Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Im Einklang mit der Umwelt

Erste "grüne Schule" Nepals setzt in mehr als einer Hinsicht auf alternative Konzepte

Von Thomas Berger, Kathmandu *

Die Vajra Academy in Patan sagt von sich, die erste »grüne Schule« Nepals zu sein. Auch ökologische Erziehung der Kinder ist dort ganz bewusster Teil des Bildungskonzeptes.

Wer aus der Hauptstadt Kathmandu kommend die Vajra Academy im Nachbarort besuchen will, sollte auf eine weniger bequeme Fahrt vorbereitet sein. Die Adresse liegt am äußersten Stadtrand von Patan, die Straßen werden zusehends schmaler, teilweise reiht sich nur noch Schlagloch an Schlagloch. Doch dann ist das Ziel erreicht: Das Gelände mit dem imposanten zweigeteilten Schulbau schmiegt sich regelrecht an den Abhang eines Berges.

Aber das ist der einzige Störfaktor: Hangabwärts fällt der Blick auf die typischen Terrassenfelder, rechter Hand sieht man dichten Baumbewuchs auf. »Ein heiliger Wald«, erklärt Bhupendra Bikram Thapa, Koordinator des einheimischen Teils der nepalesisch-niederländischen Stiftung, die Trägerin des bislang einzigartigen Bildungsprojektes ist. Diese Nachbarschaft komme nicht von ungefähr, ganz bewusst habe man sich bei der Auswahl für diesen Standort entschieden. Schließlich sollen die Schüler ganz direkt die Achtung vor der Natur entwickeln. Und aus dem heiligen Wald darf anders als vielerorts sonst nicht einmal Brennholz geholt werden.

Die Vajra-Stiftung ist mit niederländischer Hilfe schon seit Jahren in Nepal aktiv. Mit Patenschaften westlicher Spender für einzelne Kinder hat es begonnen, mit Gesundheitscamps in abgelegenen ländlichen Gegenden ohne medizinische Betreuung und der massenhaften Ausgabe von Solarkochern in einem Flüchtlingslager. An einem gewissen Punkt, so Bhupendra, als die Zahl der unterstützten Schüler die 100 überschritt, keimte die Idee erstmals auf, ob man nicht eine eigene Schule errichten wolle.

Rund 300 Kinder bis Klassenstufe neun lernen inzwischen an der Vajra Academy. Finanziell beginne sich das Projekt selbst zu tragen, betont der Koordinator. Schließlich könne und wolle man nicht dauerhaft von westlichen Finanzhilfen abhängig sein. Also zahlen die Familien rund der Hälfte aller Kinder Schulgeld – die Einnahmen helfen, für die andere Hälfte, die aus den ärmsten Bevölkerungsgruppen kommt, kostenlose Bildung zu garantieren.

Das Internat ist der noch etwas neuer wirkende Anbau linker Hand des Hauptgebäudes. Auf dessen Dach wiederum fallen die großen Schüsseln der Sonnenkollektoren auf. Zehn Stück sind miteinander verbunden, wandeln mit ihrer gesammelten Solarenergie das Wasser, das in der Mitte durch ein Rohr fließt, in Wasserdampf um. »Den leiten wir hinunter in die Küche, um damit zu kochen«, erläutert Bhupendra.

Unten auf dem Hof parken zudem zwei Schulbusse mit Elektroantrieb. Zudem fällt die enorme Sauberkeit auf dem gesamten Gelände auf. Das hat seinen Grund: Vor allem Plastik, sonst Hauptbestandteil des überall in der Landschaft herumliegenden Mülls, ist streng untersagt. Die Kinder erziehen sich dabei gegenseitig, wie der Koordinator erklärt: »Es gibt einen Schülerklub, und wenn dessen Mitglieder jemanden mit einer Plastiktüte erwischen, muss der 100 Rupien Strafe zahlen.« Die Summe, umgerechnet 70 Eurocent, entfaltet nicht nur erzieherische Wirkung. Sie fließt zudem in jenen Topf, mit dem die Schüler ihren Küchengarten betreiben, der sich am steilen Teil des Abhangs an die Rasenflächen anschließt.

Dass die Kinder sich hier wohl fühlen, muss Bhupendra nicht extra unterstreichen. Es ist auf Schritt und Tritt zu spüren. Bereitwillig kümmern sie sich um die Blumen, die in Kübeln auf dem Schulhof wachsen, interessieren sich für den Anbau der Kräuter oder wie die Kühe gemolken werden, die täglich frische Milch liefern. Gleichwohl ist das besondere »grüne« Image nur eine Komponente im alternativen Schulkonzept der Vajra Academy. Das Projekt setzt auch auf andere Formen des Lernens statt des typischen Frontalunterrichts und harte Strafen durch die Lehrer. Diese sind hier gewissermaßen nur Tutoren, die dabei helfen sollen, sich in kleineren Gruppen das Lernen weitgehend selbst zu organisieren.

An neugierigen Besuchern fehlt es dem Projekt nicht. Bis sich der neue Ansatz aber zu verbreiten beginnt, sei noch Geduld nötig, meint der Leiter. Die in Nepal seit ein paar Jahren massenhaft sprießenden Privatschulen sind für die Betreiber oft in erster Linie eine lukrative Einnahmequelle, ohne dass sie deshalb ein bestimmtes Qualitätsniveau der Bildung garantieren: An staatlichen Einrichtungen wiederum machen traditionelle Strukturen, mangelnder Innovationsgeist und fehlende Ressourcen Neuerungen schwierig. Das Team hofft trotzdem, andere Lehrer, Schuldirektoren und Vertreter der Verwaltung zum Nachdenken anzuregen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 1. Juli 2014


Zurück zur Nepal-Seite

Zur Nepal-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Umwelt-Seite

Zur Umwelt-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage