Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nepal hat wieder einen Premier

Sushil Koirala ist der 37. Regierungschef in der Geschichte des Himalajastaates

Von Hilmar König, Delhi *

Drei Monate nach der Wahl der verfassunggebenden Versammlung Nepals wurde am Montag der Chef der bürgerlichen Partei Nepali Congress (NC), Sushil Koirala, zum Premierminister gewählt.

»Unsere Partei übernimmt die Verantwortung, den Friedensprozess zu vollenden und eine demokratische Verfassung vorzulegen. Wir werden die Federführung für die Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs innehaben«, erklärte der 75-jährige Koirala kurz vor der Abstimmung. 405 der anwesenden 553 Abgeordneten stimmten für ihn. 148 Abgeordnete von 16 Parteien lehnten ihn ab. An der Fertigstellung einer neuen Verfassung waren seit dem Sturz der Monarchie und der ersten freien Wahl im Jahre 2008 fünf Koalitionsregierungen gescheitert.

Seit fünf Jahren befindet sich das Land in einer tiefen Krise, die geprägt war von erbittertem Machtkampf der vier größten Parteien. Die Neuwahl der verfassunggebenden Versammlung fand am 19. November 2013 statt. Doch erst am Sonntag kam ein Sieben-Punkte-Abkommen zwischen dem sozialdemokratisch ausgerichteten NC und der KP Nepals (Vereinigte Marxisten-Leninisten) zustande. Im Wesentlichen geht es darin um die Aufteilung der Ministerposten. Wichtig für die Kommunisten war, dass sofort nach Annahme der Verfassung – die im Verlaufe eines Jahres formuliert sein soll – der Staatspräsident und dessen Stellvertreter neu gewählt werden. Da der NC den Regierungschef stellt, strebt die KPN-VML das Präsidentenamt an, um eine ausgewogene Machtverteilung zu erreichen. Vorerst richten sich alle Hoffnungen darauf, dass die Koalitionsregierung von NC und der KPN (VML) in der Lage ist, die politische Krise zu beenden und stabile Verhältnisse zu schaffen. Dieses Ziel vor Augen, äußerte Jhala Nath Khanal, der Vorsitzende der KPN-VML: »Wir werden uns bemühen, andere Parteien in die Koalition einzubeziehen.«

Die Maoisten der KPN (M), die mit 80 Abgeordneten die drittstärkste Fraktion bilden, kommen dafür nicht in Frage. Sie haben sich einer »konstruktiven Opposition« verschrieben. Gemeinsam mit 15 anderen Parteien warten sie ohnehin darauf, dass ihr Vorwurf untersucht wird, die Novemberwahlen seien gefälscht worden. Ihre Fraktion ist freilich unberechenbar und kann jederzeit mit »Querschlägern« das Parlamentsgeschehen blockieren.

Der jetzige Regierungschef entstammt dem Koirala-Clan, der bereits zum vierten Mal einen Premierminister stellt. Der 75-Jährige steht seit vier Jahren an der Spitze des NC. Als Parteiveteran wirkte er 2006 am Friedensabkommen mit, das den zehnjährigen Krieg gegen die feudale Monarchie beendete. Zu Zeiten der Königsherrschaft, gegen die Koirala offen opponiert hatte, war er etliche Jahre im Gefängnis. Anschließend flüchtete er ins indische Exil. Aber auch dort kam er für drei Jahre in Haft, weil er in eine Flugzeugentführung verwickelt war. Den Abgeordneten versprach Koirala, er werde sich dafür einzusetzen, dass die neue Verfassung im Konsens aller Parteien entsteht. Nur Einheit mache ein neues Grundgesetz überhaupt möglich.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Februar 2014


Koirala Nepals Regierungschef

Einigung der beiden größten Parteien auf Sieben-Punkte-Programm Von Thomas Berger, Kathmandu **

Fast drei Monate nach der Wahl zur zweiten Verfassungsgebenden Versammlung am 19. November hat Nepal wieder einen demokratisch legitimierten Premierminister. In seiner Sitzung am Montag wählten die Abgeordneten mehrheitlich den 74jährigen Sushil Koirala, Parteichef des linksbürgerlichen Nepali Congress (NC), in dieses Amt. Neben seiner eigenen Partei stimmten auch die Abgeordneten des Koalitionspartners Kommunistische Partei Nepals/Vereinigte Marxisten-Leninisten (CPN-UML) für ihn. Der neue Premier versprach in seiner Antrittsrede, binnen eines Jahres für die Verabschiedung der neuen Verfassung zu sorgen und in den kommenden sechs Monaten auch Kommunalwahlen abzuhalten.

Bis einen Tag zuvor war noch völlig unklar gewesen, ob Koiralas Wahl tatsächlich wie geplant erfolgen würde. Denn erst im Laufe des Sonntags konnten die Verhandlungsteams von NC und CPN-UML eine Einigung erzielen. »Wir haben uns gegenseitig unter Druck gesetzt«, sagte ein UML-Vertreter, der nicht genannt werden wollte, zu Reportern. Denn sowohl seine Partei als auch der NC hatten am Wochenende separat auch mit der Führung der Maoisten (UCPN-M), drittstärkste Kraft im Übergangsparlament, gesprochen. Diese wollen zwar erklärtermaßen in der Opposition bleiben, hätten aber trotzdem unter Umständen einem Kandidaten der beiden großen Parteien mit ihren Stimmen zur Mehrheit verhelfen können.

Das von den beiden Parteichefs Koirala (NC) und Jhala Nath Khanal (CPN-UML) am Sonntag unterzeichnete Sieben-Punkte-Programm räumt die bisher strittigen Punkte der beiden Koalitionspartner aus dem Weg. So erklärte sich der Nepali Congress bereit, die Verfassungsgebende Versammlung offiziell über eine Verlängerung des Mandats von Präsident Ram Baran Yadav beschließen zu lassen. Er soll nun wie sein Vize ein weiteres Jahr bis zum Vorliegen der neuen Verfassung im Amt bleiben dürfen. Yadav, ein NC-Mitglied, war 2008 seinerzeit in Absprache mit den Marxisten gewählt worden. Allerdings ist seine ursprünglich geplante Amtszeit auch schon vier Jahre überschritten. Die CPN-UML hatte deshalb ein frisches Mandat gefordert, während der NC sich bislang auf die Position berief, die alte Verfassung sehe eine Neuwahl des Präsidenten bis zu einem neuen Grundgesetz nicht vor.

In den kommenden Tagen und Wochen geht es nun um die Ausarbeitung eines gemeinsamen Mimimalprogramms für die Regierungszeit und die Besetzung der Kabinettsposten. Wie aus Verhandlungskreisen verlautete, sollen NC und Marxisten, in ihrer parlamentarischen Präsenz nahezu gleich stark, beide 13 Ministerien erhalten. Gegen die offenbar schon erfolgte Zusage, daß die CPN-UML auch das wichtige Innenressort erhält, gibt es in Teilen der NC-Führung aber immer noch erbitterten Widerstand. Im Sieben-Punkte-Programm wurde auf die Ministerienverteilung kein Bezug genommen. Vermutlich wird Bam Dev Gautam, einer der Verhandlungsführer der Marxisten, Innenminister – er hatte dieses Amt schon einmal inne. Mit ihm hat K.P. Sharma Oli, der sich vor wenigen Tagen bei der Wahl zur Fraktionsspitze gegen den Parteivorsitzenden Khanal durchsetzen konnte, eine interne Allianz gebildet. Die Marxisten erhalten gemäß der Vereinbarung auch das Amt des Vorsitzenden der Verfassungsgebenden Versammlung. Ersten Meldungen zufolge soll dafür erneut Subas Nembang als Kandidat präsentiert werden.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 11. Februar 2014


Zurück zur Nepal-Seite

Zur Nepal-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage