Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Angriffswelle in Nigeria

Zahlreiche Tote bei Attacken von "Boko Haram"-Kämpfern

Von Simon Loidl *

Rund um die Stadt Baga im Nordosten Nigerias wurden am Mittwoch mehrere Ortschaften von islamistischen Aufständischen angegriffen. Lokale Behördenvertreter des westafrikanischen Landes sprachen von »möglicherweise« mehreren hundert Toten, wiesen aber einen Bericht der britischen Rundfunkanstalt BBC zurück, wonach 2.000 Menschen getötet worden seien. Die Attacke begann den Meldungen nigerianischer Medien zufolge bereits am Mittwoch, wurde demnach aber erst im Laufe des Donnerstag bekannt. Mindestens elf Orte wurden nach offiziellen Angaben angegriffen, zahlreiche Bewohner von mutmaßlichen Mitgliedern der Organisation »Boko Haram« erschossen, und es wurden Brände gelegt. In anderen Meldungen war von 16 betroffenen Städten und Dörfern die Rede.

Erst vor wenigen Tagen wurde Baga von islamistischen Kämpfern angegriffen, die zuvor eine nahe der Stadt gelegene Militärbasis erobert hatten. Und auch zuvor war der Fischerort während der vergangenen zwei Jahre wiederholt Schauplatz von Kämpfen zwischen »Boko Haram« und nigerianischen Sicherheitskräften. Im April 2013 brannten Soldaten im Verlauf eines Gefechts mehr als 2.000 Häuser nieder, etwa 200 Menschen wurden bei den Auseinandersetzungen getötet.

Nach den jüngsten Attacken zitierten nigerianische Medien Augenzeugen, die von zahlreichen Flüchtlingen berichteten. Ein großer Teil der etwa 10.000 Einwohner dürfte mittlerweile die Stadt verlassen haben. Die meisten machten sich demnach auf den Weg nach Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno. Aber auch nach Tschad sind verschiedenen Meldungen zufolge viele Menschen geflohen.

Internationale Medien berichteten am Freitag über eine angeblich bevorstehende Gegenoffensive der nigerianischen Armee. Details darüber waren jedoch zunächst nicht bekannt.

Unterdessen sagte der Außenminister von Niger, Mohamed Bazoum, dass sein Land Truppen aus der Region abziehen wolle. Multinationale Einheiten mit Soldaten aus Nigeria, Niger und Tschad operieren seit Jahren gemeinsam – in jüngster Zeit verstärkt gegen die Offensive von »Boko Haram«. Baga sei nun unter deren Kontrolle, so Bazoum gegenüber BBC. Solange der Ort nicht von der nigerianischen Armee zurückerobert werde, würde auch Niger keine neuen Soldaten hinschicken.

Der Präsident von Kamerun, Paul Biya, hatte bereits am Donnerstag an die internationale Gemeinschaft appelliert, den betroffenen Staaten im Kampf gegen »Boko Haram« beizustehen. Kurz zuvor hatte die Gruppe mit einer Ausweitung ihrer Operationen in Kamerun gedroht. Biya bezeichnete »Boko Haram« als »globale Bedrohung«, die einer »globalen Antwort« bedürfe.

Von hochrangigen nigerianischen Politikern gab es zunächst keine Stellungnahme zu der jüngsten Offensive der Islamisten. Mehrere Medien wiesen darauf hin, dass Präsident Goodluck Jonathan zwar den Mordanschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris verurteilte, jedoch zu den neuerlichen Attacken im eigenen Land nichts sagte.

* Aus: junge Welt, Samstag, 10. Januar 2015


Zurück zur Nigeria-Seite

Zur Nigeria-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage