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Erleichterung in Nigeria

Oppositionskandidat Muhammadu Buhari gewinnt Präsidentschaftswahlen. Amtsinhaber Goodluck Jonathan gratuliert. Weniger Gewalt als befürchtet

Von Simon Loidl *

In Nigeria kommt es zu einem Wechsel an der Spitze des Staates. Der Herausforderer des bisher regierenden Präsidenten Goodluck Jonathan, der vom Oppositionsbündnis All Progressive Congress (APC) unterstützte Muhammadu Buhari, hat die Wahlen vom vergangenen Wochenende gewonnen. Dies gab die nationale Wahlkommission am Dienstag abend bekannt. Demnach sprachen sich 53,96 Prozent der Wählerinnen und Wähler für Buhari aus. Für Jonathan stimmten lediglich 44,96 Prozent. Die weiteren zwölf Kandidaten errangen allesamt unter ein Prozent der Stimmen.

Jonathan hat nigerianischen Medien zufolge seine Niederlage kurz nach Bekanntwerden des offiziellen Ergebnisses eingestanden und seinem Nachfolger telefonisch zu dessen Wahl gratuliert. Das Ergebnis der Abstimmung ist insofern historisch, als es bislang in Nigeria keinem Oppositionspolitiker gelungen ist, mittels regulärer Wahlen einen Machtwechsel herbeizuführen. Präsidenten wurden in der Vergangenheit in dem westafrikanischen Land in der Regel per Putsch ihres Amtes enthoben. Jonathan hatte 2010 das Amt von seinem schwer erkrankten Vorgänger Umaru Yar’Adua übernommen und sich erst ein Jahr später durch Wahlen im Amt bestätigen lassen. Damals kam es zu schweren Unruhen, bei denen Hunderte Menschen getötet wurden. Viele Beobachter hatten ähnliche Szenarien auch für die aktuelle Wahl befürchtet, falls einer der beiden Kandidaten das Ergebnis nicht akzeptiert hätte.

Demonstrationen von APC-Anhängern Anfang der Woche deuteten bereits in diese Richtung. Noch während die Wahllokale geöffnet waren, wurden am Wochenende erste Vorwürfe gegen Behörden und Sicherheitskräfte laut. In einigen Bundesstaaten war es demnach zu Einschüchterungsversuchen gegenüber Wählern sowie zum Diebstahl von Wahlurnen gekommen. Aber auch Pannen mit erstmals verwendeten elektronischen Lesegeräten zur Identifizierung der Wahlberechtigten sorgten für Kritik. Die technischen Probleme hatten schließlich auch zu einer Verlängerung der zunächst nur für Samstag anberaumten Abstimmung auf zwei Tage geführt.

Die Wahl Buharis dürfte vor allem mit Jonathans Versagen zusammenhängen, seine Versprechen zu erfüllen. Muhammadu Buhari hat angekündigt, die Korruption bekämpfen zu wollen und die Gewalt im Norden des Landes zu beenden. Auf beiden Gebieten waren seinem Vorgänger keine Durchbrüche gelungen. Insbesondere warfen Kritiker Jonathan vor, keine geeignete Strategie im Kampf gegen die Miliz »Boko Haram« gefunden zu haben. Die islamistische Gruppe kontrolliert Teile der nordöstlichen Bundesstaaten. Als starker Hoffnungsträger für eine neue Ausrichtung der nigerianischen Politik ist der 72jährige Buhari jedoch nicht zuletzt wegen seiner eigenen politischen Vergangenheit ungeeignet. Nach einem Putsch regierte er Nigeria bereits zwischen 1983 und 1985, bevor er selbst durch einen Staatsstreich wieder aus dem Amt gejagt wurde. Bereits während seiner ersten Amtszeit hatte sich Buhari den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben und versucht, mit autoritären Maßnahmen eine ökonomische und politische Kursänderung durchzusetzen . Buhari lehnte damals »Unterstützung« durch den Internationalen Währungsfonds ab, die an Kürzungsmaßnahmen geknüpft gewesen wäre. Gleichzeitig setzte er jedoch ein noch strengeres Austeritätsprogramm durch, ging gegen Oppositionelle vor und verbot Streiks und Demonstrationen. Im aktuellen Wahlkampf haben viele Kommentatoren immer wieder an die autoritäre Vergangenheit Buharis erinnert, der jedoch stets beteuert, sich zum Demokraten gewandelt zu haben.

In einigen Regionen Nigerias kam es auch in den vergangenen Tagen erneut zu Anschlägen und Gefechten zwischen »Boko Haram«-Kämpfern und nigerianischen Sicherheitskräften. Auch einige Wahllokale wurden Ziel der Attacken der Aufständischen. Mehrere Menschen wurden am Wochenende getötet. Nichtsdestotrotz sprachen viele Kommentatoren vor Ort, aber auch internationale Beobachter, von einem überraschend fairen und ruhigen Ablauf der Abstimmung.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. April 2015


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