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Nepal: Waffen unter Verschluss?

Maoisten und Regierung vor Abschluss eines Abkommens

Von Hilmar König, Delhi *

Als Nepals Vizepremier und Außenminister K.P. Sharma Oli am Sonntag (5. November 2006) zu einem Besuch in der indischen Hauptstadt eintraf, hatte er gute Nachricht im Gepäck: Regierung und maoistische Rebellen stehen vor dem Abschluss eines Abkommens, das den Friedensdialog beschleunigen wird.

Kurz vor Olis Abflug nach Delhi war nach einem Treffen zwischen Premier Girija Prasad Koirala und dem Vorsitzenden der KP Nepals (Maoistisch), Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda, bekannt geworden, dass beide Seiten vor dem Abschluss eines Abkommens über das »Waffenmanagement« stehen. An dem Gespräch nahm als Vertreter des UNO-Generalsekretärs auch Ian Martin teil. Der Streit um den Verbleib von Waffen beider Seiten bildete bislang den Hauptgrund für Verzögerungen im Friedensprozess. KPN(M)-Sprecher Krishna Bahadur Mahara teilte am Sonntag in Katmandu mit, eine gleiche Anzahl von Waffen solle nun in sieben gekennzeichneten Lagern unter UNO-Aufsicht weggeschlossen werden. Zugleich dürfen maoistische Kämpfer und Soldaten festgelegte Militärbezirke nicht mehr verlassen.

Laut der Zeitung »The Hindu« werden die Waffenarsenale durch UN-Teams, Fernsehkameras und mit Sirenen verbundene Sensoren überwacht. Die Schlüssel für die Rebellendepots sollen allerdings bei der maoistischen Führung verbleiben. Ein Treffen zwischen Repräsentanten der Allianz aus sieben politischen Parteien (SPA) und der KPN(M) soll am Dienstag den Schlusspunkt unter das Abkommen zu militärischen und politischen Fragen setzen.

Mit der Beseitigung der Hürde »Waffenmanagement« steht der Annahme der in den Monaten seit der Entmachtung von König Gyanendra ausgearbeiteten Üergangsverfassung nichts mehr im Wege. So wird erwartet, dass in Kürze die Vorbereitungen zu Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung im Jahre 2007 beginnen und die Maoisten der Übergangsregierung beitreten. Angeblich werden diesem Kabinett je fünf Minister aus der stärksten politischen Partei, dem Nepali Congress, der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten) und der KPN (Maoistisch) angehören. Sie sollen eine möglichst reibungslose Vorwahlperiode garantieren.

Die zu wählende Versammlung soll eine neue, endgültige Verfassung ausarbeiten, in der auch die Staatsform festgeschrieben sein wird. Darüber gibt es noch gegensätzliche Auffassungen. Kreise im Nepali Congress wollen der Monarchie mindestens eine zeremonielle Rolle zubilligen. Die Maoisten und nahezu alle anderen politischen Parteien treten für eine republikanische Ordnung ein und befürworten ein Referendum darüber.

Olis Indienbesuch ist angesichts der engen Wirtschaftskooperation zwischen den beiden Nachbarstaaten von Bedeutung. Fast 70 Prozent aller in Nepal produzierten Waren und Güter werden nach Indien exportiert und rund zwei Drittel aller nepalischen Importe kommen aus Indien, das auch 40 Prozent aller Auslandsinvestitionen in Nepal beisteuert. Indien hat mit einem Riesenkredit Nepals Staatshaushalt gestützt, eine niedrig verzinste Anleihe von 100 Millionen Dollar für Infrastrukturprojekte angeboten und auf die Rückzahlung der fälligen Summen für frühere Waffenkäufe verzichtet. Oli, der zur Führung der KPN (VML) angehört, würdigte Indiens Beitrag zur Demokratisierung in Nepal.

* Aus: Neues Deutschland, 7. November 2006


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