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Ungelöste Aufgaben

Stockender Friedensprozeß in Nepal: Premier bildet Regierung um

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Der nepalesische Premier Jhala Nath Khanal hat am Montag (1. Aug.) zehn Minister ausgewechselt, darunter neun von der Vereinigten Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisch). Die Forderung nach der Regierungsumbildung kam von den Maoisten selbst und ist Ergebnis interner Machtkämpfe in der Partei. Der Vorsitzende der VKPN (M), Pushpa Kamal Dahal »Prachanda«, stand unter dem Druck einer starken Fraktion seiner Partei, den Wechsel zu veranlassen.

Der Premier kündigte unterdessen seinen Rücktritt an, sollte bis zum 13. August kein »signifikanter Fortschritt« im festgefahrenen Friedensprozeß erreicht sein. Dieser war mit einem Abkommen zwischen sieben politischen Parteien im Novemver 2006 eingeleitet worden. Die maoistische Guerilla beendete damals ihren zehnjährigen Krieg und bekannte sich zum Mehrparteiensystem. Das Abkommen führte zum Sturz der über 200 Jahre alten feudalen Monarchie. Doch wegen inner- und zwischenparteilicher Machtkämpfe geriet der Friedensprozeß bald ins Stocken.

Die beiden politischen Hauptaufgaben konnten bisher nicht gelöst werden. Weder ist die Übernahme von fast 20000 einstigen Guerillakämpfern in die Armee und deren soziale Rehabilitation gelungen, noch wurde bisher der Entwurf einer demokratischer Verfassung für den republikanischen Bundesstaat ausgearbeitet. An dieser Aufgabe scheiterten bislang alle Koalitionsregierungen und der Verfassungskonvent, der provisorisch als Parlament fungiert. Die Amtszeit des Gremiums sollte ursprünglich zwei Jahre dauern, mußte aber bereits mehrmals verlängert werden. Der aktuelle Stichtag ist nun der 31. August. Darauf einigten sich im Mai die VKPN (M), die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigte Marxisten und Leninisten) von Premier Khanal und der bürgerliche Nepali Congress. Bis Ende des Monats soll sowohl der Friedensprozeß vollendet sein als auch die neue Verfassung vorliegen. Anzeichen, daß das wirklich geschehen wird, sind kaum auszumachen.

Bei vielen Beobachtern setzt sich allmählich die Ansicht durch, daß nur eine Regierung der nationalen Einheit, der Minister aus allen politischen Parteien angehören, den Friedensprozeß wieder in Gang setzen und zum Abschluß bringen kann. Voraussetzung dafür wäre aber der Rücktritt des jetzigen Premiers. Selbst dann käme es allerdings nicht automatisch zur Bildung einer Einheitsregierung, sondern es würde erbittert um jeden Ministerposten gerungen werden.

Unterdessen ist die Allmacht von Pushpa Kamal Dahal Prachanda innerhalb seiner Partei beschnitten worden. Er bleibt zwar Vorsitzender der VKPN (M) und auch Fraktionschef im Verfassungskonvent, muß sich aber die Macht nun mit Vize Mohan Baidya teilen, der für Organisation und Disziplin verantwortlich ist. Der frühere Finanzminister Nepals, Baburam Bhattarai, wurde als Kandidat für das Amt des Premiers in einer Regierung der nationalen Einheit aufgestellt. Das ZK-Mitglied Narayan Kaji Shreshtha leitet die Gruppe der maoistischen Minister in der gegenwärtigen Regierung, und Generalsekretär Ram Bahadur Thapa zeichnet verantwortlich für alle Angelegenheiten der Volksbefreiungarmee, wie die Guerilla in der Parteisprache noch heißt. Damit, so der Tenor in den nepalesischen Medien, wurde dem »hegemonistischen Auftreten Prachandas« ein Riegel vorgeschoben. Wie sich die neue Konstellation auf die innenpolitische Entwicklung auswirkt, bleibt abzuwarten.

* Aus: junge Welt, 5. August 2011


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