstandsloses Gerücht«.

Die starke Oppositionspartei Nepali Congress organisierte noch am Sonntag ein »Allparteien-Meeting« in Katmandu, um eine gemeinsame Plattform zu Gunsten General Katawals zu bilden, der seinen Posten schon in der Zeit der Königsherrschaft innehatte. Die Monarchie wurde in Nepal erst im vergangenen Jahr zu Grabe getragen. Ins Visier der Regierung geriet Katawal, weil er mehrere Weisungen des Verteidigungsministers ignorierte: Er ließ die Rekrutierung neuer Kader für die Streitkräfte zu, verlängerte die Amtszeit von acht Generälen und billigte, dass sich Armeeteams bei den Nationalen Sportspielen weigerten, gegen Mannschaften der einstigen maoistischen Rebellen anzutreten. Seine Erklärung dazu fand die Regierung unzureichend. Ausschlaggebend für das Misstrauen der maoistischen Führung gegen Katawal dürfte allerdings sein, dass er bislang die im Friedensabkommen festgelegte Eingliederung der einstigen maoistischen Kämpfer in die Armee verhindert hat. Es handelt sich um rund 19 000 Mann, die ihre Waffen abgegeben haben und seither in Lagern unter UN-Aufsicht kaserniert sind.

Das »Allparteien-Meeting« verfasste am Sonntag (3. Mai) ein Memorandum, das Staatspräsident Ram Baran Yadav zugeleitet wurde. Die Entlassung Katawals sei »nicht im Geiste der Übergangsverfassung und des Friedensprozesses«, hieß es darin. Mit diesem Memorandum im Rücken schätzte auch Präsident Yadav ein, es handele sich um eine »verfassungswidrige« Entscheidung der Regierung. Am Montag verfügte er als Oberkommandierender, General Katawal solle vorerst auf seinem Posten bleiben.

Aus Kreisen der Maoisten war daraufhin zu hören, man wolle nun den Rücktritt des Präsidenten erzwingen. Dazu jedoch wäre eine Zweidrittelmehrheit im Verfassungskonvent, dem vorläufigen Parlament, erforderlich. Darüber verfügt die Vereinte KP Nepals (Maoistisch) aber nicht, auch wenn sie die stärkste Fraktion bildet.

Premier Prachanda warf dem Präsidenten am Montag in seiner Ansprache an die Nation seinerseits verfassungswidriges Verhalten vor. Damit sei der Demokratie, dem Friedensprozess und der noch jungen republikanischen Ordnung ein ernster Stoß versetzt worden. Offen blieb, ob mit Prachandas folgender Rücktrittsankündigung auch das Ende der Regierung gekommen ist. Angeblich bemühten sich die Maoisten noch darum, kleinere Parteien einzubeziehen.

Am Sonntag (3.Mai) war es auf den Straßen Katmandus und anderer Städte zu heftigen Protesten von Aktivisten aus beiden Lagern gekommen. Reifen brannten, Kreuzungen waren gesperrt. Sprechchöre für und gegen Katawal, für und gegen die Regierung, für und gegen die Maoisten waren zu hören. Ein beträchtliches Polizeiaufgebot verhinderte, dass es zu Gewalttätigkeiten zwischen Befürwortern und Gegnern der Regierungsentscheidung kam. Das Büro des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte in Katmandu rief alle Parteien auf, in dieser kritischen Situation Zurückhaltung zu üben.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009


Zurück zur "Nepal"-Seite

Zurück zur Homepage