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Wahltermin in Nepal vereinbart

Offene Frage: Wer wird Chef der noch zu bildenden Regierung der nationalen Einheit?

Von Hilmar König *

Nach Monaten politischer Ungewißheit, die vehementem Gezerre um Machtpositionen zwischen den vier politischen Hauptparteien Nepals geschuldet war, zeigt sich seit Wochenbeginn ein Silberstreifen der Hoffnung am Horizont des Himalaja-Staates. Die Vereinte KP Nepals (Maoistisch), die eine Übergangsregierung anführt, die Vereinte Demokratische Madhesi-Front, die der Koalition angehört, sowie die beiden oppositionellen Parteien Nepali Congress und die KP Nepals (Vereinte Marxisten-Leninisten) einigten sich während eines Treffens mit Staatspräsident Ram Baran Yadav am Montag abend darauf, die in diesem Jahr fälligen Parlamentswahlen Ende Mai durchzuführen. Präsident Yadav hatte sich schon lächerlich gemacht, weil er mit einem immer wieder verlängerten »Ultimatum« die Streithähne an einen Tisch und zu einer gemeinsamen Position zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zwingen wollte. Unter deren Zepter sollen die Wahlen stattfinden. Die Parteiführer trafen sich zwar häufig, kamen aber über Monate zu keiner Einigung.

Nun scheint zumindest ein bescheidener Anfang gemacht, die politische Krise zu überwinden, denn die Wahlen sind die Voraussetzung dafür, daß die festgefahrene Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die den Status der Republik festschreibt, endlich angeschoben und zügig abgeschlossen werden kann. Auf dem Treffen mit Präsident Yadav wurde auch »im Prinzip vereinbart«, daß eine unabhängige Person der noch zu bildenden Einheitsregierung vorstehen soll. Aus welchen Kreisen diese kommen könnte, blieb allerdings zunächst offen. Die VKPN(M) hatte schon vor ein paar Tagen den Namen des Vorsitzenden des Höchsten Gerichts Nepals, Chefrichter Khil Raj Regmi, ins Spiel gebracht. Aber das warf sofort eine Reihe von kontrovers debattierten Fragen auf: Soll Regmi von seinem Amt zurücktreten, bevor er zum Premier ernannt wird? Wer oder welches Gremium ernennt ihn? Die bestehende provisorische Verfassung sieht einen solchen Fall nicht vor. Sie müßte deshalb ergänzt werden. Die nationale Wahlkommission drängt auf sofortige Änderungen des vorliegenden Grundgesetzes, da sonst der Wahltermin Ende Mai nicht zu halten ist.

Die Maoisten sind der Meinung, Chefrichter Regmi könne seinen Posten behalten, auch wenn er als Regierungschef agiert und die Wahlen überwacht. Premierminister Baburam Bhattarai äußerte gar: »Wenn die anderen Parteien Khil Raj Regmi nicht als Premier akzeptieren, werde ich nicht zurücktreten.« Ob das in dieser Situation der richtige Ton ist, bezweifeln politische Beobachter. Die beiden Oppositionsparteien suchen nach einer geeigneten unbescholtenen Person auch in der Bürgergemeinschaft. Zu erwarten ist hier wohl noch einmal ein heftiges Tauziehen, das den Wahltermin ins Wanken bringen kann. Positiv ist immerhin, daß der bürgerliche Nepali Congress seine starre Haltung, den Parteipräsidenten Sushil Koirala als Kandidaten für das Amt des Premiers aufzustellen, aufgegeben hat. Das heißt jedoch nicht, daß dieser nicht weiterhin ein entscheidendes Wörtchen bei der Bildung der Einheitsregierung mitreden wird. Auch dafür sind längst nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt. Deshalb wagt gegenwärtig niemand in Kathmandu, angesichts des vereinbarten Wahltermins von einem Durchbruch zu sprechen. Allerdings gehört es zum politischen Alltag in Nepal, daß die Widersacher sich nicht an ihre Abmachungen halten.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 13. Februar 2013


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