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Bankenkrise in Nigeria

Fünf Institute mit Milliardenhilfe vor Kollaps bewahrt. Ehemalige Topmanager unter Korruptionsverdacht ihrer Posten enthoben

Von Thomas Berger *

Ein Großteil der Bankmanagerelite steht in Nigeria zur Zeit unter Arrest und muß sich von Ermittlern der Antikorruptionskommission (EFCC) unangenehme Fragen gefallen lassen. Neben den am 14. August entlassenen Chefs von fünf der größten Kreditinstitute des Landes werden weitere zehn leitende Angestellte der angeschlagenen Geldhäuser von der EFCC verhört. Der Bankenskandal dominiert seit Tagen die innenpolitischen Nachrichten des bevölkerungsreichsten afrikanischen Staates. Er steht nicht nur für die globalen Finanzkrise, sondern offenbart auch ein hausgemachtes Problem.

Nur einer der 15 verdächtigten Topmanager bleibt verschwunden. Erastus Akingbola, ebenfalls geschaßter Vorstandschef der InterContinental Bank, ist inzwischen zur Fahndung ausgeschrieben. Er ist nach seiner Entlassung offenbar untergetaucht und hat sich womöglich ins Ausland abgesetzt. Ebenfalls unauffindbar war für drei Tage Cecilia Ibru. Die oft als einflußreichste Frau Nigerias apostrophierte frühere Direktorin der Oceanic Bank stellte sich am Mittwoch dann doch den Behörden. Die vormalige »First Lady« des gesamtafrikanischen Bankensystems hatte während ihres Abtauchens eine juristische Kampagne gegen die erhobenen Vorwürfe vorbereitet.

Vor allem Ibru war es, die Nigerias Finanzsektor -- Lagos ist nicht nur die Wirtschaftsmetropole des Landes selbst, sondern ganz Westafrikas -- in den zurückliegenden Jahren nach außen hin in Schwung gebracht hatte. 1997 übernahm sie den Chefposten bei Oceanic, wo sie zuvor schon in der zweiten Reihe des Managements gestanden hatte. Unter ihrer Führung wuchs die Bank zum neuntgrößten börsennotierten Unternehmen und fünftgrößten Kreditinstitut Nigerias. Während ihr Vermögen auf umgerechnet 1,2 Milliarden US-Dollar geschätzt wird (womit sie in der Reihe der reichsten Afrikaner steht), machte sie wirtschaftspolitisch durch Unterstützung eines radikalen Privatisierungskurses von sich reden. Nun steht die einstige Bankmanagerin des Jahres im Zwielicht.

Besonders pikant ist, daß ausgerechnet der Chef der Zentralbank sie nun in die Wüste schickte. Erst kürzlich hatte die Notenbank sie noch mit einem Preis geehrt. Zentralbankchef Sanusi Lamido Sanusi blieb allerdings kaum etwas anderes übrig. Nur eine sofortige Finanzspritze von 400 Milliarden Naira (2,6 Milliarden US-Dollar/1,7 Milliarden Euro) konnte die fünf angeschlagenen Banken vor dem Kollaps bewahren. Die Institute, die 40 Prozent des nigerianischen Kreditmarktes abdecken, litten unter einem akuten Mangel an Eigenkapital. Hintergrund sind zahlreiche faule Kredite, die sich auf einen geschätzten Gesamtschaden von 1,14 Billionen Naira (7,41 Milliarden Dollar) summieren. Vermutlich wird die Zentralbank den Branchenriesen demnächst erneut unter die Arme greifen müssen.

Zu den Profiteuren einer im Lande üblichen, inzwischen jedoch umstrittenen Praxis der Darlehensvergabe gehört der indische Geschäftsmann Patrick Fernandez, dem seit Mai vor einem Bundesgericht in Lagos der Prozeß gemacht wird. 32 Milliarden Naira soll er von verschiedenen Banken erhalten haben, ohne daß dafür schriftliche Kreditanträge gestellt und die Begehren ordnungsgemäß geprüft wurden. Seine Festnahme markierte aber nur die Spitze des Eisberges aus Korruption, Vettern- und Günstlingswirtschaft. Das ganze System ist angeschlagen, und Farida Waziri, seit Juni 2008 neue Chefin der Antikorruptionsbehörede EFCC, hat sich in besonderer Weise der Kontrolle des Bankensektors zugewandt.

Daran, daß es zu einer umfassenden Aufklärung des Skandals kommt und die jetzt unter Arrest Stehenden tatsächlich für Fehler und Versagen zur Verantwortung gezogen werden, mögen viele Nigerianer nicht recht glauben. Die bisherigen Erfahrungen mit der Korruption als Grundübel der Gesellschaft sprechen dagegen. Fälle werden zwar aufgedeckt, die Täter aber kommen davon. »Diese Feuerwehrpolitik (der ­EFCC) bringt gar nichts«, schreibt ein Leser auf der Webseite Saharareporters.com und fährt fort: »Vieles muß im Gesamtsystem nicht in Ordnung sein, damit der Sumpf bei den Banken das vermeldete Ausmaß erreichen konnte. Sobald Mrs. Ibru und die anderen vor Gericht gestellt werden, ist dies das Ende der Geschichte. Sie haben die Möglichkeit, sich 'Gerechtigkeit erster Klasse' zu kaufen.«

Der Autor der Zeilen spielt damit auf die immensen Privatvermögen der gefeuerten Bankmanager an. »Kein ernsthafter Nigerianer sollte sich durch diese EFCC-Aktion gegen die Banken irreleiten lassen«, schreibt auch Kola Edun an gleicher Stelle. »Das Ganze ist eine Ablenkung der Regierung, die einen Sündenbock sucht.« Daß Präsident Umaru Yar'Adua tatsächlich gegen die ausufernde Korruption im Land ankämpft, müsse der erst noch beweisen.

* Aus: junge Welt, 31. August 2009


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