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Ein bißchen neoliberal

Neuseeland: Trotz bisher mäßiger Erfolge will Regierung nun dritten Stromanbieter teilprivatisieren. Opposition droht mit Renationalisierung

Von Thomas Berger *

Neuseelands konservative Regierung setzt auf halbe Liberalisierung des Stromsektors. Aktuell rüstet sie sich zur letzten Etappe des teilweisen Verkaufs des Tafelsilbers. In der zweiten Märzhälfte soll Genesis an der Reihe sein, der dritte vormals voll im Staatsbesitz befindliche Stromversorger. Premier John Key und Finanzminister Bill English stellten am Dienstag in Auckland den vorläufigen Zeitplan vor. Das Kabinett erhofft sich durch die Ausgabe von Aktien für einen 49-Prozent-Anteil des Unternehmens Einnahmen von 700 Millionen bis einer Milliarde Neuseeländischer Dollar (NZD; 424 bis 606 Milliarden Euro) für die Staatskasse. Ab Mitte April könnten die Aktien des Unternehmens an der Börse gelistet werden, so der Minister.

Ob die Pläne hinsichtlich des Erlöses aufgehen, ist zweifelhaft. Schon die Teilprivatisierung der anderen beiden Stromfirmen hatte deutlich weniger eingebracht als erhofft. Zwar hat die Regierung aus diesen Erfahrungen einiges gelernt. Sollte das Interesse gering sein, will man nicht sofort die kompletten 49 Prozent von Genesis veräußern. Aber am Vorhaben hält die Regierung eisern fest.

Die drei Unternehmen waren mit der Reform der gesamten Branche 1998 entstanden, im April 1999 begann die Umsetzung: Die staatlichen Stromproduzenten bekamen quasi privatwirtschaftliche Strukturen, die entstandenen Unternehmen blieben jedoch weiter unter Regierungskontrolle. 2011 hatten die nunmehr regierenden Konservativen unter Premier Key erstmals ihre Pläne zur Teilprivatisierung vorgestellt. Mit Verzögerungen von mehr als einem halben Jahr startete die Zeichnungsfrist für die neuen Anteile am ersten Versorger, Mighty River Power (neun Wasserkraftwerke, fünf Geothermalanlagen, ein Gaskraftwerk), im April 2013. Am Ende hatten sich 11600 Investoren eingetragen, der Erlös belief sich auf 1,7 Milliarden NZD – weniger als erwartet. Statt der erhofften 2,70 bis 2,80 Dollar pro Anteil lag der Ausgabepreis bei 2,50 Dollar.

Die Regierung machte dafür umgehend die rot-grüne Opposition verantwortlich. Labour Party und Grüne hätten mit ihrer Ankündigung, im Falle eines Wahlsiegs 2014 den Energiesektor wieder unter voller staatlicher Kontrolle in einer einzigen Institution zusammenzuführen, potentere Kauf­interessenten »abgeschreckt«. Dieses Argument wird seither in konservativen Zirkeln und Analystenkreisen stetig wiedergekäut. Angst vor einer möglichen Renationalisierung bei einem Machtwechsel in Wellington mußte dann auch als Begründung dafür herhalten, daß es beim Verkauf von 49 Prozent des zweiten Stromanbieters, Meridian (sieben Wasserkraftwerke, vier Windparks), kaum besser lief.

Dabei galt dieser sogar als »Kronjuwel«. Noch bei einer unabhängigen Bewertung im Jahr 2011 für das Finanzministerium mit etwa sechs Milliarden NZD eingestuft, betrug der Marktwert inklusive erfolgtem Teilverkauf im Oktober bescheidene 3,8 Milliarden. Lediglich 62000 Interessenten hatten Anteile gezeichnet. Zudem flossen nur zwei Drittel der Kaufsumme sofort. Der Rest ist erst 18 Monate später, also im März/April 2015, fällig.

Der Teilverkauf aller drei Stromerzeuger wird wohl statt der erwarteten sechs Milliarden NZD nur 4,8 Milliarden bringen, wie Minister English kürzlich einräumen mußte. Und selbst das erscheint immer unrealistischer, wenn von Genesis nun im ersten Anlauf vielleicht nur 30 statt 49 Prozent veräußert werden können. Dabei ist das Unternehmen der größte Brocken unter den Angeboten: Auf 2141 Megawatt beläuft sich die Gesamtkapazität von dessen Anlagen. Allein das Wärmekraftwerk Huntly (gas- und kohle-befeuert) sichert 20 Prozent der nationalen Stromversorgung. Mehrere Wasserkraftwerke, das größte bei Taupo im Herzen der Nordinsel, gehören ebenso dazu wie Windkraftanlagen. Überdies hält Genesis einen 31-Prozent-Anteil an einem Öl- und Gasfeld vor der Küste. Die Gesamteinnahmen beliefen sich im Jahresabschluß 2012 auf 2,27 Milliarden NZD, der Nettoerlös auf 90 Millionen.

Dennoch könnte das Interesse an den Aktien wieder sehr verhalten sein, und das nicht nur wegen der rot-grünen Pläne. Vielmehr ist offensichtlich, welchen Fehlentscheidungen die konservative Regierung bei früheren Teilprivatisierungen getroffen hat. So wurden bei Mighty River Power die Gehälter der Spitzenmanager schnell noch von 49000 auf 85000, das des Vorstandschefs von 98000 auf 150000 NZD erhöht. Die Staatskasse ist somit nicht nur mit dem geringeren Verkaufserlös geschädigt – über den verbliebenen 51-Prozent-Anteil kommt auch der Steuerzahler zur Hälfte für das teure Geschenk an die Führungsetage des Unternehmens auf. Zudem könnten Verbraucher bald mit höheren Kosten belastet werden. Labour und Grüne wollen hingegen bei einer Renationalisierung auch die Preise senken. Zumindest verkündeten sie das.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. Februar 2014


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