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Bomben am Wahltag

Nigeria: Anschläge und Pannen bei Abstimmung. Opposition spricht von Betrug. UN gratulieren

Von Simon Loidl *

Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nigeria am vergangenen Wochenende waren von zahlreichen Zwischenfällen geprägt. Neben mehreren Anschlägen gab es auch technische Probleme, die zu einer Verlängerung der Abstimmung am Sonntag führten.

Bereits am Samstag gab es etliche Angriffe auf Wahllokale, nach verschiedenen Meldungen wurden in den nordöstlichen Bundesstaaten dabei mehr als 40 Menschen getötet. Hunderte Menschen konnten demnach aufgrund der Attacken nicht an der Abstimmung teilnehmen. Die Zahl derer, die aus Angst vor der Gewalt nicht zur Wahl gingen, dürfte noch wesentlich größer sein. Vor den Wahlen hatte die islamistische Gruppe »Boko Haram« mit Anschlägen gedroht. Am Sonntag kam es im Bundesstaat Bauchi zu heftigen Kämpfen zwischen der nigerianischen Armee und Aufständischen. Neben Bodentruppen ging dabei laut Armeeangaben auch die Luftwaffe gegen die »Boko Haram«-Kämpfer vor. Die Auseinandersetzungen hatten Beobachtern zufolge in den frühen Morgenstunden mit Angriffen auf Wahllokale in Ortschaften nahe der gleichnamigen Hauptstadt des Bundesstaates begonnen. Nachrichtenagenturen meldeten, dass zahlreiche Menschen vor den Kämpfen geflohen seien.

Ursprünglich war die Wahl nur für Samstag angesetzt. Allerdings kam es zu vielen technischen Pannen mit elektronischen Wahlgeräten, so dass die staatliche Wahlkommission (INEC) die Abstimmung um einen Tag verlängerte. Laut der britischen Rundfunkstation BBC konnte auch der amtierende Präsident Goodluck Jonathan seine Stimme zunächst nicht abgeben. Jonathans Peoples Democratic Party (PDP) sprach davon, dass die technischen Pannen eine »nationale Schande« seien. Während der Vorbereitung der Wahlen hatte es eine Debatte über die Einführung elektronischer Lesegeräte gegeben, die Betrug bei der Wählerregistrierung ausschließen sollten. Jonathans Partei hatte sich gegen die Geräte ausgesprochen. Der Vorsitzende der Wahlkommission, Attahiru Jega, sagte laut BBC, dass nur ein Bruchteil der insgesamt 150.000 elektronischen Lesegeräte versagt habe.

Die schlecht funktionierenden Maschinen konnten indes auch nicht verhindern, dass noch vor Bekanntwerden des auch bis Redaktionsschluss nicht verkündeten Ergebnisses Proteste gegen die Wahlen begannen. Aus mehreren Städten wurden am Montag Demonstrationen von Anhängern der Opposition gemeldet, die Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung beklagten. In Port Harcourt, der Hauptstadt des Bundesstaates Rivers, versammelten sich laut der nigerianischen Zeitung Vanguard am Morgen etwa 2.000 weibliche Anhänger der oppositionellen Partei All Progressive Congress (APC) und forderten die Annullierung der Wahl. Als die Demonstrantinnen versuchten, zu den Büros der Wahlkommission vorzudringen, wurden sie demnach von der Polizei unter Einsatz von Tränengas zurückgedrängt. Der APC-Kandidat Muhammadu Buhari galt als stärkster Herausforderer von Jonathan. Am Montag kursierten zunächst Gerüchte in nigerianischen Medien, wonach Buhari die Abstimmung gewonnen haben könnte, erste Teilergebnisse aus den Bundesstaaten deuteten dann aber in Richtung eines Sieges von Jonathan. Alle Beobachter sprachen bis zuletzt von einem engen Rennen zwischen den beiden.

Aus Rivers wurden die gröbsten Verstöße gegen einen fairen Ablauf der Wahl gemeldet. Ibrahim Zikrullah von der Transitional Monitoring Group, einer nigerianischen Organisation, die die Wahlen beobachtet, sprach in einem Interview mit der Deutschen Welle davon, dass Sicherheitskräfte Urnen zerstört und Wahlzettel gefälscht hätten. Auch in anderen Bundesstaaten gab es Zikrullah zufolge ähnliche Vorfälle, insgesamt jedoch seien die Wahlen »weitgehend fair« verlaufen. Bereits am Samstag hatte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, Nigeria zu einem »überwiegend friedlichen und ordnungsgemäßen Verlauf« der Wahlen gratuliert und die Anschläge verurteilt. Die Afrikanische Union (AU) sprach am Montag in einer Pressemitteilung davon, dass die Abstimmung in einem Rahmen verlaufen sei, der den »kontinentalen und regionalen Regeln demokratischer Wahlen« entspricht. Streitigkeiten über das Ergebnis sollten vor ordentlichen Gerichten ausgefochten werden, so die AU.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 31. März 2015


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