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Attacke von links

Nepals Regierungschef von Kommunisten und Maoisten kritisiert. Generalstreik im Süden des Landes

Von Hilmar Koenig, Neu-Delhi *

Nepals Informationsminister Krishna Bahadur Mahara hat eine weitere Funktion übernommen. Er wurde am Sonntag (8. April) von Premier Girija Prasad Koirala zum Sprecher der Interimsregierung ernannt. Mahara ist auch Sprecher der KP Nepals (Maoistisch), Fraktionschef der 83 KPN(M)-Parlaments­abgeordneten und Leiter des Teams der fünf maoistischen Minister. Die Ernennung erfolgte, obwohl der maoi­stische Parteichef Pushpa Kamal Dahal Prachanda in den letzten Tagen den Premier scharf attackiert und für den zu langsamen politischen Wandlungsprozeß verantwortlich gemacht hatte. Aufmerksamkeit erregte auch seine Bemerkung, eine linke Einheit schmieden zu wollen. Das wäre ein Garant für ein gutes Ergebnis bei den Wahlen. In Nepal existieren zahlreiche kommunistische und andere linke Parteien.

Regierungschef Koirala geriet auch in die Kritik der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten). Deren Generalsekretär Madhav Kumar Nepal beklagte am Sonntag in Biratnagar das »Schneckentempo« bei der Vorbereitung der Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, die voraussichtlich am 20. Juni stattfinden werden. Es sei höchste Eile erforderlich, nicht zuletzt um Störmanövern des Monarchen und anderer antinationaler Kreise zu begegnen. Der Premier müsse lernen, eine Koalitionsregierung zu führen. Auch Prachanda hatte sich in den letzten Wochen mehrmals dagegen verwahrt, daß der politische Prozeß nach dem Diktat einer Partei abläuft, des Nepali Congress, den Koi­rala leitet.

Madhav Kumar Nepal regte an, die Armee des Landes und die Einheiten der einstigen maoistischen Guerilla zu verschmelzen. Man könne die ehemaligen »Volkskrieger« nicht mehr lange in Lager einsperren. Sie brauchten Arbeit. Über 30000 maoistische Kämpfer sind gemäß dem von der UNO überwachten »Waffenmanagement« kaserniert und etwa 3500 ihrer Waffen unter Verschluß genommen worden. Dieser Tage begann ein ähnlicher Prozeß bei der Armee Nepals.

Von Bedeutung im Hinblick auf die Wahlen ist die am Sonntag von nepalischen Menschenrechtsaktivisten und ehemaligen Mitgliedern der Wahlkommission initiierte Bildung eines 26 Mitglieder zählenden Beobachterkomitees. Ob Madhav Kumar Nepals Anregung, eventuell die Armee zur Absicherung der Wahlen einzusetzen, bei den anderen politischen Parteien Zustimmung findet, ist hingegen zweifelhaft.

Derweil legte ein Generalstreik den Süden Nepals lahm. Am Montag blieben Schulen und Märkte geschlossen, auf den Straßen war wenig Verkehr, wie Polizeichef Yogeswor Romkhami laut der Nachrichtenagentur AP erklärte. Die Sicherheitskräfte befanden sich danach in Alarmbereitschaft und begleiteten Busse und Lastwagen auf den Schnellstraßen. Berichte über Gewalt oder Protestaktionen gab es allerdings nicht. Zu dem Streik aufgerufen hatte die Volksbefreiungsfront Terai, die wie einige andere Gruppen mehr Autonomie für die Region und mehr Sitze im Parlament fordert. Sie kritisieren, der Süden Nepals sei zu Gunsten dichter besiedelter Bergregionen im Norden benachteiligt worden. Bei Protesten wurden in diesem Jahr 60 Menschen in der Region getötet.

* Aus: junge Welt, 10. April 2007


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