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Kämpfe im Delta

Auseinandersetzung zwischen Rebellen und Nigerias Armee eskalieren. "Totaler Krieg" gegen Zentralregierung

Von Thomas Berger *

Der gewaltsame Konflikt im Nigerdelta eskaliert. Seit dem Ende der Vorwoche liefern sich nigerianische Sicherheitskräfte und Einheiten einer der diversen Rebellengruppen Gefechte. Während das Militär davon spricht, 13 Geiseln aus den Händen ihrer Kidnapper befreit zu haben, haben die Rebellen den Tod zweier Entführter bekanntgegeben. Den Informationen zufolge sind sie bei Angriffen der Armee umgekommen. Die Lage in der Region bleibt unübersichtlich.

Zivilbevölkerung bedroht

Die Bewegung für Gleichberechtigung des Nigerdeltas (MEND) ist eine von mehreren Formationen, die mit Waffengewalt gegen die Zentralregierung kämpft. Hintergrund ist die Ausbeutung der nigerianischen Erdöllagerstätten durch ausländische Ölfirmen. Die einheimische Bevölkerung wird an den Gewinnen nicht beteiligt. Im Gegenteil, die durch die Ölförderung verursachten immensen Umweltschäden bedrohen immer stärker deren Lebensgrundlagen.

Nachdem die Armee zwei MEND-Lager angegriffen hatte, erklärte die Gruppe vergangenen Freitag (15. Mai) den »totalen Krieg« gegen die Zentralregierung. Seitens der Regierung gibt es ein Amnestieangebot an die MEND-Mitglieder. Allerdings ist unklar, wie ernst es der Politik überhaupt mit der Offerte ist. Präsident Umaru Yar'adua hat seit seinem Amtsantritt so gut wie nichts getan, die Deltaregion zu befrieden, wo es bereits seit Jahrzehnten gärt.

Die neue Gewaltwelle bedroht auch die Zivilbevölkerung. Die Einwohner des Gebietes hätten Probleme beim Zugang zu ausreichender Nahrungsmittel- und medizinischer Versorgung, sagte Nnamdi Obasi, ein Experte vom Westafrika-Büro der International Crisis Group (ICG). In verschiedenen Teilgebieten des Nigerdeltas hätten sich die Lebensbedingungen deutlich verschlechtert - und das kontinuierlich seit zwei Jahren. Gegenüber der von 2006 stammenden Studie der UNDP, der Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen, habe sich die soziale Sicherung weiter verschlechtert. Die Armut im Delta, so jüngste Erhebungen, nehme stärker zu als im Rest des Landes, zitiert IRIN, die Nachrichtenagentur der UN, den ICG-Mitarbeiter.

Obasi kritisiert, daß die Regierung nicht genug tue. Ein im Februar eingesetztes Sondergremium zur Untersuchung der Lage im Deltagebiet, das aus neun Verwaltungseinheiten des Vielvölkerstaates besteht, reiche als Maßnahme nicht aus. Ähnlich sieht dies das Rote Kreuz, das sich teilweise außerstande sieht, die notleidende Bevölkerung mit Hilfsangeboten zu erreichen. Nigerias Informationsministerin Dora Akunyili bekräftigte gegenüber IRIN, daß die Politik die Entwicklung des Gebietes vorantreiben wolle, um den Rebellen den Boden zu entziehen.

1000 Tote bei Kämpfen

Allerdings zeigen einige Zahlen, daß dies nicht einfach wird. So sind allein im vorigen Jahr rund 1000 Menschen den Kämpfen zum Opfer gefallen, und dies allein nach den eher niedrig angesetzten offiziellen Angaben. Während der ersten neun Monate 2008 wurden zudem 300 Personen von den bewaffneten Gruppen entführt, die ihre Attacken auf Einrichtungen der Ölindustrie um ein Drittel intensiviert hätten. Der daraus entstandene Schaden soll sich auf 23,7 Milliarden Dollar belaufen.

* Aus: junge Welt, 20. Mai 2009


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