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Normal neokolonial

Kernkraft boomt wieder, Atomstaaten sichern sich ihre Rohstoffquellen. Der afrikanische Staat Niger kann indes nicht von seinem Uranreichtum profitieren

Von Thomas Berger *

Reich an Bodenschätzen und dennoch bitterarm - das ist für die Staaten in Schwarzafrika eher die Regel denn die Ausnahme. Als Paradebeispiel kann die Demokratische Republik Kongo gelten. Das Land hat große Lagerstätten von Gold, Silber, Kupfer, aber vor allem Coltan, einem Erz, aus dem die für Mobilfunktechnologie wichtigen Metalle Niob und Tantal gewonnen werden. Und dennoch versinkt der viertgrößte Staat Afrikas seit Jahrzehnten in einem Sumpf aus Korruption, Bürgerkriegen, Anarchie und den bis heute spürbaren Auswirkungen der Kolonialzeit. Auch Nigeria, das bevölkerungsreichste Land des Kontinents und allgemein als politisch relativ stabil gerühmt, hat von seinem Status als größte Ölfördernation Afrikas noch nicht viel für Entwicklung und Wohlstand der Bevölkerung abzweigen wollen und können. Nicht zuletzt hat das auch mit den weiterhin zugunsten der reichen Staaten und deren Konzernen geltenden globalen Austauschbeziehungen und der neokolonialistischen Ausbeutung afrikanischer Ressourcen zu tun. Fast alle Staaten des Kontinents sind davon betroffen.

Areva-Land

Nördlich von Nigeria liegt Niger. Das Land, von dem sonst keiner Notiz nimmt, das in den Schlagzeilen der Weltpresse so gut wie nie eine Rolle spielt, ist ein weiterer Beweis für die neokoloniale Praxis. Die Republik, am Rande der südlichen Sahara in der Sahelzone gelegen, ist einer der Staaten mit den umfangreichsten Uranvorkommen der Welt. Derzeit rangiert Niger auf Platz vier unter den größten Förderern dieses Bodenschatzes hinter Kanada, Australien und Kasachstan. Die momentan abgebaute Menge von 3000 Tonnen jährlich könnte sich schon in naher Zukunft vervielfachen. Eine neue Uranmine ist gerade in Betrieb gegangen. Doch wie schon bisher steht zu befürchten, daß Land und die meisten seiner Bewohner davon am Ende kaum etwas haben werden.

Uran ist als Rohstoff für die schmutzige, weil dauerhaft strahlende Abteilung der weltweiten Energiebranche gefragt. Die Atomkraft erlebt trotz aller bekannten Risiken fast rund um den Globus eine fragwürdige Renaissance. In der EU ist Frankreich seit Jahr und Tag Vorreiter auf diesem Gebiet, deckt seinen Energiebedarf sogar zum überwiegenden Teil über Atomkraftwerke. Nur folgerichtig, daß sich gerade die Firmen dieses Staates überall nach Lagerstätten des Ausgangsmaterials umsehen.

Der Staatskonzern Areva hat mit der Regierung Nigers bereits zu Jahresbeginn einen Vertrag über eine Uranmine in Imouraren unterzeichnet - die Förderstätte im Norden des Landes ist nicht nur die größte ihrer Art in ganz Afrika, sondern zugleich auch die zweitgrößte weltweit. 5000 Tonnen pro Jahr sollen dort gefördert werden, wenn der Betrieb 2012 in vollem Umfang läuft, 1400 Arbeiter werden dann in der Mine tätig sein. Zur offiziellen Grundsteinlegung reiste neben Areva-Chefin Anne Lauvergnon und einem französischen Minister auch Nigers Präsident Mamadou Tandja aus der Hauptstadt Niamey an.

Ein fader Beigeschmack bei all dem offiziellen Jubel aber bleibt. Areva ist an dem Konsortium zu 66,65 Prozent beteiligt. Zwar trägt der französische Atomkonzern den Löwenanteil der auf 1,12 Milliarden Euro geschätzten Erschließungskosten, wird aber auch die Masse der Gewinne einstreichen. Lediglich schlappe fünf Prozent der Erlöse aus dem gigantischen Tagebauprojekt muß das Unternehmen laut UN-Nachrichtenagentur IRINnews an Steuern an den nigerischen Staat abführen.

Konkurrenz aus China

Solche Vertragsinhalte werden am liebsten erst gar nicht von den Beteiligten öffentlich gemacht. Hat sich doch schon bisher gezeigt, daß das westafrikanische Land von seinem Uranreichtum nicht profitiert hat. Niger gehört zu den zehn ärmsten Staaten der Welt. Das schert Areva nicht. Der Konzern beutet schon an mehreren anderen Standorten Lagerstätten aus, und Frankreich betrachtet seine einstige Kolonie als wichtiges wirtschaftliches Interessengebiet. Inzwischen haben sich auch die Chinesen in die Branche eingekauft. In Azelik, ebenfalls im Norden des Niger gelegen, läuft voraussichtlich nächstes Jahr ein weiteres Uranerzförderprojekt an.

Peking hält an dem dortigen Konsortium zwei, Niger nur ein Drittel, die gleiche Aufteilung, wie sie auch bei den Franzosen üblich ist. Zumindest aber hat China deren Monopolstellung in Niger gebrochen und stellte zudem dieser Tage einen 95-Millionen-Dollar-Kredit zum Entwicklung des Standortes bereit. Insgesamt wollen die chinesischen Partner 300 Millionen Dollar in Azelik investieren.

»Die Einwohner Nigers haben nichts von diesen Einnahmen«, stellte Ali Idrissa, Chef der Landesfiliale eines globalen Dachverbandes von Nichtregierungsorganisationen, fest. 100000 Tonnen Uran sind in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten gefördert worden, doch wirtschaftlicher Aufschwung und Entwicklung blieben aus. Selbst nach den jüngsten Statistiken der Vereinten Nationen bleibt das Land bitterarm: Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei gerade einmal bei 45 Jahren, 60 Prozent der Einwohner müssen mit umgerechnet höchstens einem Dollar pro Tag zurechtkommen, und fast drei Viertel der erwachsenen Bevölkerung können weder lesen noch schreiben.

Dafür, daß an den ungünstigen Vertragsbedingungen mit den ausländischen Firmen etwas geändert wird, kämpfen schon seit Jahren die Tuareg, ein altes Nomadenvolk und die dominierende Volksgruppe im Landesnorden, wo sich die Standorte der Uranminen konzentrieren. Besonders seit Anfang 2009 hat die MNJ, die Bewegung für Gerechtigkeit, ihre Aktivitäten ausgedehnt. Präsident Mamadou Tandja hat zwar diverse Gespräche mit Tuareg-Vertretern geführt, zu einer Einigung ist aber bisher nicht gekommen.

* Aus: junge Welt, 7. Mai 2009


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