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Nigerias Präsident hat große Ziele

Yar'Adua peilt Aufstieg in die Top 20 an

Von Anton Holberg *

Seit einem halben Jahr amtiert Umaru Yar'Adua als Präsident Nigerias. Sein Stil unterscheidet sich von dem seines Vorgängers Olusegun Obasanjo, die Probleme sind indes geblieben: schwache Institutionen, Korruption und viel Armut.

Olusegun Obasanjo, der Präsident des Übergangs von der Militärherrschaft zur Demokratie, wurde in seiner Amtszeit 1999-2007 immer wieder vorgeworfen, eine imperiale Präsidentschaft zu pflegen. Hineinregieren in Parlament und Justiz war keine Seltenheit – von Gewaltenteilung keine Spur.

Obasanjo begründete dies nicht zuletzt mit der Schwäche der Institutionen und der allgegenwärtigen Korruption. Der hat auch sein Nachfolger Umar Yar'Adua den Kampf angesagt. Doch weit darüber hinaus hat der bescheiden auftretende Präsident große Ziele: Nigeria soll bis 2020 zu den 20 stärksten Volkswirtschaften der Welt zählen. Die nigerianische Regierung werde mit dem Parlament zusammenarbeiten, um die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Dass die Lage im Lande dieses Vorhaben als wenig realistisch erscheinen lässt, ist Yar'Auda bewusst. Zu den Gründen dafür gehört nicht nur die allgemeine Armut, sondern beispielsweise auch die Lage im Niger-Delta, wo Nigerias Erdöl, gefördert wird. Die dortige Bevölkerung sieht sich seit langem übervorteilt und betrogen. Rebellenbewegungen finden dort deshalb seit Jahren eine günstige Basis. Einer der Führer der lokalen politisch-militärischen Bewegung, Mudschahid Dokubo Asari, brachte jüngst wieder eine alte Überlegung ins Spiel: Der Chef der Freiwilligenarmee des Niger-Deltas plädierte für die Einberufung einer Konferenz, auf der alle Völker Nigerias darüber diskutieren sollten, ob sie überhaupt noch zusammen innerhalb der kolonialen Grenzen leben wollten.

Yar’Adua will wie Obasanjo zwar kategorisch an der Einheit des Landes festhalten, aber rechtstaatliche Prinzipien achten. Monatelang sah er etwa der Lähmung des Parlaments zu, das sich über seine angeblich in einen Millionen-Dollar-Skandal verwickelte Vorsitzende Patricia Etteh zerstritten hatte. Unter Hinweis auf seine verfassungsmäßigen Kompetenzen weigerte sich der Präsident zu intervenieren. Ob solches Verhalten die demokratischen Institutionen stärkt, die bisher auch mangels Erfahrung nicht recht funktionieren, wird sich zeigen müssen.

Ungeachtet seines guten persönlichen Rufs wird die Bevölkerung offenbar langsam ungeduldig, weil selbst in der Wirtschaftsmetropole Lagos – vom Hinterland gar nicht zu reden – die unsichere und mangelhafteVersorgung mit Elektrizität ebenso wie mit fließendem Wasser oder der katastrophale Zustand der Straßen unverändert anhalten.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2007


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