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Plötzlich waren die Wachen weg

Nepal: Maoistische Minister befürchten "großangelegte Verschwörung"

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Ob die Maoisten in Nepal sich nach dem Treffen mit Premier Girija Prasad Koirala am Mittwoch (25. Juli) wieder beruhigt haben, bleibt abzuwarten. Am Dienstag waren sie noch so verärgert, daß ihr Sprecher Krishna Bahadur Mahara öffentlich darüber spekulierte, die fünf maoistischen Minister aus der Interimsregierung abzuziehen. Eine solche Entscheidung würde das im November 2006 geschlossene Friedensabkommen zwischen den ehemaligen Rebellen und der Allianz aus politischen Parteien torpedieren, wenn nicht sogar zunichte machen und die für den 22. November angesetzten Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung in Frage stellen.

Das plötzliche Auswechseln von Wachpersonal am Sonntag vor den Wohnungen der Minister der KPN (Maoistisch) löste die Kontroverse aus. Angeblich gehörten die 55 Soldaten früher dem »Bhairabnath«-Bataillon an, das von US-Rangern trainiert und vor dem Friedensabkommen extra zur Bekämpfung der Rebellen gebildet worden war. Die Maoisten empfanden den Personalwechsel als Provokation. Ihre Partei war zu dieser Entscheidung nicht konsultiert worden. Minister Mahara äußerte die Befürchtung, daß dieser Schritt Teil einer »großangelegten Verschwörung« sei. Das Militär stellte den Wechsel der Wachen als Routineangelegenheit dar und dementierte, die neun Soldaten stammten aus der einstigen Elitetruppe.

Inzwischen sollen sie abgezogen worden sein. Bei dem Treffen mit den maoistischen Ministern am Mittwoch in Kathmandu soll Koirala versichert haben, das Auswechseln des Wachpersonals sei ohne sein Wissen erfolgt. Dennoch fiel in letzter Zeit auf, daß der Premier ziemlich häufig im Hauptquartier der Streitkräfte erscheint und dort Fragen der inneren Sicherheit erörtert. Die Maoisten, die den Streitkräften als ehemaligen Handlangern der Monarchie noch immer einen Putsch zutrauen, sehen als Hauptaufgabe der Armee die Verteidigung der territorialen Integrität und Unabhängigkeit Nepals.

Ebenfalls am Mittwoch wollte sich der Minister für Frieden und Wiederaufbau, Ram Chandra Poudyal, zu einer weiteren Verhandlungsrunde mit dem Forum der Rechte der Madhesi-Bevölkerung treffen. Dieses setzt sich gemeinsam mit anderen Gruppen in der südlichen Terai-Region für Autonomie und für eine gerechtere Repräsentation in allen staatlichen Gremien ein. Militante Aktionen der Bewegung haben bereits zahlreiche Todesopfer gefordert und zu chaotischen Verhältnissen im Terai geführt.

Madhav Kumar Nepal, der Generalsekretär der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), hatte am Dienstag während einer Unterredung mit Koirala geraten, der Regierungschef solle eine persönliche Initiative zur Beruhigung der Lage im Terai und zur Lösung der Probleme ergreifen. Die UN-Mission in Nepal schätzte die Menschenrechtslage im Land unterdessen als »besorgniserregend« ein und verwies darauf, daß bis zu den Wahlen noch enorme Aufgaben zu bewältigen sind.

* Aus: junge Welt, 26. Juli 2007


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