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Tuareg-Revolte im Urangebiet

Niger: Aufständische fordern größere Anteile an den Einnahmen aus dem Geschäft mit Bodenschätzen

Von Anton Holberg *

Nigers Präsident Mamadou Tanja behauptet, die anhaltende Gewalt in seinem Land ginge von »Banditen« aus. Mit dieser Version des »bewaffneten Aufstandes« stoße er zunehmend auf Unverständnis, so die Zeitung Le Pays (14.8.). Schließlich handele es sich um eine »Rebellion, die immer bedrohlicher wird und die ihre politischen Forderungen klar formuliert hat«. Bei den Auseinandersetzungen dreht sich alles um die riesigen nigerischen Uranvorkommen. So weist die aufständische Bewegung MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) darauf hin, daß dieser Reichtum der Bevölkerung der Region, in der das Uran abgebaut wird, nicht zugute komme. Im Gegenteil würden die nahe der Minen lebenden Tuareg radioaktiv verseucht.

Die MNJ ist eine Organisation jenes nomadischen Berbervolkes, das seit Ende des siebzehnten Jahrhunderts seine Herrschaft über die Zentralsahara hinaus bis hin zum Nigerknie ausgedehnt hatte. Die koloniale Staatenbildung im neunzehnten Jahrhundert, aber auch verheerende Dürren der vergangenen Jahrzehnte im Sahel-Gürtel führten zur politischen und sozialen Deklassierung der einst selbstbewußten Tuareg. Diese stellen in Niger etwa neun Prozent der fast 13 Millionen Einwohner. Auf dem von ihnen besiedelten Gebiet liegen Bodenschätze, die Niger, eines der ärmsten Länder Afrikas, zum weltweit drittgrößten Uranproduzenten machen und dem Land über 60 Prozent seiner Einnahmen sichern. Während die Regierung davon lediglich 15 Prozent in lokale Entwicklungsprojekte steckt, fordert die MNJ einen fünfzigprozentigen Anteil sowie eine verstärkte Integration von Tuareg in Regierung, Armee und Polizei.

Allein in diesem Jahr wurden fünf bewaffnete Operationen der MNJ bekannt, darunter der Angriff auf die Militärbasis von Iferouane im Februar, auf den Flughafen von Agadez im Juni sowie im selben Monat auf eine Armeebasis. Dabei waren laut MNJ 15 Soldaten gefallen, 43 verletzt und 72 gefangengenommen worden. Eine Verschärfung der Krise könnte zunehmend auch die Nachbarländer Libyen, Algerien und Mali tangieren, wo ebenfalls Tuareg leben. Präsident Tanja unterstellt der ethnischen Gruppe nunmehr insgesamt, im Interesse »ausländischer Mächte« zu handeln.

Tatsache ist, daß Libyen noch kürzlich in einem Brief an die nigerische Regierung Gebietsansprüche auf ein uran- und möglicherweise auch erdölreiches Gebiet von annähernd 30000 Quadratkilometer anmeldete. In Niger selbst ist die französische Firma ›Areva‹ tätig. Das größte private Uranunternehmen der Welt beutet seit fast 40 Jahren die Vorkommen aus. Jetzt versuche sie, so die nigerische Regierung, Druck über die »Banditen« auszuüben, um so geplante Vertragsveränderungen zuungunsten des Konzerns zu verhindern. Dessen Generalsekretär, Dominique Pins, wurde bereits Ende Juli aus Niger ausgewiesen.

* Aus: junge Welt, 21. August 2007


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