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Warten auf neue Regierung in Nepal

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Kathmandu - Bislang konnte in Nepal nach der Entmachtung von König Gyanendra keiner der vorgesehenen Termine für die wesentlichen politischen Entscheidungen eingehalten werden. Die Unterzeichnung des Friedensabkommens und des Paktes über das »Waffenmanagement« zwischen der Regierung und den Maoisten verzögerten sich beträchtlich. Die Verabschiedung der Interimsverfassung läßt ebenso auf sich warten wie die Einberufung eines neuen Übergangsparlaments, die für Sonntag voriger Woche angekündigt worden war.

Am Freitag war der Termin für die Bildung einer Interimsregierung angesetzt, in der erstmals keine Königstreuen mehr berücksichtigt sind, dafür aber Vertreter der KP Nepals (Maoistisch) Ministerposten erhalten werden. Auch dieses mit Spannung erwartete Ereignis ging nicht pünktlich über die Bühne. Laut einem Bericht des indischen Fernsehsenders Zee wird die Regierungsbildung um etwa zwei Wochen verschoben. Das erklärte Arjun Narsingh aus der Führung der größten politischen Partei, des Nepali Congress. Zuvor müßten die Konsultationen über die Interimsverfassung erfolgreich abgeschlossen werden, sagte er in Kathmandu. Vorige Woche hieß es noch, zu dem Dokument bestünden lediglich unwesentliche Differenzen. Jetzt zeigt sich aber, daß es über den vor zwei Monaten von einem Expertenkomitee fertiggestellten Entwurf offensichtlich viel ernstere Meinungsverschiedenheiten gibt. Immerhin besitzt dieses Dokument Gültigkeit bis zu den Wahlen einer verfassunggebenden Versammlung im Juni nächsten Jahres, und es markiert die Phase des Übergangs in eine neue politische Ära, in der die Maoisten ein gewichtiges Wort mitreden wollen.

Als am Dienstag das »Abkommen zur Überwachung des Managements von Waffen und Streitkräften« von Innenminister Krishna Prasad Sitaula und dem maoistischen Chefunterhändler Krishna Bahadur Mahara unterzeichnet worden war, glaubte man, nun sei der Weg frei für die anderen wesentlichen Entscheidungen. Der Pakt legt im Detail fest, daß die Rebellen der Volksbefreiungsarmee sich in 21 Lagern in sieben Militärbezirken und Soldaten der Armee sich in den Kasernen aufzuhalten haben. Dies, wie auch die unter Verschluß gebrachten Waffen werden UNO-Friedenssoldaten kontrollieren und überwachen. (Das Foto zeigt eine Fraueneinheit der maoistischen Rebellen vor der Waffenabgabe.) Sitaula und Mahara hatten sich übereinstimmend positiv geäußert, daß man damit eine knifflige Passage des Friedensabkommens abgesegnet hat, was zu einer stabilen politischen Lage führen wird. Doch der erhoffte Schub für weitere Weichenstellungen läßt auf sich warten.

Das heißt aber nicht, daß sich auf der politischen Bühne gar nichts mehr bewegt. Donnerstag nacht empfingen Hunderte Nepaler in Karkabita die beiden KPN(M)-Führer Chandra Prakash Gajurel und Mohan Baidya, die nach jahrelanger Haft aus indischen Gefängnissen entlassen worden waren. Mit Genugtuung wurde auch aufgenommen, daß ein Komitee aus 1272 Vorschlägen den Text für eine neue Nationalhymne auswählte, in der nicht mehr die Monarchie gerühmt, sondern Stolz auf die Nation und die Volksbewegung vom April bekundet wird.

* Aus: junge Welt, 2. Dezember 2006


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